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Umgang der Kirche mit MissbrauchTransparenz? Von wegen

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Kölner Kardinal Woelki glaubt, mit zwei Gutachten für Transparenz gesorgt zu haben. Vielmehr zeigt sich: Die Allmacht der Männer in der Kirche beginnt zu bröckeln.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki Mitte März Foto: Ina Fassbender/dpa

V or einer Woche sah es gut aus für Rainer Maria Woelki. Der Kölner Kardinal stellte ein Gutachten zum Umgang seines Erzbistums mit sexuellem Missbrauch vor, das ihn entlastete: Ihm seien keine Pflichtverstöße im Umgang mit Missbrauchsfällen nachzuweisen. Doch das Papier einer Kölner Anwaltskanzlei entlastet ihn nur auf der Oberfläche. Denn ein erstes Gutachten von Ju­ris­t:in­nen aus München, das Transparenz und Aufarbeitung leisten sollte, wurde von Woelki nicht zur Veröffentlichung freigegeben.

Die Kritik an diesem fragwürdigen Gebaren war allerdings so groß, dass Woelki nachgeben musste – jetzt kann das erste Gutachten zu Teilen von wenigen Personen eingesehen werden. Doch das macht die Sache nicht besser, im Gegenteil: Der Verdacht der Vertuschung und Abschottung wird weiter genährt. Warum wird das Papier nicht vollständig veröffentlicht? Warum müssen Journalist:innen, die im Gutachten lesen dürfen, ein Merkblatt unterschreiben, dass sie daraus nicht ­zitieren dürfen? Warum dürfen sie Textpassagen nicht kopieren? Das ist von Transparenz meilenweit entfernt.

Die Münchner Kanzlei hat – so viel wurde aus dem ersten Gutachten öffentlich – für die Kirche unbequeme Fragen zu systemischen Zusammenhängen zwischen Missbrauchsfällen und katholischen Gesetzen gestellt. Darunter solche wie: Befördert der Pflichtzölibat sexuelle Übergriffe auf Kinder und Schutzbefohlene? Wie haben Geistliche ihre Fürsorgepflicht wahrgenommen?

Um am Ende zu einem vernichtenden Urteil zu kommen: Bei den Verantwortlichen herrsche eine Art Gleichgültigkeit gegenüber den Missbrauchsopfern und gegenüber sexueller Gewalt vor. Das Fazit wird unterfüttert mit dem Argument mancher Kirchenmänner, Missbrauch finde auch außerhalb der Kirche statt. Das ist so erschreckend wie selbstentlarvend.

Mag sein, dass Woelki glaubt, mit dem einen oder anderen Gutachten für Transparenz gesorgt zu haben. Kann aber auch sein, er irrt. Die Allmacht der Männer in der Kirche beginnt zu bröckeln, der Ruf nach einer neuen Kultur in der Kirche wird lauter.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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7 Kommentare

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  • Wie viel Transparenz wäre denn eigentlich überhaupt möglich, verantwortbar und rechtlich gestattet? Man kann ja nicht jeden Verdachtsfall an die Presse melden, wenn es keine stichhaltigen Beweise gibt, sonst trägt man das Risiko, Unschuldige zu belasten und zu verleumden. Und in den meisten Fällen dürfte es mit der Beweisbarkeit doch wohl schwer sein, oder? Die Täter vergewaltigten wahrscheinlich eher selten vor Zeugen, also gibt es wohl eine Menge Fälle, in denen eine Beschuldigung vorliegt, aber kein Beweis. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Teil von dem, was der Öffentlichkeit unter dem Stichwort "Vertuschung" verkauft wird, genauso gut unter dem Stichwort "Unschuldsvermutung" laufen könnte.

  • Das Erz im Titel kommt nicht v. ungefähr, es ist kryptisch, Montanlegende, Markenname u. wie viele Vorsilben dehnbar i.d. Interpretation. Im Co-Branding-Kontext wurden einz. Mitglieder d. Durchlaucht-Zirkels jetzt medial sehr Heßelich durch d. Kakao gezogen. Keine Witze über Namen bitte, Herr Puffpaff, Sie Lappes unter d. dunklen Woelkchen in Cologne, so schwadert es böse. KommErz, d. ist die Sinsheim-Variante der Ultra-Auslegung, zumal i. d. Ur-Wort das Merchandising noch gar nicht erfunden war, wie bei Synode, erst mal neutral. Das fand Jan Hus bestimmt auch, bevor er sich in Konstanz (!) dann Ihrer Gnaden Ungnädigkeit todesmutig u. konsequent letal versicherte. HErz, als Sitz moralischer o. intellektueller Qualitäten fehlgedeutet. HErzlos ist somit eigentlich ohne Pumpe. Drehschieber- und Einspritzpumpe, zwei Subtypen i. Igitt-Sortiment? SchmErz: Folter u. Inquisition, ein Stoff für Albträume o. cineastische pekuniäre Verstoffwechselung. Mein Vorschlag: Vermarktung d. Einsichtnahme i. d. geheimnisumwitterte Gutachten nebst Filmrechten an gewogene Reumütige, im Kopfkino Dieter Wedel. Erlösspende an den Schmerztherapeuten d. Kurie, so ergibt sich ein Wertschöpfungskreislauf. TErz, rhld. Synonym f. Aufregung, d. aktuelle Medium-Terzett m. schwarzem Humor "SHP" a. d. Domstadt. SchErz, humorvoll der Rheinländer m. Anspielungen a. d. Mutter aller Geschäftsideen i. glanzvollen Aufstieg Colonias, die erfolgreiche Suche n. 3 biblisch Erleuchteten, CMB Astronomen, den originären Ruhestätten ohne Störung d. Totenruhe selbstlos entrückt. VorwErz und RückwErz, neue Rechtschreibung für den Turnwettbewerb der Durchleuchteten-Riege. Sackhüpfen, Purzelbaum und Be-Rechnen, moderner Dreikampf. Kirchlicher VormaErz, die Nemesis monasteriensis, westfälisch weiblich stur, n. d. Widertäufer:innen d. Wiedergänger:innen. Dem kryptischen antechambrierenden Mea Culpa d. Exzellenzen u. Durchlauchten sei gereimte Replik gegeben: "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche".

  • "Eine Kölner weibliche Kabarettgröße wurde einmal Meisner bei einem Empfang der Stadt vorgestellt und frage ihn: “Sind sie nicht die Schrankschwester?” “Wie bitte?” Ich meine, der verkappte Schwule? Nach Ihrer Hetze gegen diese Leute kann es kaum anders sein!”



    Meisner wurde rot."



    Quelle: regensburg-digital...17/#comment-405339 (link führt auf einen Kommentar)

    Die Männer, welche derzeit offiziell im Erzbistum Köln das Sagen haben, hatte Joachim Meisner gefördert und eingesetzt. Als sein Favorit galt Rainer Maria Woelki.

    Innerhalb der Katholischen Kirche haben Sexualthemen einen besonderen Stellenwert, wodurch sie unangemessen mit Bedeutung aufgeladen werden. Unter solchen Bedingungen wird das Brechen der offiziellen Regeln des Sexualverhaltens erst richtig interessant und attraktiv.

  • Die Kanzlei, die das erste Gutachten erzeugt hat, hat schon mal angedeutet, dass die Veröffentlichung vertraglich vereinbart war und dass sie das auch von ihrer Seite aus machen könnten, um den Schaden, den ihr Ruf durch die Beschwerden des Bischofs erlitten hat, einzudämmen.



    Warum veröffentlichen sie nicht endlich richtig? Das ganze Dokument digitak ins Internet! Dann kann Woelki sich und seinen "Laden" auch nicht mehr verstecken!

  • "Missbrauch finde auch außerhalb der Kirche statt". Na wenn das so ist, findet ja alles kriminelle auch in der Kirche statt oder? Also müssen diese Kinderschänder auch in den Knast. Aber wenn diese Herren ihre Kirche für so wichtig halten, was Moral angeht, sollte die Bestrafung dieser Kinderf..er erst recht und viel härter bestraft werden. Kindesmissbrauch ist neben Mord und Völkermord das schlimmste Verbrechen überhaupt!

    • @joaquim:

      Bevor man jemanden verurteilt und bestraft, müssen erst mal Beweise vorliegen. Und die horrenden Zahlen, die bezüglich sexuellen Missbrauchs durch Kleriker im Schwange sind, beziehen sich zu einem nicht geringen Anteil auf Beschuldigungen, die sich auf Jahrzehnte zurückliegende mutmaßliche Taten beziehen. Wie will man da jemandem etwas stichhaltig beweisen oder jemanden stichhaltig freisprechen?

      Das nützlichste, was man gegen sexuellen Missbrauch tun kann, ist wahrscheinlich, in der Gegenwart besser aufzupassen. Dass die Vorwürfe der Vergangenheit undurchsichtig und ungeklärt bleiben, ist wahrscheinlich in vielen Fällen kaum zu ändern.

    • @joaquim:

      Aber wieso sollen denn die Sexualstraftäter in Sutane denn ins Gefängnis? Sie haben doch lediglich ihr "Zölibatsversprechen verletzt".

      Der Zynismus ist leider nicht meiner, sondern der der katholischen Kirche!

      Dazu: www.zeit.de/gesell...he-erzbistum-koeln