Über das Genderverbot in Zwickau: Zivilcourage at its best

Das Thema Gendern sorgt in Zwickau für Wirbel. Der Stadtrat hat ein Verbot erlassen. Die Verantwortlichen des Stadttheaters wollen es ignorieren.

Ein altes Gebäude von außen: das Zwickauer Gewandhaus ist die Hauptspielstätte des Theaters Plauen-Zwickau

Das Zwickauer Gewandhaus ist die Hauptspielstätte des Theaters Plauen-Zwickau Foto: dpa

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Zwickauer Lokalpolitiker mit breitestem sächsischen Akzent erklären, man müsse „einen Sprachfehler haben, um das ordentlich aussprechen zu können“, oder meinen, „der Sprecher brauche einen Logopäden“.

Dennoch kann auch den unbeteiligtsten Be­ob­ach­te­r*in­nen dabei das Lachen im Hals stecken bleiben, denn beim kürzlich vom Stadtrat Zwickau verhängten Genderverbot in städtischen Einrichtungen, das von der AfD beantragt und von CDU und FDP durchgewinkt wurde, geht es nicht nur darum, anderen das Maul zu verbieten, sondern auch, Menschen vom Diskurs auszuschließen, die sich nicht in binären Geschlechtervorstellungen wiederfinden.

Insofern ist es ein Zeichen großer Zivilcourage, wenn das städtische Theater Plauen-Zwickau, das im Spielplan den Gender-Doppelpunkt verwendet, auf seiner Webseite erst einmal zu Befehlsverweigerung aufruft. „Die Debatte berührt das Sprachgefühl der Einen ebenso wie das Gerechtigkeitsempfinden der Anderen, Fragen des Miteinanders von Mehr- und Minderheiten ebenso wie die Bereitschaft oder Verweigerung, sich vollziehende Veränderungen zu akzeptieren oder mitzugestalten“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme.

Und es ist auch toll, dass sich Diana Freydank, Organisatorin des diesjährigen Zwickauer Christopher Street Days, so vehement äußert und daran erinnert, dass queere Menschen in ihrer Stadt nach wie vor angespuckt und beleidigt, gejagt und verprügelt werden.

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Gewaltbezogene Männlichkeitsideale

Leider ist es den einzelnen Bundesländern überlassen, ob sie die Anzahl gemeldeter queerfeindlicher Vorfälle veröffentlichen – also sind diese nur aus Bremen und Berlin bekannt, so die Pressestelle des Lesben- und Schwulenverbands. Allerdings haben Au­to­r*in­nen der Leipziger Autoritarismus-Studie beschrieben, wie stark Antifeminismus, Homophobie und Transphobie mit den besonders in Ostdeutschland um sich greifenden rechten Ideologien und autoritären Einstellungen verwoben sind.

Es geht also nicht nur darum, dass in der DDR zu wenig offenes Sprechen über Sexualität jenseits der bekannten Normen möglich war, weil die Thematisierung diskriminierender Strukturen von der Obrigkeit als Angriff auf die DDR eingestuft wurde. Es geht auch um die sehr große Sehnsucht nach traditionellen, antimodernen, auch gewaltbezogenen Männlichkeitsidealen. Aus der Autoritarismus-Studie geht beispielsweise hervor, dass 36,5 Prozent der Ostdeutschen glauben, dass ein Mann „bereit sein sollte, sich gegen Beleidigungen mit Gewalt zu wehren“. Das glauben in Westdeutschland 16,9 Prozent.

Das Genderverbot in Zwickau ist nicht das einzige in Deutschland. Auch in Bremerhaven wurde 2022 eins ausgesprochen – und kürzlich wurde eins für sächsische Schulen auf deren Ko­ope­ra­ti­ons­part­ne­r*in­nen ausgeweitet. Es ist schön, dass dagegen Proteste laut werden. Noch schöner wäre es, wenn sie laut blieben.

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Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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