Über neue Partei Dava: „Das ist eine türkische AfD“
Ali Ertan Toprak (CDU) sieht in der Partei Dava einen Hebel des türkischen Präsidenten Erdoğan. Er fordert die Ausweisung türkischer Rechtsextremer.
taz: Herr Toprak, zur Europawahl im Juni will die neue Dava (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) antreten. Was ist das für eine Partei?
Ali Ertan Toprak: Ich würde die Dava-Partei als eine türkische AfD bezeichnen. Und genauso müssen wir sie auch behandeln. Ihre Ideologie ist antidemokratisch, sie hassen Israel und beschwören einen neuen Kulturkampf. Das wird die gesellschaftliche Spaltung mit vorantreiben. Sie versucht, Muslime vom Westen zu entfremden. Diese Partei ist eindeutig ein deutscher Ableger der AKP. Alle, die diese Partei gegründet haben und jetzt kandidieren, sind seit Jahren als Erdoğan-Lobbyisten in Deutschland bekannt und aktiv. Daʿwa heißt „Mission“, das ist ein islamistischer Code und ihre Mission ist der nationalislamistische Machtanspruch Erdoğans.
Woran machen Sie das fest?
Sie verteidigen Erdoğan vehement gegen Kritik, lassen sich mit ihm ablichten, sind regelmäßig in der Türkei, treffen Erdoğan und propagieren seine Politik hier in Deutschland – etwa auf ihren Social-Media-Kanälen. Deren Einstellung ist kein Geheimnis, die verstecken sich nicht mal, weil sie einen ganzen Staat hinter sich wissen. Auch Geld wird für sie kein Problem sein, es gibt genügend AKP-nahe Unternehmer. Und auch die gleichgeschalteten türkischen Medien werden diese Partei unterstützen.
Wer ist denn das Spitzenpersonal?
Das sind alles bekannte Leute aus der Szene. Zum Beispiel Fatih Zingal, der sitzt auch ständig in der Phönix-Talkrunde. Ein anderer ist Mustafa Yoldaş, der wie Erdoğan aus der größten islamistischen Bewegung Millî Görüş kommt. Er war Vorsitzender der IHH in Hamburg, nach außen ein „Hilfsverein“ für Muslime, der angeblich für wohltätige Zwecke Geld gesammelt hat. Dann kam raus, dass die Gelder über die Türkei auch an die Hamas geflossen sind. Weil durch die IHH eine terroristische Organisation mitfinanziert wurde, hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière sie 2010 verboten. Solche Leute sind da dabei.
ist Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland, Sprecher der Initiative Säkularer Islam und Mitglied der CDU.
Was müssen Kurd:innen, die in Deutschland leben, denn befürchten, wenn sich diese Partei etabliert?
Tausende von türkeistämmigen Menschen, auch ich, können zum Beispiel nicht mehr in die Türkei einreisen. Dort bin ich als Terrorist angeklagt, weil diese Leute uns zur Zielscheibe machen, uns in der Öffentlichkeit ständig als PKK-Sympathisanten oder Terrorunterstützer darstellen, und so versuchen sie uns zu kriminalisieren, was auch …
… gelingt, weil die deutsche Polizei und Justiz tatsächlich sehr viele Kurd:innen als vermeintliche PKK-Anhänger:innen verfolgen, so wie Erdoğan sich das wünscht.
Die PKK ist eben verboten. Aber dass jeder, der irgendwelche kurdischen Anliegen in der Öffentlichkeit vertritt, automatisch von diesen Menschen als PKK-Sympathisant bezeichnet wird, ist nicht in Ordnung. Man will uns mundtot machen. Sie denunzieren kritische Stimmen, dafür hat Erdoğan eine eigene App geschaffen.
Was sollte gegen türkische Rechtsextreme getan werden?
Ich fordere deren Ausweisung – genauso wie es gerade mit dem Rechtsextremen Martin Sellner gemacht wird. Sofern wir die rechtsstaatlichen Möglichkeiten dazu haben. Gerade in einer Einwanderungsgesellschaft möchte ich, dass unsere demokratischen, freiheitlichen Maßstäbe an alle Mitglieder dieser Gesellschaft angelegt werden. Wir haben schon genug deutsche Nazis hier, da muss ich nicht noch türkische oder andere migrantische Nazis in diesem Land haben.
Leute auszuweisen ist sicher eine umstrittene Forderung. Die neue Dava-Partei versucht ja gerade, die Rassismuserfahrungen zu instrumentalisieren. Diese Erfahrung haben die Menschen ja wirklich, unter anderem aufgrund der CDU: Sie macht Stimmung gegen Ausländer, Stichwort Silvester Neukölln, oder durch Ausgrenzung, Stichwort „Leitkultur“. Wieso zeigt sich jetzt ausgerechnet die CDU besorgt über die neue nationalistische Partei Dava?
Natürlich muss ich als CDU-Mitglied vehement widersprechen. Die CDU spricht Probleme an, sie macht keine Stimmung. An der aktuellen Lage tragen letztlich beide politischen Lager eine Verantwortung: Die Linken haben uns nur eine Opferidentität angeboten und die Konservativen wollten lange Zeit Menschen wie mich nicht als Deutsche sehen. Aber nein, der Grund, dass Dava sich jetzt gründet, ist ein anderer: das Scheitern der türkischen Nationalislamisten, die deutschen Parteien zu infiltrieren. Deshalb probieren sie es jetzt mit einer eigenen Partei.
Der Zeitpunkt der Parteigründung war kein Zufall, oder?
Davon gehe ich aus. Denn bisher wollten gerade Nationalislamisten ihren türkischen Pass nicht abgeben, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Erdoğan propagiert hingegen seit Jahren „Nehmt die deutsche Staatsbürgerschaft an, aber bleibt Türken!“ Dass der Doppelpass jetzt möglich wird, könnte dazu führen, dass viele Nationalisten doch den deutschen Pass beantragen. Dann können sie Parteien wie die Dava in die deutschen Parlamente hieven. Genau auf diesen Moment haben sie gewartet.
Wie viel Zulauf erwarten Sie?
Bei den Europawahlen könnte die Dava es schaffen, vielleicht ein, zwei Leute ins Parlament zu kriegen. Kurzfristig sehe ich keine große Gefahr. Aber mittel- und langfristig könnten sie es schaffen, in Kommunalparlamenten Fuß zu fassen. Das sollten wir nicht zulassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja