Ukraine-Unterstützung bröckelt: Dem Hai zum Fraß
Der ukrainische Erfolg in Kursk scheint militärisch nicht zu wirken wie erhofft. Ausgerechnet in dieser Situation bröckelt die westliche Solidarität.
F rankreich hat die Schlacht verloren, aber nicht den Krieg.“ Mit diesen Worten wandte sich Charles de Gaulle, der spätere Präsident Frankreichs, am 18. Juni 1940 an seine Landsleute. Es war ein Appell, um nach einer unerwartet schnellen Niederlage gegen das Deutsche Reich den Kampf gegen die Nazis fortzusetzen.
Vielleicht mag der berühmte Ausspruch auch Kyjiwer Militärstrategen durch den Kopf gegangen sein, bevor ukrainische Truppen am 6. August quasi handstreichartig und ohne größere Gegenwehr in die russische Region Kursk vordrangen.
Zweifellos: Diese Entwicklung dürfte den Willen vieler Ukrainer*innen, sich auch noch nach zweieinhalb Jahren eines brutalen und zermürbenden Angriffskrieges dem russischen Aggressor zu widersetzen, bestärken. Doch abgesehen davon stochern selbst Militärexpert*innen dreieinhalb Wochen später – in dieser Zeit haben ukrainische Truppen in Kursk stetig weitere Ortschaften unter ihre Kontrolle gebracht – immer noch im Nebel.
Was genau soll mit dieser „Operation“ erreicht werden? Sollte es eine Intention gewesen sein, einen teilweisen Rückzug der russischen Truppen von der Frontlinie im Donbass zu erzwingen, so ist diese Rechnung bislang nicht aufgegangen. Stattdessen kämpfen sich russische Truppen dort langsam, aber unaufhaltsam vor. Die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk, die wie Awdijiwka und Bachmut in Schutt und Asche gebombt wird, ist wohl nicht mehr aufzuhalten.
Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass Russlands erklärtes Ziel (nachzulesen bei Ex-Präsident Dmitri Medwedjew) immer noch die Auslöschung der Ukraine ist, mutet die Diskussion über eine weitere militärische Unterstützung des angegriffenen Landes fast schon gespenstisch an.
Man stehe an der Seite Kyjiws, heißt es ja immer wieder so schön, so auch beim Treffen der EU-Außenminister in dieser Woche. Gleichzeitig soll die Ukraine, um westliche Waffen gegen militärische Ziele in Russland einsetzen zu dürfen, jeweils um Erlaubnis bitten. Ganz so, als ob das Zeitfenster riesengroß wäre. Ernsthaft?
Wie schön, dass es so aufgeklärte Geister wie Sahra Wagenknecht gibt. Sie hat gerade zwei Wahlkämpfe im Osten Deutschlands bestritten – mit einer Friedensbotschaft, die in Bezug auf die Ukraine so einfach wie klar ist: überhaupt keine Waffen mehr liefern und sich an den Verhandlungstisch setzen.
Das Perfide ist, was dabei unausgesprochen bleibt: Denn in letzter Konsequenz bedeutet das, die ganze Ukraine komplett zum russischen Abschuss freizugeben. Dass dieses Credo bei vielen Wähler*innen ihres neuen Bündnisses am Sonntag einzahlen könnte, ist tragisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken