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Ultrakonservative GenderkritikerSchulboykott in Frankreich

Sie rufen Eltern dazu auf, ihre Kinder tageweise aus der Schule zu nehmen. Konservative Franzosen boykottieren so die Gender-Lehre an den französischen Schulen.

Die konservativen französischen Eltern wollen eine klare Trennung in Männlein und Weiblein. Bild: dpa

PARIS afp | Ein Boykott-Aufruf gegen staatliche Schulen sorgt in Frankreich für Aufregung: Erziehungsminister Vincent Peillon forderte die Schulleitungen am Mittwoch in Paris auf, diejenigen Eltern zu sich zu zitieren, die ihre Kinder wegen der Verbreitung falscher „Gerüchte“ zuhause lassen.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist die von der sozialistischen Regierung forcierte, gezielte Gleichstellungspolitik an französischen Schulen, durch die Stereotypen bei Mädchen und Jungen abgebaut werden sollen.

Kritiker vor allem aus rechtsextremen und katholisch-fundamentalistischen Kreisen riefen zum Boykott auf. Sie stemmen sich gegen die Verbreitung der sogenannten Gender-Theorie, nach der das Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch festgelegt wird.

Eltern in Frankreich wurden daher per SMS, E-Mail oder über die sozialen Netzwerke aufgerufen, ihre Kinder einmal pro Monat aus Protest gegen den Unterricht zu Hause zu lassen.

Unterricht gestört

Dem Boykott-Aufruf folgten überraschend viele Eltern: In landesweit rund hundert Schulen war seit Freitag der Unterricht wegen des Fernbleibens von Schülern gestört, wie das Erziehungsministerium mitteilte. Nach Gewerkschaftsangaben waren auch viele Problembezirke mit einem hohen muslimischen Anteil betroffen. Insgesamt gibt es in Frankreich 48.000 öffentliche Schulen.

Die Bewegung „Schulstreik-Tag“ hat bis zum 10. Februar einen Plan aufgestellt, wann Schulen in welchen Städten boykottiert werden sollen. Der Boykott bezog sich am Montag unter anderem auf den Großraum Paris, wo in manchen Schulen bis zu 30 Prozent der Schüler fehlten.

Die Initiative „Schulstreik-Tag“, die seit Dienstag von dem katholisch-fundamentalistischen Institut Civitas unterstützt wird, war im Januar von Farida Belghoul gestartet worden. Sie steht dem rechtsextremen Autor Alain Soral nahe, der wiederum mit dem als antisemitisch geltenden Komiker Dieudonné verbunden ist. Gegen Dieudonné war kürzlich eine Reihe von Auftrittsverboten verhängt worden, was für eine heftige Debatte in Frankreich sorgte.

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29 Kommentare

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  • G
    Gast

    Man verkennt hier die Genialität der Argumentation der Schulfernbleiber/Protestierer:

     

    Sexuelle Orientierungen/Zuordnungen, die in die eigene Argumentation passen sind ausschließlich naturgegeben (oder von Gott/Allah etc.), ebenso wie die daraus resultierenden "natürlichen" Hierarchien. Sexuelle Orientierungen/Zuordnungen, die nicht in die eigene Argumentation passen, sind dann aber logischerweise auch immer nur Modeerscheinungen oder können "geheilt" werden.

