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Umstrittene KüstenautobahnBUND lässt sich auf Deal zur A20 ein

Der Umweltverband und die Kieler Landesregierung haben sich auf den Weiterbau bei Bad Segeberg geeinigt – zum Wohl der Fledermäuse im Kalkberg.

Umweltminister Goldschmidt, Ministerpräsident Günther, BUND-Vorsitzender Ulbrich und Verkehrsminister Madsen stellen Vergleich vor Foto: Markus Scholz/dpa

Der Weg für den Weiterbau der Küstenautobahn A20 beim schleswig-holsteinischen Bad Segeberg ist frei: Der Umweltverband BUND zieht seine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zurück. Im Gegenzug gründet das Land eine 14 Millionen Euro schwere Stiftung für den Fledermausschutz und verspricht verschiedene Verbesserungen beim Naturschutz.

Die A20 soll von der polnischen Grenze kommend in einem weiten Bogen um Hamburg herumführen, bei Glückstadt die Elbe queren und bis nach Ostfriesland führen. Bis dato endet die Autobahn kurz vor Bad Segeberg, wo sie zur Bundesstraße 206 wird und mitten durch die Stadt verläuft. Der Weiterbau ist ökologisch problematisch, weil er durch das wertvolle Travetal führt und Nordeuropas größtes natürliches Fledermaus-Quartier bedroht.

„Durch den Vergleich haben wir die Chance, etwas für die Fledermäuse tun zu können, das mit einer Fortführung der Klage nicht möglich gewesen wäre“, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Ole Eggers. Mit einer Klage wären wieder Jahre ins Land gegangen, während die Populationen der Teich- und der Bechsteinfledermaus in der Segeberger Kalksteinhöhle drohten zusammenzubrechen.

Seit dem vom BUND erstrittenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das 2013 zum Baustopp führte, hätten sich die Bedingungen für die Fledermäuse bei Segeberg dramatisch verschlechtert. Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete hätten sich in der Zeit ausgebreitet und erschwerten im Verein mit der nahe gelegenen A21 den Fledermäusen den Flug zum Kalkberg. „Eine teure Querungshilfe über der Autobahn nützt nichts, wenn daran ein hell erleuchtetes Gewerbegebiet anschließt“, sagt der BUND-Landesvorsitzende Dietmar Ulbrich.

Schnieder macht Hoffnung

Ein Zweck der Stiftung sei es deshalb, Grundstücke zu kaufen, mit denen dunkle Flugkorridore für die Fledermäuse gesichert werden können, sagt BUND-Geschäftsführer Eggers. Für den BUND bringe die Stiftung keinerlei finanzielle Vorteile. „Wir hoffen, dass eine kapitalstarke Fledermausstiftung mehr Sympathie für die bedrohten Tiere schafft und für Bad Segeberg und seine Umlandgemeinden zu einem kompetenten Gesprächspartner heranwächst“, sagt Eggers.

Auch aus Sicht der Landesregierung war es für eine Einigung fünf vor zwölf. Denn mit der schwebenden Klage galt der Autobahnabschnitt nicht als baureif und hatte keine Chance, von den 2026 zu verplanenden Infrastrukturmilliarden des Bundes zu profitieren. Das ist jetzt anders.

Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) begrüßte die außergerichtliche Einigung. Und während der BUND die A20 als umweltschädlichste Autobahn Deutschlands bezeichnet, nennt sie Schnieder „eine der wichtigsten“. Sein Haus plane, Baufreigaben für alle Projekte, die baureif sind, sehr zeithnah zu erteilen. „Das gilt auch für die A20“, versicherte Schnieder.

Geht es nach dem Ministerpräsidenten Daniel Güntner und seinem Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (beide CDU), soll die Projektgesellschaft des Bundes (Deges) im ersten Halbjahr 2026 mit dem Bau beginnen. In den kommenden Wochen würden die letzten Details der Stiftung geklärt und die Deges werde die europaweite Ausschreibung des 550-Millionen-Euro-Projekts vorbereiten.

Immer wenn sich der Verkehr staut, wird auf die Wohnstraßen ausgewichen.

Toni Köppen, Bürgermeister Bad Segeberg

Bad Segebergs Bürgermeister Toni Köppen (parteilos) erhofft sich von dem Vergleich eine starke Entlastung und einen Entwicklungsschub für seine Stadt. Rund 35.000 Kraftfahrzeuge täglich drängelten sich durch den Kurort, ein großer Teil davon Lastwagen. „Immer, wenn sich der Verkehr staut, wird auf die Wohnstraßen ausgewichen“, sagt Köppen. Der Schwerlastverkehr zerstöre die Straßen, für deren Sanierung die Stadt selbst aufkommen müsse. Mit der Autobahn würden es 20.000 Fahrzeuge weniger.

Der bis zur A21 faktisch als Ortsumgehung fungierende Autobahnabschnitt werde die Bedingungen für das Gewerbe in der Stadt verbessern, sagt Köppen. Deren Teilung durch die B206 werde aufgehoben und der Kurort werde an Lebensqualität gewinnen.

Von der Stiftung verspricht sich der Bürgermeister Vorteile. Dass sie Grundstücke kaufen wolle, stehe nicht im Widerspruch zur geplanten Siedlungsentwicklung. Den Fledermausschutz berücksichtige die Stadt schon lange – sowohl bei der Flächenplanung als auch bei der Beleuchtung.

„Wir werden schauen, was wir aus der Stiftung heraus für die Stadt tun können“, kündigt Köppen an. Dabei könnte es etwa darum gehen, Angsträume mit einem besonderen Beleuchtungskonzept zu beseitigen, das mit dem Schutz der Fledermäuse vereinbar wäre.

Über die Stiftung hinaus verhandelt hat der BUND einen besseren Schutz der Hangwälder an der Trave und der seltenen Kalktuffquellen dort. Für Otter soll eine Passage unter der Trave gebaut, das Travetal durch eine Begrenzung der Zugänge besser geschützt werden. Überdies ist dem BUND zufolge vereinbart worden, das Tempolimit 60, das auf dem zehn Kilometer langen Autobahnabschnitt gelten soll, dauerhaft zu überwachen.

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5 Kommentare

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  • Demnächst gibt es dann auch Konsum ohne Reue, zertifiziert vom BUND. WWF und Greenpeace haben es dem Trump vor- oder nachgemacht: Mit dem eigenen Sigel lässt sich gutes Geld verdienen.

    Und ich weiß wieder, warum ich nicht zum Bund gegangen bin und auch sonst jegliche Art von Fan-Sein und Mitgliedschaft verweigere.

  • Mal wieder ein klassischer Fall von 'Automobilem Teufelskreis'.



    A.Rammert:



    "Die gebaute Infrastruktur sowie das darauf basierende Verkehrsangebot induziert einen entsprechenden verkehr. "Wer Straßen säht, wird Verkehr ernten" lautet ein bekanntes Sprichwort unter Verkehrsplanenden und solange die Straßeninfrastruktur weiter erhalten und sogar ausgebaut wird, wird auch der Autoverkehr weiter steigen."

  • Schön, dass es auch noch Kompromisse gibt.



    Das meine ich völlig ernst.

  • Dass wir den Autoverkehr schätzungshalber mindestens halbieren müssen wegen dessen schädlicher Auswirkungen, wissen alle, die Zahlen lesen können.



    Warum werden dann überhaupt noch neue Straßen gebaut, bis auf Ausnahmefälle? Geht das Geld nicht besser in die Wiederertüchtigung umweltfreundlicher Lösungen?

    Hier ging es freilich nur um die Fledermaus, und dann ist es so.

  • Fledermäuse, Fledermäuse, schön und gut -- aber was ist mit der grauenhaften Flächenversiegelung? Dem, ja, LandschaftsVERBRAUCH -- denn die Gegend ist dann weg und kommt nie wieder!