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Umbau der staatlichen EnergieforschungStecker gezogen

Einige Förderprojekte wurden komplett gecancelt. Energieforscher klagen, dass so eine längerfristige Planung nicht möglich sei.

Ohne Forschung wird die Energiewende nicht klappen: experimentelles Solarkraft Jülich Foto: Hans Blossey/imago

Berlin taz | In der vom Bund geförderten Energieforschung regiert der eiserne Besen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat seine Programmplanung für die kommenden Jahre deutlich reduziert. Im Forschungsressort wurden Teile der Kopernikus-Projekte, des Wissenschaftsprogramms für die Energiewende, sogar ersatzlos gestrichen. Die Wissenschaftler fühlen sich überrumpelt.

Der Einschnitt kam im November letzten Jahres, in der sogenannten Nacht der langen Messer, wie die legendäre „Bereinigungssitzung“ des Bun­des­tags­haus­halts­aus­schus­ses auch bezeichnet wird. Die Parlamentarier legten letzte Hand an den Bundesetat 2020 und die Finanzplanung der kommenden Jahre. Dabei kam es im Haushalt von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unerwartet zu erheblichen Einschnitten in den Positionen für die Energieforschung.

So wurden im Etattitel 0903-68301 die Verpflichtungsermächtigungen – das ist die bindende Reservierung von Haushaltsgeldern – für die Energieforschung bis zum Jahr 2026 von 636 auf 537 Millionen Euro, also um 99 Millionen Euro gekürzt. Nomimell wurde dieser Betrag zur Unterstützung von „Real­laboren“ zur experimentellen Erprobung von Energieinnovationen zwar in den Sondertitel des Energie- und Klimafonds außerhalb des Etats des Budeswirtschaftsministeriums (BMWi) verschoben – aber mit erheblichen Folgen für die Projekte, wie die Forscher voraussehen.

„Es ist zu befürchten, dass viele der 2020 geplanten Forschungsprojekte nicht umgesetzt werden können“, sagt Niklas Martin, Geschäftsführer des ForschungsVerbundes Erneuerbare Energien (FVEE), in dem sich die außeruniversitären Energieforscher zusammengeschlossen haben. Martin kritisiert die Kursänderung, die sich hinter dem haushaltspolitischen Verschiebebahnhof verbirgt. „Deutschland wird sich mit der geplanten massiven Schrumpfung der Energieforschung aus der Technologieentwicklung für die globalen, riesigen Märkte der Energiewende verabschieden“, erwartet der Forschungsmanager. Mittel­fristig werde „die Schwächung der Energieforschung für mittlere Technologiereifegrade zu einem Abreißen der Technologieentwicklungsketten führen“. Reallabore als Orte angewandter Forschung könnten diese Forschungs- und Entwicklungsleistungen nicht annähernd ersetzen.

Reallabore könnten diese Forschungs- und Entwicklungs­leistun­gen nicht ersetzen

Die eingesparten Mittel würden im BMWi überwiegend benötigt, um die neuen Förderinitiativen für künstliche Intelligenz beziehungsweise Digitalisierung zu finanzieren, verlautbarte das Ministerium nach der Etatänderung. Aber das ist nicht der einzige Grund, wie der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt ­Rehberg durchblicken ließ. Gegenüber dem Tagesspiegel, der die „Kehrtwende bei der Energieforschungspolitik“ ­publik machte, verwies Rehberg darauf, dass es bei über 4.000 laufenden Projekten keinesfalls zu wenig Energieforschung gebe. „Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ergebnisse davon nur leider viel zu häufig in der Schublade verschwinden“, beschrieb er die Motivation des Ausschusses zur Kürzung. Statt „Forschung um der Forschung willen“ zu fördern, seien jetzt Umsetzungsprojekte wichtiger, um in der Klimapolitik zu CO2-Reduzierungen zu kommen.

Eine Retourkutsche

Volker Quaschning, Energieforscher an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin und Mitbegründer der Scientists-for-Future-­Initiative, die sich an die Seite der protestierenden Schüler*innen stellte, hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Kürzung der Gelder für Energiewende-For­schungs­pro­jek­te „auch eine Retourkutsche der CDU/CSU auf die Aktionen von Scientists for Future ist“. Schließlich hätten sich „unter den Erst­un­ter­zeich­ne­r*in­nen seinerzeit besonders viele Ener­gie­wen­de­for­sche­r*in­nen“ befunden, äußerte sich Quaschning gegenüber der taz: „Beweisen lässt sich das natürlich nicht, aber nachdem die Forschungsgelder über viele Jahr recht planbar waren, ist dieser heimliche Sinneswandel doch recht auffällig.“

Das BMWi bekräftigte auf Anfrage der taz demgegenüber, dass die „Haushaltsmittel für die Energieforschung nicht gekürzt“ würden. Vielmehr würden die Reallabore – die bisher den „umsetzungsorientierten Bereich des Energieforschungs­programms“ darstellten – „ab dem Haushalt 2020 im Wirtschaftsplan des Energie- und Kimafonds (EKF)ausgewiesen“ und erhielten „damit einen eigenständigen, sichtbaren Beitrag für die Energie- und Klimawende in Deutschland“. Der stärker akademische Bereich der klassischen Forschungsfelder verbleibe im BMWi-Haushalt. „Insgesamt werden durch den Deutschen Bundestag für das Energieforschungsprogramm des BMWi durch diesen Schritt nicht weniger, sondern mehr Bundesmittel zur Verfügung gestellt“, so die Sprecherin des Altmaier-Ministeriums.

FVEE-Geschäftsführer Martin hält dagegen: „Das zentrale Problem sind die völlig unerwartet um 90 Prozent gekürzten Verpflichtungsermächtigungen für das Jahr 2021 und die Kürzungen der Folgejahre.“ Mit ihnen könnten „die Projektträger keine Finanzpläne für die üblicherweise mehrjährigen Projekte darstellen“. Das werde angedachte Projekte ins Schleudern bringen.

Noch drastischer war der Einschnitt, der zur Jahreswende bei den Flaggschiffen der Energieforschung im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stattfand. Von den vier Kopernikus-Projekten, die die Energiewende wissenschaftlich begleiten sollen, wurden nur drei in ihrer zehnjährigen Laufzeit verlängert. Beim Teilprojekt ENavi hingegen, das vor allem die gesellschaftlichen Auswirkungen mit einem Budget von 30 Millionen Euro in den letzten drei Jahren untersuchte, wurde dagegen „der Stecker gezogen“.

Noch Anfang letzten Jahres sei eine Evaluation des Projekts zunächst positiv verlaufen; allerdings sei „die Gesamtevaluation wegen mangelnder gesellschaftlicher Wirksamkeit kritisch ausgefallen“, erklärte Projektleiter Ortwin Renn vom Potsdamer Institut für Nachhaltigkeits­forschung IASS gegenüber der taz. Ein Neukonzept wurde vom BMBF angefordert, ein neuer Wettbewerb in Aussicht gestellt, der aber nie begonnen wurde. „Wir wurden bis Dezember hingehalten mit vielen Ankündigungen, die nicht umgesetzt wurden, und In-Aussicht-Stellung von Wei­ter­füh­rungs­an­ge­bo­ten, die sich dann nie realisierten“, kritisiert Renn. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren einem andauernden Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung ausgesetzt.“

Zum Jahresende musste er sein ENavi-Team entlassen, unter ihnen auch Mitarbeiter der zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende, die sich für neue Partizipationsformen der Gesellschaft an der Forschung einsetzt. „Das ist für mich eine der bittersten Erfahrungen in meinem Berufsleben gewesen“, so Renn. Über die Gründe für die Entscheidung erhielt die taz vom BMBF auf Anfrage keine Antwort.

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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Man darf auch nie vergessen, dass unsere Bundesregierung sehr Lobby-Hörig ist.



    Neue Energieformen? Etwa gar so dezentral wie Solarenergie und Windkraft? Wie soll man denn da Monopole bilden, wie die aktuell 4 großen Energieerzeuger in Deutschland? Geht gar nicht! Muss unbedingt verhindert werden!!!

  • Was für Idioten....kürzen, einschränken, behindern, verunsichern, verschieben ohne Ankündigung.



    Statt da mal eben eine Milliarde draufzubuttern!? Leute: Energieforschung!!! Wo wenn nicht hier geht es um die Zukunft Deutschlands?

    Wird Altmeier von den Chinesen bezahlt: ey, mach mal die deutsche Forschung etwas schwächer, wir wollen hier zur Weltmacht aufsteigen, ist das klar!?

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Gesellschaftliche Auswirkungen für 30 Millionen zu erforschen ist keine Energieforschung. Da hätte ich auch gespart.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Sie würden ins BMWi auch gut reinpassen: Sie haben offenbar keine Ahnung, wovon Sie sprechen :-D

  • der Stopp der ENavi-Förderung ist eine klare Retourkutsche an das Potsdamer Institut IASS. Es ist im "Verwaltungsdeutsch" als Disziplinierung zu verstehen.



    Das vermutet Herr Quaschning auch zu recht, denn die öffentlichen Forderungen der Wissenschaft sind mittlerweile zu bürgerfreundlich geworden. Eine Industriepolitik nach dem Geschmack von Herrn Altmaier ist damit nur noch schwer durchzuführen und "sägt an seinem Stuhl".



    Die Energiewende dreht sich eben nicht nur um den Erhalt unserer Zukunft auf diesem Planeten, sondern es geht auch um Versorgungsabhängigkeiten und Machtstrukturen die geändert werden müssen. Wie schon Hermann Scheer in seinen über 10 Jahre alten Publikationen hervorragend beschrieben hat.

  • "neuen Förderinitiativen für künstliche Intelligenz beziehungsweise Digitalisierung zu finanzieren, verlautbarte das Ministerium"

    kurz Geldverschwendung

    • @danny schneider:

      Bei KI bzw. Digitalisierung ist jedenfalls Anwendungsentwicklung ohne Aussicht auf grundlegende Forschungsinnovationen, die eigentlich den Kern undseres Wohlstands ausmachen, zu erwarten.



      Allein der Begriff "Digitalisierung" ist für obeflächliches Politiker-Sprech, denn zu einen ist unsere Technik schon seit 20 Jahre zielich weit digitalisert, das gilt auch für die Steuerung von so Alltagsgeräten wie einer Waschmaschine. Zum anderen ist das ein Sammelbegriff ohne konkreten Bezug - so wie "Elektrfizierung" auch nicht sehr viel aussagt - aber eben gerade so verständlich, dass er bei Politik wie beim Teil des Volkes, der weniger von Software und IT versteht, gut ankommt.

    • @danny schneider:

      Bei KI bzw. Digitalisierung ist jedenfalls Anwendungsentwicklung ohne Aussicht auf grundlegende Forschungsinnovationen, die eigentlich den Kern undseres Wohlstands ausmachen, zu erwarten.



      Allein der Begriff "Digitalisierung" ist für obeflächliches Politiker-Sprech, denn zu einen ist unsere Technik schon seit 20 Jahre zielich weit digitalisert, das gilt auch für die Steuerung von so Alltagsgeräten wie einer Waschmaschine. Zum anderen ist das ein Sammelbegriff ohne konreten Bezug - so wie "Elektrfizierung" auch nicht sehr viel aussagt - aber eben gerade so verständlich, dass er bei Politik wie beim Teil des Volkes, der weniger von Software und IT versteht, gut ankommt.