  • H
    Honky

    Gähn. Stellt sich auch hier wieder die Frage, was die Vorwürfe der Kritiker mit der Realität zu tun haben. Das ist dem Artikel leider nicht zu entnehmen. Vorhersagbar wie das Amen in der Kirche, dass sich die Beschützer der Heteronormativität (wie auch in BaWü bereits zu beobachten) die extremsten Aussagen der Gender Theorie der letzten xy Jahre krallen, um erstmal kräftig (Gegen)-Propaganda zu machen. Was an den Schulen tatsächlich im Rahmen der "sogenannten Gender-Theorie" gelehrt wird, scheint auch dem Artikel weniger von Belang zu sein (was mit Abbau von Stereotypen halt?). Aber is ja auch wurscht: Beim googlen findet sich wie immer schneller und plakativer Info darüber, was ängstliche Menschen so denken, als darüber, was Phase ist. Und die Folgen bei denjenigen, die Probleme mit der Verarbeitung von unscharfem Input bzgl. des Themas haben, waren auch bereits bei den Unterzeichnern des Herrn Stängle zu beobachten: Bei den einen ist die sexuelle Orientierung (der Kinder!) in Gefahr, bei den anderen die Identität. Am besten aber beides (is' ja eh alles Genderquatsch): http://www.lamanifpourtous.fr/de/nachrichten-und-berichte/875-warnung-vor-der-gender-ideologie-und-vorgeschwindelter-kinderzeugung

    Und morgen in der Bild: "EU will Quote für schwule Mädchen einführen"

  • B
    Balduin

    Europa auf dem Weg ins Mittelalter. Zum Kotzen.

    • G
      Gast
      @Balduin:

      Gender-Studies und deren "Erkenntnisse" braucht kein Mensch und schon gar nicht die Kinder in der Schule. Die sollen sich lieber mal mit Technik beschäfftigen, dann kommt die Welt voran

      • H
        Hans
        @Gast:

        Ja, scheiß auf die Geisteswissenschaften, die haben dem Land der Dichter und Denker noch nie was gebracht.

  • Tatsächlich weiss man heute, dass die these, dass das "Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch" wird, einfach falsch ist. Beleg dafür ist nicht zuletzt das Schicksal von "Intersexuellen". Kindern, die ohne eindeutig zuordnbare Geschlechtsmerkmale geboren wurden, hat man früher willkürlich ein Geschlecht zugewiesen, sie entsprechend operiert und dann entsprechend aufgezogen. Weil das Geschlecht aber eben nicht kulturell festgelegt ist, deswegen litten viele der Betroffenen darunter, dass sie einem anderen Geschlecht zugeordnet waren, als dem, dem sie sich tatsächlich zugehörig fühlten. wird." Aus diesem Grund werden entsprechende Operationen bei intersexuellen Kindern heutzutage auch weithin abgelehnt.

    • @Yoram Hartmann:

      Sie beziehen sich auf den Teil "Sex" im Begriff Geschlecht. Die kulturelle Prägung bezieht sich aber auf den Teil "Gender" im deutschen Begriff.

      • 8G
        889 (Profil gelöscht)
        @Dhimitry:

        Genau. Und darüber hinaus heißt "kulturelle Prägung" nicht, dass man diese auf Zuruf ändern könnte.

         

        Muss also keiner Angst haben, dass ihm die bösen Gendertheoretiker_innen den Schniepel weghexen...

  • T
    thomsen

    Da meldet sich nun die "Zivilgesellschaft" und protestiert gegen staatliche Umerziehung - und nun ists auch wieder nicht recht.

     

    Wie ist es übrigens mit der Diskriminierung "Konservativer", "traditioneller Katholiken", allgemein "Rechter" - ein sehr dehnbares Etikett, das man jedem politisch andersdenkenden anheften kann - von "Bundeswehrangehörigen", "weisser Männer" im allgemeinen usw.? Greifen da auch die Gleichstellung und Antidiskriminierung?

     

    Die gehören doch auch alle zur Zivilgesellschaft, aber in den Medien werden sie immer und hemmungslos fertiggemacht.

  • S
    Silbendrechsler

    Tja, kann ich gut verstehen, obwohl ich nicht von mir sagen würde, "ultrakonservativ" zu sein. Und ich nehme an, dass sind die Kritiker in Frankreich auch nicht. Aber dagegen zu protestieren, dass eine Theorie, die sich gegen jegliche Falsifikation einfach durch Nichtanerkennung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse sperrt, Kindern als Faktum vermittelt wird, halte ich für legitim.

  • J
    Jay

    "[...]der sogenannten Gender-Theorie, nach der das Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch festgelegt wird."

     

    Das ist nicht korrekt. Bei der Gender-Theorie geht es darum, zwischen dem kulturellen (gender) und biologischen (sex) Geschlecht zu differenzieren.

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    "Kritiker vor allem aus rechtsextremen und katholisch-fundamentalistischen Kreisen riefen zum Boykott auf. Sie stemmen sich gegen die Verbreitung der sogenannten Gender-Theorie, nach der das Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch festgelegt wird."

     

    Das wäre keine Theorie, sondern eine These. Diese verbreitet aber auch niemand.

  • NS
    Na sowas

    In der Schule sollte das gelehrt werden, was gesellschaftlicher Konsens ist. Ansonsten sollten sich die Eltern wehren und ihre Kinder nicht UMerziehen lassen.

  • K
    Kaboom

    Der Artikel ist bezüglich des Hintergrundes - sorry - Unsinn.Die Gender-Theorie beschäftigt sich mit der gesellschaftlich bedingten Zuordnung von Verhalten zu den biologichen Geschlechtern(Geschlechterrollen).

  • "Kritiker vor allem aus rechtsextremen und katholisch-fundamentalistischen Kreisen riefen zum Boykott auf. Sie stemmen sich gegen die Verbreitung der sogenannten Gender-Theorie, nach der das Geschlecht von Jungen und Mädchen vor allem kulturell und nicht biologisch festgelegt wird."

     

    1. Es ist eine Unverschämtheit, Kritiker dergestalt zu verunglimpfen.

    2. Ich habe noch nicht eine einzige seriöse Studie gelesen, die belegt, dass das Geschlecht ausschließlich sozial konstruiert ist. Im Gegenteil legen die Erkenntnisse der Neurowissenschaften einen erheblichen Einfluss der Biologie nahe. Aber was nicht sein darf, kann auch nicht sein...

    • @Peter Rosenstein:

      Zu 1) Wer ruft denn nach ihren Informationen zu diesen Boykottaktionen auf?

       

      Zu 2) Das Geschlecht ausschließlich sozial konstruiert ist, behaupten glaube ich nur sehr wenige Menschen. Das Geschlecht und gesellschaftliche Rollen immer auch von der Sozialisation bzw. von der Kultur mitbestimmt sind, ist jedoch sehr naheliegend. Dazu empfehle ich dann z.B. einen Blick in ein Standardlehrbuch der Soziologie.

    • @Peter Rosenstein:

      zu 1: Ich erkenne hier keine Verunglimpfung.

      zu 2: "vor allem" ist ungleich zu "ausschließlich"

      • K
        Kimme
        @Dubiosos:

        Also wenn ich ein Neugeborenes sehe, kann ich, obwohl weder Gesellschaft noch Kultur einfluss auf es ausüben konnten, direkt ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt.

         

        Auch ist der Einfluss von Hormonen auf Verhalten und körperliche Entwicklung zweifelsfrei nachgewiesen und unbestritten. Bestes Beispiel sind Hormonbehandlungen bei Menschen, die sich dafür entscheiden mit einem anderen Geschlecht weiterzuleben.

        • H
          Hans
          @Kimme:

          Und wer hat Ihnen diese Thermini beigebracht? Woher wissen Sie, dass das Neugeborene mit dem Pinöckel im Schritt ein "männliches" Wesen ist und bei Neugeborenen mit invertierten Merkmalen ein "weibliches" Wesen handelt? Das hat man Ihnen beigebracht. Und dies wurde gesellschaftlich konstruiert.

      • @Dubiosos:

        Sehr richtig!

         

        Selbst in den Gender Studies versucht man heute Modelle zu finden in denen sich wiederspiegelt, dass Geschlecht eine "Corporeale" sprich tatsächlich körperliche und eine konstruierte soziale Komponente hat, die sehr eng miteinander verwoben sind.

        • @Sovmorgon:

          Das dies in den Gender Studies heute so gehandhabt wird, wage ich zu bezweifeln, aber wenn Sie einen Link für mich hätten...? Ansonsten widerspreche ich Ihnen nicht, denn sonst hätte ich von einem "alleinigen" statt "erheblichen" Einfluss gesprochen.

    • E
      emil
      @Peter Rosenstein:

      wirklich? mir geht es eher andersrum. ich höre ständig.. bla bla biologie, aber wissenschaftlich belastbares material dazu hat niemensch. und ich habe hier noch ein paar dinge, die sie überraschen werden: für den rausch und seine folgen ist es unerheblich ob erst bier und dann wein getrunken wird oder vice versa.

      eine münze am automaten gerieben hat keinerlei effekt auf das durchfallen derselbigen.

      manchmal hilft es populäre diskurse ernsthaft zu hinterfragen. fragen sie sich lieber wem diese märchen von starren geschlechterstrukturen nützen.

    • @Peter Rosenstein:

      Schon mal drüber nachgedacht, dass auch naturissenschaftliche (z.B. neurologische, biologische) Forschung durch unsere binäre Geschlechtersozialisation (Mann vs. Frau) beeinflusst sein könnten?

      Im 19. Jahrhundert belegte man ja auch anhand "wissenschaftlicher" Erkenntnisse, dass Frauen nicht studieren könnten, weil sie sonst keine gesunden Kinder mehr zur Welt bringen könnten. Das Gehirn würde den Eierstöcken und der Gebärmutter einfach zu viel Kraft nehmen. ;)

      • @Sovmorgon:

        Na, die Medizin des 19. Jhr. als Kronzeugin für Ihre Thesen heranzuziehen, ist ein wenig hanebüchen und kein Argument gegen meine Auslassung. Mit der gleichen Berechtigung könnte man gegen die modernen Sexualwissenschaften die These anbringen, dass Onanie zu Rückenmarksschwund führt.

        • S
          Sovmorgon
          @Peter Rosenstein:

          Nein, da haben sie mich jetzt falsch verstanden.

          Mein Beispiel, genau wie das Ihre mit der Onanie, machen deutlich, dass auch vermeintlich "objektive" Forschung durchaus durch gesellschaftliche Erwünschtheit geprägt sein kann.

          • G
            Gast
            @Sovmorgon:

            Ist das jetzt ein Argument gegen oder für Gender Studies :)

             

            Denn ich bin mir sicher, GS sind unglaubelich von subjektiver Weltanschauung geprägt.

      • D
        desillusionist
        @Sovmorgon:

        Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß angesichts identischer Naturphänomene von Angehörigen unterschiedlicher Geschlechter verschiedene, geschlechtspezifische Naturgesetze abgeleitet würden. Es gibt noch immer keine "weibliche Ersetzungen" der Gravitationstheorie, Elektrodynamik, Relativitätstheorie oder Quantentheorie, trotz der Frauen, die Naturwissenschaften studieren.

         

        Daß Frauen angeblich nicht studieren können, wurde durch die Methode der Falsifikation als falsch nachgewiesen. So weit, so gut.

         

        Daß sie durch Förderung im Sinne der Gender-Lehre vermehrt Naturwissenschaften studieren wollen, ist aber ebenfalls als falsch nachgewiesen, wird aber trotzdem unverdrossen weiter behauptet. Und es fließen auch trotzdem noch immer Fördergelder dafür und werden sogar Lehrstühle bezahlt, die das zum Gegenstand haben.

         

        Verstehen Sie das?

    • H
      Hans
      @Peter Rosenstein:

      Auf welche Studien beziehen Sie sich?

    • A
      Antwort
      @Peter Rosenstein:

      Neurowissenschaftlerin Lesley Rogers geht aber gerade davon aus, dass das Gehirn nicht auswählt, ob es ein weiblicher oder ein männlicher

      Typus sein soll. Gibt es neben den Pop-Psychologen jetzt auch Pop-Neurowissenschaftler, oder woher haben Sie Ihre Informationen?