Udo Wolf über Innensenator Geisel: „Wir sind not amused“
Koalitionsstreit um Videoüberwachung: Der Chef der Linksfraktion mahnt Innensenator Andreas Geisel (SPD), sich an die rot-rot-grünen Verabredungen zu halten.
taz: Herr Wolf, Innensenator Geisel (SPD) hat Ende letzter Woche angekündigt, einen Gesetzentwurf zum Thema Videoüberwachung vorlegen zu wollen. Offenbar sucht er den Kompromiss mit den Initiatoren des Video-Volksbegehrens, darunter Ex-CDU-Justizsenator Thomas Heilmann.
Udo Wolf: Mit uns gibt es keinen Kompromiss mit dem „Aktionsbündnis mehr Videoaufklärung“. Das wäre der Einstieg in die flächendeckende Videoüberwachung, die wir im Koalitionsvertrag ausgeschlossen haben.
Geisels Pläne Der Innensenator hat eine Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) angekündigt. Demnach soll das Polizeigesetz so verändert werden, dass mehr Videoüberwachungen möglich sind. Grundlage dafür solle die Einschätzung und Bewertung der Polizei sein, sagte sein Sprecher Martin Pallgen. Damit unterscheide sich der Ansatz von dem Volksbegehren Videoüberwachung. (dpa)
Der Koalitionsvertrag wurde vor dem Anschlag auf den Breitscheidplatz beschlossen.
Deshalb haben wir nach dem Anschlag in einer Senatsklausur lange um ein Sicherheitskonzept gerungen. Da haben wir viele Maßnahmen beschlossen, die real für mehr Sicherheit sorgen. Eine gesetzliche Ausweitung der Videoüberwachung haben wir dort diskutiert – und explizit abgelehnt. Dennoch sind wir der SPD weit entgegengekommen, indem wir bereit waren, eine weite Auslegung des Paragrafen 24 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Asog) zu dulden, also des Paragrafen, der regelt, dass es in Absprache mit den Veranstaltern etwa bei Weihnachtsmärkten oder Fanmeilen temporäre Videoüberwachung geben kann und dies möglicherweise temporär auch an Plätzen wie dem Kottbusser Tor oder dem Görlitzer Park möglich wäre.
Udo Wolf
55, ist seit 2009 Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus und Experte für Innenpolitik. Er hat Politikwissenschaft an der FU Berlin studiert.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Innensenator für mehr Videoüberwachung ausspricht – wenn auch deutlich weniger als die 1.000 Kameras, die das Volksbegehren bisher forderte.
Sowohl Andreas Geisel als auch SPD-Fraktionschef Raed Saleh versuchen immer wieder abwechselnd, das Thema auf die Tagesordnung zu bringen. Darüber sind wir not amused. Wir haben über den Umgang mit dem Heilmann-Buschkowsky-Volksbegehren auch im Koalitionsausschuss diskutiert. Wir waren uns einig, dass das Volksbegehren in weiten Teilen verfassungswidrig und damit unzulässig ist; dass wir die Zulässigkeit des Volksbegehrens durch das Verfassungsgericht klären lassen und dass es bis dahin weder Verhandlungen noch Verhandlungsangebote mit und an die Initiatoren gibt. Verabredungen des Koalitionsausschusses sollten auch für den Innensenator gelten. Sonst wird es schwer mit der Zusammenarbeit.
Eine Mehrheit der Berliner kann sich mehr Videoüberwachung vorstellen.
Umfragen legen das nahe. Aber Untersuchungen wie gerade in Nordrhein-Westfalen oder die Evaluierungen in Potsdam und London haben den Glauben, durch mehr Kameras könne mehr Sicherheit entstehen, widerlegt. In NRW hatte das Kriminologische Institut Daten aus sieben Städten ausgewertet. Das Ergebnis: Die Kameras wirken kaum oder gar nicht gegen Kriminalität.
Was, wenn der Innensenator trotzdem einen Gesetzesentwurf vorlegt?
Die Frage ist, ob Herr Geisel dieses tote Pferd in der Koalition weiterreiten möchte. Wir haben dem Senator genügend Stellen bei der Polizei und mehr Ausrüstung spendiert. Das sind Mittel für echte Sicherheit, nicht für gefühlte. Wenn Herr Geisel an den Koalitionspartner vorbei einen Gesetzesentwurf ins Abgeordnetenhaus einbringen will und auf eine Mehrheit mit AfD und CDU hofft, ist die Koalition ganz schnell vorbei. Aber ich gehe davon aus, dass er das nicht will und deshalb nicht tut.
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