Umgang der Kirche mit Missbrauch: Transparenz? Von wegen
Der Kölner Kardinal Woelki glaubt, mit zwei Gutachten für Transparenz gesorgt zu haben. Vielmehr zeigt sich: Die Allmacht der Männer in der Kirche beginnt zu bröckeln.
V or einer Woche sah es gut aus für Rainer Maria Woelki. Der Kölner Kardinal stellte ein Gutachten zum Umgang seines Erzbistums mit sexuellem Missbrauch vor, das ihn entlastete: Ihm seien keine Pflichtverstöße im Umgang mit Missbrauchsfällen nachzuweisen. Doch das Papier einer Kölner Anwaltskanzlei entlastet ihn nur auf der Oberfläche. Denn ein erstes Gutachten von Jurist:innen aus München, das Transparenz und Aufarbeitung leisten sollte, wurde von Woelki nicht zur Veröffentlichung freigegeben.
Die Kritik an diesem fragwürdigen Gebaren war allerdings so groß, dass Woelki nachgeben musste – jetzt kann das erste Gutachten zu Teilen von wenigen Personen eingesehen werden. Doch das macht die Sache nicht besser, im Gegenteil: Der Verdacht der Vertuschung und Abschottung wird weiter genährt. Warum wird das Papier nicht vollständig veröffentlicht? Warum müssen Journalist:innen, die im Gutachten lesen dürfen, ein Merkblatt unterschreiben, dass sie daraus nicht zitieren dürfen? Warum dürfen sie Textpassagen nicht kopieren? Das ist von Transparenz meilenweit entfernt.
Die Münchner Kanzlei hat – so viel wurde aus dem ersten Gutachten öffentlich – für die Kirche unbequeme Fragen zu systemischen Zusammenhängen zwischen Missbrauchsfällen und katholischen Gesetzen gestellt. Darunter solche wie: Befördert der Pflichtzölibat sexuelle Übergriffe auf Kinder und Schutzbefohlene? Wie haben Geistliche ihre Fürsorgepflicht wahrgenommen?
Um am Ende zu einem vernichtenden Urteil zu kommen: Bei den Verantwortlichen herrsche eine Art Gleichgültigkeit gegenüber den Missbrauchsopfern und gegenüber sexueller Gewalt vor. Das Fazit wird unterfüttert mit dem Argument mancher Kirchenmänner, Missbrauch finde auch außerhalb der Kirche statt. Das ist so erschreckend wie selbstentlarvend.
Mag sein, dass Woelki glaubt, mit dem einen oder anderen Gutachten für Transparenz gesorgt zu haben. Kann aber auch sein, er irrt. Die Allmacht der Männer in der Kirche beginnt zu bröckeln, der Ruf nach einer neuen Kultur in der Kirche wird lauter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland