Umbruch bei der SG Flensburg-Handewitt: Frischer Wind von der Trainerbank
Als Titelfavorit war das Handball-Topteam Flensburg-Handewitt in die Saison gegangen. Davon ist nichts mehr übrig. Nun soll es Ales Pajovic richten.
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Es gehört im Spitzenhandball längst zu den Gepflogenheiten, sich in Diplomatie zu üben – bloß niemanden anzugreifen und stattdessen die Wahrheit in Watte zu packen. Ales Pajovic, der neue Trainer der SG Flensburg-Handewitt, machte da eine Ausnahme. Er habe sich gewundert, sagte der Slowene, dass die SG so auftrete und performe, wie sie es tue, schließlich spiele da die halbe dänische Nationalmannschaft. Und die ist amtierender Weltmeister.
Als Titelfavorit war die bestens ausgestatteten SG in die Erstliga-Saison gegangen. Nun stehen die Flensburger trotz des 35:33-Siegs am Samstagabend gegen Tabellenführer MT Melsungen ziemlich zerzaust da.
Der Mannschaft fehlt es an Zusammenhalt, im Hintergrund richten Führungsdiskussionen weiteren Schaden an. Von der einst familiären SG, die Probleme intern gelöst, Spieler langfristig gefunden und ihre jahrelange Stärke als Dauerteilnehmer in der Champions League aus Ruhe und Gelassenheit gezogen hat, ist wenig geblieben.
Derzeit ist Teilnahme an der auch finanziell interessanten Königsklasse für die Saison 2025/26 für die Flensburger mit zwölf Minuspunkten nach 21 Spielen weit entfernt. Ales Pajovic, er kam im Januar, ist nun der dritte Trainer in knapp zwei Jahren, der es richten soll.
Die Defensive wirkt immer noch löchrig
Die SG Flensburg-Handewitt war immer ein Team mit überragender Abwehr. Aber Pajovics Vorgänger Nikolej Krickau hatte versucht, das Team auf Offensive zu bürsten – und das ging schief. Nun leidet sein Nachfolger darunter, dass das Team ständig 30 und mehr Gegentreffer kassiert.
Nachvollziehbar, dass seine Hauptaufgabe in den ersten Wochen auf der Trainerbank war, den Innenblock wieder zu stärken. Auch gegen Melsungen aber wirkte die SG-Defensive oft löchrig. Da ist viel Porzellan zerschlagen worden. Und sich im Angriff nur auf die Wurfkraft des dänischen Weltmeisters Simon Pytlick zu verlassen, ist arg wenig. Nun hat er sich auch noch den Arm gebrochen und fehlt wie Linkshänder Kay Smits, der nach seiner Herzmuskelentzündung Schwierigkeiten hat, wieder in die nötige Form zu kommen.
Sportchef Ljubomir Vranjes hat angesichts der Verletzungsmisere bereits die Saisonziele minimiert. Eigentlich sollte die SG, Meister 2018 und 2019, wieder Richtung Champions-League-Sieg durchstarten wie 2014, als Vranjes selbst auf der Flensburger Trainerbank saß. Doch obwohl auch dank der Arbeit des mächtigen Beiratsvorsitzenden Boy Meesenburg genug Geld da ist – die Flensburger stehen geschätzt bei neun Millionen Euro Etat – flutscht es einfach nicht. Das ist auch angesichts der nominell besten Mannschaft der Liga überraschend und weist auf tieferliegende Probleme hin.
Schwierige Führungsriege
Eines davon dürfte sicher die Konstellation an der Spitze des Vereins sein. Mit Meesenburg, Vranjes und Geschäftsführer Holger Glandorf gibt es gleich drei Männer in Verantwortung, hinzu kommt SG-Urgestein Dierk Schmäschke als Präsident. Was erstmal auf dem Papier gut und wuchtig klingt, trägt leider keine Früchte: In Sachen Trainer-Entscheidungen und Spieler-Verpflichtungen hat vor allem Glandorf keine glückliche Hand. Er wird in Fan-Kreisen besonders kritisch gesehen.
Ales Pajovic soll die SG Flesburg-Handewitt wieder mit Ruhe und Einfachheit zurück zum Handball-ABC bringen. Allerdings wirkt seine Verpflichtung eher wie eine Verschnaufpause für die Flensburger Vereinsführung, zeichnen sich doch eine Reihe schmerzhafter Abgänge ab. Johannes Golla wird die SG spätestens 2026 verlassen, die Dänen Pytlick (Berlin) und Lukas Jörgensen (Veszprem) könnten folgen. Rückraumspieler Jim Gottfridsson wurde von Trainer Nicolej Krickau, der nicht auf ihn setzte, weggeekelt und wechselt zum ungarischen Erstligisten Pick Szeged. Ihm folgen die drei Außenspieler Johan Hansen, Aksel Horgen und August Pedersen.
Ein stattlicher Umbruch, der so eigentlich nicht geplant war. Seit Längerem stehen Glandorf und Vranjes unter Beobachtung – bei der Besetzung der Mannschaft und des Trainerpostens nun ganz besonders.
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