Ukraine: Französischer Fotojournalist Lallican in Donezk getötet
In der Nähe der Front fiel Antoni Lallican einem Drohnenangriff zum Opfer. Auch sein Kollege Hryhori Ivantschenko vom „Kyiv Independent“ starb.

Trauernde Frauen, kaputt geschossene Häuser, Beerdigungen, Menschen, die sich vor einer Rauchwolle im Hintergrund am Boden vor der Druckwelle einer Explosion schützen. Fotos aus dem Libanon, Israel, Bethlehem, einer Ukrainerin, die mit ihrem Sohn in einer von russischen Drohnen zerstörten Wohnung verharrt, Bergkarabach, zerstörte Häuser, Panzer, Schützengräben, brennende Häuser, Gräber, Begräbnisse, Kaschmir, Thailand, Brasilien, die Philippinen, Äthiopien, Kirgistan, Kolumbien und eben auch die Ukraine.
Die 176 Fotos auf der Instagramseite des französischen Fotografen Antoni Lallican zeigen das weltweite Wirken des bekannten Fotografen, der von sehr vielen Kriegs- und Konfliktgebieten und immer aus der Sicht der einfachen Menschen, der Opfer, mit seiner Kamera berichtet hatte.
Weitere Fotos wird Lallican nicht mehr posten können, denn seit Freitag lebt er nicht mehr. Er fiel einer russischen Drohne im Gebiet Donezk in unmittelbarer Frontnähe zum Opfer. Auch sein Begleiter, der ukrainische Journalist Hryhori Ivantschenko vom Kyiv Independent, wurde getroffen. Doch dieser überlebte verletzt.
Die ersten Ermittlungen, so das Portal nachrichten.fr, deuten auf einen gezielten Angriff durch eine FPV-Drohne hin – eine jener ferngesteuerten Waffen, die mit präziser Steuerung ihr Ziel zentimetergenau treffen können. Es sei also ein ziviler Reporter getroffen worden, der klar als Journalist gekennzeichnet war und der keinen militärischen Status hatte.
Noch am selben Tag, so nachrichten.fr, habe die französische Antiterror-Staatsanwaltschaft (PNAT) ein Verfahren wegen eines Kriegsverbrechens eingeleitet. Die Ermittlungen übernimmt das französische Zentralamt zur Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Dritte toter Journalist in der Ukraine
Sollte Frankreich in diesem Fall Anklage erheben, so nachrichten.fr, hätte das Signalwirkung. Es zeige, dass Frankreich nicht bereit sei, das einfach zu schlucken.
Der 38-jährige Lallican, so Sergi Tomilenko, Vorsitzender des ukrainischen Journalistenverbandes auf Facebook, sei bereits der dritte französische Journalist, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ums Leben gekommen sei. Lallican habe regelmäßig für bedeutende französische und internationale Medien gearbeitet, darunter Le Monde, Le Figaro, Libération, Mediapart, Paris Match, Der Spiegel, Die Zeit, NZZ, Focus Magazin, Die Welt, Stern, so Tomilenko.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach der Familie des Journalisten sein Beileid aus. „Unser Landsmann, der Fotojournalist Anthony Lallican, begleitete die ukrainische Armee an der Frontlinie des Widerstands. Mit großer Trauer habe ich von seinem Tod infolge eines russischen Drohnenangriffs erfahren“, schrieb Macron auf X auf Französisch und Ukrainisch. Eine Stellungnahme der russischen Streitkräfte zum Tod des französischen Journalisten liegt bisher nicht vor.
In einer Stellungnahme drückten Reporter ohne Grenzen (RSF) ihre tiefe Anteilnahme aus und forderten eine unabhängige Untersuchung der Todesumstände. Journalistinnen und Journalisten, so die Organisation, müssen besonderen Schutz genießen. „Staaten und bewaffnete Kräfte sind verpflichtet, die Normen des humanitären Völkerrechts strikt einzuhalten. Diese schreiben explizit den Schutz von Medienschaffenden vor.“
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