piwik no script img

Überwachung von kurdischen VereinenAllgemeiner Verdacht reicht nicht

Dürfen die Daten kurdischer Vereine automatisch an Sicherheitsbehörden weitergeleitet werden? Ein Gutachten des Bundestags sagt klar Nein.

Fordert die Abschaffung diskriminierender Sonderregeln für Migrantenorganisationen: Gökay Akbulut Foto: Fabian Sommer/dpa

Freiburg taz | Die automatische Weiterleitung der Daten kurdischer Vereine an den Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt ist rechtswidrig. Zu diesem Schluss kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Ein Gutachten dazu, das der taz vorliegt, hatte die Abgeordnete Gökay Akbulut (Linke) in Auftrag gegeben.

Schon seit den 1960er-Jahren müssen Vereine mit überwiegend ausländischen Mitgliedern Name und Anschrift ihrer Vorstände sowie die Satzung bei den örtlichen Behörden einreichen. Diese reichen sie weiter an das Bundesverwaltungsamt (BVA) in Köln, wo ein zentrales, aber bis heute nicht digitalisiertes Ausländervereinsregister entstand.

Seit 1994 muss das Bundesverwaltungsamt alle eingehenden Informationen zu kurdischen Vereinen automatisch an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) weiterleiten. Dies soll helfen, Tarnvereine der seit 1993 in Deutschland verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu entdecken.

Innenminister Manfred Kanther (CDU) hatte das damals in einem Erlass angeordnet, der heute allerdings spurlos verschwunden ist. Nachfolgerin Nancy Faeser (SPD) kann den Erlass weder im eigenen Haus noch in ihren nachgeordneten Behörden – BVA, BfV und BKA – finden.

Befund dürfte die Bundesregierung nicht erstaunen

Wie nun der Wissenschaftliche Dienst feststellte, ist die Praxis rechtlich auch nicht haltbar. So wäre eine Weitergabe der Daten an den Verfassungsschutz nur möglich, wenn „in jedem Einzelfall vor der Übermittlung der Daten“ festgestellt würde, dass ein kurdischer Verein verdächtige Bestrebungen verfolgt. Es genüge nicht, dass erst die Empfänger im Verfassungsschutz anhand der Daten entsprechende Bestrebungen entdecken könnten. Auch für die Weitergabe der Daten an das BKA reiche ein „allgemeiner Gefahrenverdacht“ nicht aus, kritisierte der Wissenschaftliche Dienst die Praxis des Bundesverwaltungsamts.

Außerdem, so das Gutachten, genügten die angegebenen Rechtsgrundlagen im Bundesverfassungsschutzgesetz (Paragraf 18 Absatz 1) und im BKA-Gesetz (Paragraf 9 Absatz 4) nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Danach müsse schon bei der Schaffung eines Datenpools, wie dem des Ausländervereinsregisters, präzise geregelt sein, an welche andere Behörden und zu welchen Zwecken die Daten weitergegeben werden dürfen.

Dieser Befund dürfte die Bundesregierung nicht erstaunen. In einer parlamentarischen Antwort vom April 2022 erklärte sie selbst: „Die Datenübermittlung von Ausländervereinen betreffenden Regelungen genügen jedoch nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr den datenschutzrechtlichen Anforderungen und müssen aus diesem Grund geändert werden“. Ob dabei die bisherige Praxis nur rechtssicher geregelt oder aber eingeschränkt werden soll, ließ das Ministerium auf Anfrage der taz offen.

Die illegale Weitergabe der Daten kurdischer Vereine an die Sicherheitsbehörden wurde bisher auch nicht gestoppt. Die Abgeordnete Akbulut fordert nun: „Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung sollte das Bundesinnenministerium die Aussetzung der Datensammlung verfügen.“ Ziel müsse es sein, „die diskriminierenden Sonderregeln für Migrantenorganisationen im Vereinsrecht komplett abzuschaffen.“

Die Datenweitergabe an die Sicherheitsbehörden ist vor allem deshalb brisant, weil der Verfassungsschutz die Daten zumindest teilweise an einen ausländischen – vermutlich den türkischen – Geheimdienst weiterleitet. „Die Bundesregierung muss daher sofort offenlegen, welche Vereine von dieser Praxis betroffen sind“, fordert die Abgeordnete Akbulut, „damit deren Mitglieder vor einer möglichen Reise in die Türkei gewarnt sind.“ Es drohten schließlich Repressionen bis hin zu Verhaftungen.

Mahmut Özdemir (SPD), parlamentarischer Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass dem ausländischen Geheimdienst Vertraulichkeit zugesagt worden sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Es kann nicht angehen, dass die Sicherung der Freiheit auch durch den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands auf Kosten Anderer, nämlich der Kurdinnen und Kurden geht.



    Diese Gefälligkeitspolitik gegenüber dem Hassdiktator Erdogan muss aufhören.

  • Es ist gut zu lesen, dass die diskriminierende Praxis der pauschalen Überwachung migrantischer Organisationen - ohne konkrete Verdachtsmomente - keine rechtsverbindliche Grundlage aufweist … in diesem Fall betrifft es die Kurden, es gilt aber allgemein.



    Gut auch, dass dem Hause Kanther 1993 diese eklatante juristische Schlamperei unterlaufen ist … eigentlich nicht gut, aber in diesem Fall kann gezeigt werden, dass es sich bei dem PKK-Verbot um reine Gefälligkeitsjustiz gegenüber dem Autokraten Erdogan handelt. Dieses Verbot muss jetzt - unter Berücksichtigung der innenpolitischen/menschenrechtlichen Entwicklung in der Türkei - dringend überdacht werden. Das ist meine Erwartung an die Ampelkoalition.

  • Rechts-Staat halt.

  • Tja.



    Es wird sicher wieder mal ausgehen wie das Hornberger Schießen.

    Die Polits werden das so lange hinter dem Aktenschrank verschwinden lassen, bis das Bundesverfassungsgericht mit dem Zeigefinger winkt.



    Dann wird man das noch etwas auf die lange Bank schieben und minimale Änderungen so vornehmen dass dem Gericht haarscharf Genüge getan wird.

    Und das Ganze dauert dann nur ein paar Jahrzehnte.

    Man kann in der Sache sicher unterschiedlicher Meinung sein aber ich halte es für überaus verwerflich, um nicht zu sagen kriminell, dass unsere Politiker ständig sehenden Auges gegen geltendes Recht verstossen.

    Ob das jetzt die vielen Toten und Verletzten im Polizeigewahrsam betrifft oder illegale Umweltzerstörung bei der weggesehen wird oder die menschenunwürdige Behandlung von Bewohnern in Pflegeheimen oder oder oder.

  • Wenn das der Spinner Recep liest, dann rastet der bestimmt wieder aus. Mir tun jetzt schon die Ziegen leid, an denen er bestimmt seine Wut wieder auslässt :-)