USA nach Trump-Wiederwahl: Das Diversity-Drama
Seit der Wiederwahl Trumps werden Diversity-Programme in den USA gekippt. Was zunächst gruselig klingt, ist tatsächlich eine Chance.
O bwohl Donald Trump erst in vier Wochen ins Weiße Haus einzieht, wirft er seinen Schatten voraus. Ein konservativ dominiertes US-Bundesberufungsgericht entschied vergangenen Mittwoch gegen den Plan der Technologiebörse Nasdaq, der Diversität fördern soll: Nasdaq darf nun also nicht verlangen, dass in den Vorständen der 3.300 dort notierten Unternehmen je eine Frau und je eine Person aus einer Minderheit sitzt.
Projekt 2025, das Mega-MAGA-Projekt der Republikaner, scheint bereits zu funktionieren. Auch andere US-Firmen machen bei Projekt 2025 schon von alleine mit, und zwar nicht unbedingt aus vorauseilendem Gehorsam.
Zwischen den Anhängern einer leistungsbezogenen Gesellschaft, der Meritokratie – abgekürzt durch MEI (Merit, Excellence, Individuality) – und den Verfechtern der Inklusion – DEI (Diversity, Equity, Inclusion) – herrscht Krieg. Mit dem Urteil des Gerichts haben die MEI-Anhänger einen Sieg errungen. Und das ist auch gut so.
Diese Kehrtwende, ganz egal, was die wahren Beweggründe sind, stellt keine Krise dar, sondern eine Chance. Denn eine nachhaltige Förderung der Vielfalt kann es nur geben, wenn man die Stützräder ablegt und Leistungssteigerung anstrebt.
Zurück in die 1950er?
Dass sich immer mehr Unternehmen von DEI verabschieden, beweist auch Walmart, mit zwei Millionen Mitarbeitenden der größte Privatarbeitgeber der Welt. Noch vor vier Jahren galt der Einzelhandelskonzern als Hoffnungsträger für Progressive. Nach der Ermordung von George Floyd gründete Walmart mit einem Einsatz von 100 Millionen US-Dollar das Center for Racial Equity, mit der erklärten Absicht, gegen strukturelle Diskriminierung anzukämpfen.
Es hieß damals, man wolle „eine Kultur der Zugehörigkeit schaffen, in der sich alle unsere Mitarbeitenden gesehen, unterstützt und in der Lage fühlen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen“. Das einst als zukunftsorientiert gefeierte Programm ist seit Ende November Geschichte. Andere Platzhirsche wie Ford, Boeing und Harley-Davidson leisten Folge. Auch ohne Gerichtsbeschlüsse sehen sie in den Wahlergebnissen einen Wunsch seitens immer mehr Amerikaner:innen, das Experiment DEI zu beenden.
Progressive befürchten, die Ablehnung von DEI-Regelungen sei eine Rückkehr in die 1950er Jahre, ein Jahrzehnt des Booms und der Bigotterie. Patriarchale Strukturen führten dazu, dass weiße Männer systematisch bevorzugt wurden. Ihre auch nur durchschnittlichen Leistungen galten als Erfolgsmaßstab.
White Male Mediocrity
Durch die institutionelle Benachteiligung anderer Gruppen wurde white male mediocrity zur gesellschaftlichen Norm. Das Potenzial für wahre Exzellenz wurde nicht ausgeschöpft, da die Lebenserfahrungen und Talente von ethnischen Minderheiten, Frauen, queeren Menschen und sozial Marginalisierten nicht zur Geltung kamen.
Gerade jene durchhaltestarken Gruppen, die unter widrigen Umständen zweimal so viel leisten und aushalten mussten wie weiße Männer, wurden ausgeklammert. Ähnliche Umstände gibt es auch heute – DEI-Regelungen sollten dem eigentlich entgegenwirken.
Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass die DEI-Bewegung nicht imstande ist, ihre Ziele überzeugend umzusetzen. Viele Ansätze verheddern sich in weltfremden Diskursen über Dekolonialisierung. Bei der Förderung benachteiligter Menschen liegt der Fokus zu stark auf ihrer Opferrolle, während man die Entwicklung marktfähiger Kompetenzen vernachlässigt.
Mehr als nur ein Gütesiegel
Dazu dienen Minderheiten oft als Tokens oder Fensterschmuck. Auf dem Campus schreibt man Inklusion groß, lässt aber zu, dass jüdische Studierende antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt werden. DEI kann auch Rückschritt bedeuten.
Die Herausforderung besteht darin, nicht zu verneinen, sondern zu vereinen: Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Leistung oder Diversität wichtiger ist, sondern wie beide Aspekte miteinander harmonisieren können.
Eine Gesellschaft muss sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gleiche Chancen haben, ihr individuelles Potenzial zu entfalten, ohne leistungsstärkere Mitglieder abzubremsen oder gar zum Feindbild zu degradieren. Es geht schließlich nicht um ein Gütesiegel, sondern um ein gutes Ziel.
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