Umstrittene Äußerungen Cohn-Bendits: Eingeholt von freieren Zeiten
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat seine Festrede für Daniel Cohn-Bendit abgesagt. Der Grund: Äußerungen zur „Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ von 1975.
KARLSRUHE dpa | Bundesverfassungsgerichts-Präsident Andreas Voßkuhle hat seine Festrede zur Verleihung des Theodor-Heuss-Preises an den Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit abgesagt. Ein Sprecher des höchsten deutschen Gerichts bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht der Stuttgarter Nachrichten.
Grund dafür sei eine Veröffentlichung von 1975, in der sich Cohn-Bendit „in nicht unproblematischer Weise zur Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern“ geäußert habe. Das Bundesverfassungsgericht sei „in ganz besonderer Weise gehalten, jeden Anschein zu vermeiden, es würde solche Aussagen billigen“, so der Sprecher.
In dem Buch „Der große Basar“ aus dem Jahr 1975 thematisierte Cohn-Bendit seine Zeit in einem anti-autoritären Kindergarten der Universität Frankfurt/Main. Dabei werden auch Intimitäten zwischen ihm und kleinen Kindern beschrieben.
Diese Passagen hatten bereits 2001 für eine kurze öffentliche Debatte gesorgt. Cohn-Bendit sowie Kinder und Eltern von damals betonten jedoch, es sei zu keinem Missbrauch gekommen.
„Wir hatten eine Zeit, die so was geduldet hat“
Der heute 67-jährige Europa-Politiker bedauert aber einige Äußerungen angesichts der Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre selbst als „unerträglich“. „Heute würde ich das so nicht mehr schreiben“, sagte Cohn-Bendit am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa.
Das Buch müsse aus der Zeit heraus verstanden werden: „Wir hatten eine Zeit, die so was geduldet hat.“ Erst 16 Jahre später sei das Buch skandalisiert worden. Dass das Thema nun wieder aufkomme, nehme er „philosophisch“: „So ist das Leben. Die Geschichte kann einen immer wieder einholen.“
Der 48. Theodor-Heuss-Preis wird am 20. April im Neuen Schloss in Stuttgart verliehen. Die Stiftung hält an ihrem Preisträger fest. Dem Grünen-Politiker gelinge es, „stets neue Wege in der Demokratie zu beschreiten“. Dass der Preisträger wie andere Persönlichkeiten der 68er-Generation eine umstrittene Biografie habe, sei bekannt.
Die Kuratoriums-Vorsitzende Gesine Schwan betonte aber: „Die aktuell erneut vorgebrachten Vorwürfe des Missbrauchs von Kindern hält die Stiftung für unbegründet und ehrenrührig.“
Nach Überzeugung der Stiftung hat Cohn-Bendit im damaligen Frankfurter Kinderladen „nicht aktiv und auch nicht in instrumentalisierender oder missbräuchlicher Absicht gegenüber den Kindern gehandelt“. Dies belege auch ein Brief der Eltern und Kinder aus dem „Kinderladen“. Darin weisen sie Missbrauch entschieden zurück.
Der Grünen-Politiker will der Stiftung dennoch anbieten, die Ehrung zurückzunehmen, falls ihr die Aufregung zu groß wird. „Ich würde das akzeptieren“, sagte er der dpa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was