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USA nach Trump-WiederwahlDas Diversity-Drama

Michaela Dudley
Kommentar von Michaela Dudley

Seit der Wiederwahl Trumps werden Diversity-Programme in den USA gekippt. Was zunächst gruselig klingt, ist tatsächlich eine Chance.

MAGA-Merch bei der New Yorck Stock Exchange am US-Wahltag 2024 Foto: John Angelillo/UPI Photo/imago

O bwohl Donald Trump erst in vier Wochen ins Weiße Haus einzieht, wirft er seinen Schatten voraus. Ein konservativ dominiertes US-Bundesberufungsgericht entschied vergangenen Mittwoch gegen den Plan der Technologiebörse Nasdaq, der Diversität fördern soll: Nasdaq darf nun also nicht verlangen, dass in den Vorständen der 3.300 dort notierten Unternehmen je eine Frau und je eine Person aus einer Minderheit sitzt.

Projekt 2025, das Mega-MAGA-Projekt der Republikaner, scheint bereits zu funktionieren. Auch andere US-Firmen machen bei Projekt 2025 schon von alleine mit, und zwar nicht unbedingt aus vorauseilendem Gehorsam.

Zwischen den Anhängern einer leistungsbezogenen Gesellschaft, der Meritokratie – abgekürzt durch MEI (Merit, Excellence, Individuality) – und den Verfechtern der Inklusion – DEI (Diversity, Equity, Inclusion) – herrscht Krieg. Mit dem Urteil des Gerichts haben die MEI-Anhänger einen Sieg errungen. Und das ist auch gut so.

Diese Kehrtwende, ganz egal, was die wahren Beweggründe sind, stellt keine Krise dar, sondern eine Chance. Denn eine nachhaltige Förderung der Vielfalt kann es nur geben, wenn man die Stützräder ablegt und Leistungssteigerung anstrebt.

Zurück in die 1950er?

Dass sich immer mehr Unternehmen von DEI verabschieden, beweist auch Walmart, mit zwei Millionen Mitarbeitenden der größte Privatarbeitgeber der Welt. Noch vor vier Jahren galt der Einzelhandelskonzern als Hoffnungsträger für Progressive. Nach der Ermordung von George Floyd gründete Walmart mit einem Einsatz von 100 Millionen US-Dollar das Center for Racial Equity, mit der erklärten Absicht, gegen strukturelle Diskriminierung anzukämpfen.

Es hieß damals, man wolle „eine Kultur der Zugehörigkeit schaffen, in der sich alle unsere Mitarbeitenden gesehen, unterstützt und in der Lage fühlen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen“. Das einst als zukunftsorientiert gefeierte Programm ist seit Ende November Geschichte. Andere Platzhirsche wie Ford, Boeing und Harley-Davidson leisten Folge. Auch ohne Gerichtsbeschlüsse sehen sie in den Wahlergebnissen einen Wunsch seitens immer mehr Amerikaner:innen, das Experiment DEI zu beenden.

Progressive befürchten, die Ablehnung von DEI-Regelungen sei eine Rückkehr in die 1950er Jahre, ein Jahrzehnt des Booms und der Bigotterie. Patriarchale Strukturen führten dazu, dass weiße Männer systematisch bevorzugt wurden. Ihre auch nur durchschnittlichen Leistungen galten als Erfolgsmaßstab.

White Male Mediocrity

Durch die institutionelle Benachteiligung anderer Gruppen wurde white male mediocrity zur gesellschaftlichen Norm. Das Potenzial für wahre Exzellenz wurde nicht ausgeschöpft, da die Lebenserfahrungen und Talente von ethnischen Minderheiten, Frauen, queeren Menschen und sozial Marginalisierten nicht zur Geltung kamen.

Gerade jene durchhaltestarken Gruppen, die unter widrigen Umständen zweimal so viel leisten und aushalten mussten wie weiße Männer, wurden ausgeklammert. Ähnliche Umstände gibt es auch heute – DEI-Regelungen sollten dem eigentlich entgegenwirken.

Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass die DEI-Bewegung nicht imstande ist, ihre Ziele überzeugend umzusetzen. Viele Ansätze verheddern sich in weltfremden Diskursen über Dekolonialisierung. Bei der Förderung benachteiligter Menschen liegt der Fokus zu stark auf ihrer Opferrolle, während man die Entwicklung marktfähiger Kompetenzen vernachlässigt.

Mehr als nur ein Gütesiegel

Dazu dienen Minderheiten oft als Tokens oder Fensterschmuck. Auf dem Campus schreibt man Inklusion groß, lässt aber zu, dass jüdische Studierende antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt werden. DEI kann auch Rückschritt bedeuten.

Die Herausforderung besteht darin, nicht zu verneinen, sondern zu vereinen: Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Leistung oder Diversität wichtiger ist, sondern wie beide Aspekte miteinander harmonisieren können.

Eine Gesellschaft muss sich dafür einsetzen, dass alle Menschen gleiche Chancen haben, ihr individuelles Potenzial zu entfalten, ohne leistungsstärkere Mitglieder abzubremsen oder gar zum Feindbild zu degradieren. Es geht schließlich nicht um ein Gütesiegel, sondern um ein gutes Ziel.

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Michaela Dudley
Journalistin/Kabarettistin
Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ-Aktivistin war auch Kolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem Sie arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)
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14 Kommentare

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  • Trump and his gang of washed-up thugs, crooks, psychopaths and bullies are an example of "meritocracy"? Yeah, sure.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Ajuga:

      Wo habe ich das behauptet? Ich setze dezidiert auf eine differenzierte Betrachtung.

      Ich plädiere für eine menschliche Meritokratie. Diese Einstellung ist parteiübergreifend.

  • Natürlich gibt es in jeder Bewegung Auswüchse und Fehlentwicklungen, gerade die Linke kann sich wunderbar gegenseitig zerfleischen und sich über Nichtigkeiten heillos zerstreiten. So weit, so bekannt.



    Aber ist dann die Schlussfolgerung, dass man das "DEI"-Projekt einfach auf den Müllhaufen schmeißt und die Trumpianer, die ja nicht nur hier zurück in die Vergangenheit wollen, schalten und walten können wie sie wollen? Klar muss Leistung zählen, aber hierzu braucht es Chancengleichheit. Diese herzustellen ist immer noch wichtig und richtig. Die alten (in der Regel weißen) Eliten wollen den Status Quo und weniger, ein Leistungsbegriff der die Chancengleichheit ausspart kann am Ende nicht zur Befriedung des Diskurses und Entfaltung der Potentiale führen, sondern vertieft die Spaltung.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Bambus05:

      Wer die DEI-Community kennt, müsste eigentlich zugeben, dass die „Dekolonialisierung“ und die Ausbreitung der Transferleistungen leider zu zentralen Ansprüchen geworden sind. Solche Ansichten sind kaum dazu geeignet, marginalisierten Menschen im Markt und in der Bildung nachhaltige Aufstiegschancen zu bescheren.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Bambus05:

      Danke vielmals für das Feedback.

      Mein Punkt ist: DEI-Ansätze tragen oft dazu bei, die nachhaltige Chancengleichheit zu gefärhden. Die übermäßige Politisierung der von Vielfalt dient schließlich leider dazu, die Vergangenheit de facto fortzusetzen. Denn die pragmatischen Bedürfnisse der zu Beördernden werden vernachlässigt, während linkspopulistische Experimente betrieben werden.

  • Ich höre in diesem Beitrag vornehmlich Leistung als Ziel heraus. Das ist eine neoliberale Sicht und entspricht nicht den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Wenn sie hier von persönliches Potenzial entfalten sprechen, dann Frage ich mich was sie damit meinen? Ist hier ein marktwirtschaftliches Potential gemeint? Oder das Potential Glücklich zu sein? Ist das ein Potential das irgendeine große Idee wieder "great" machen soll? Sie sehen schon für welches Lager ich mich entscheiden würde. Übrigens haben de facto weniger als die hälfte aller Amerikaner Trump gewählt. Viele Menschen sind ja nicht wahlberechtigt, müssen aber mit den Ergebnissen leben.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @llorenzo:

      In der modernen Gesellschaft, ob im Marktplatz oder in der Bildung, werden Kompetenzen eine wichtige Rolle denn je zuvor spielen. Während der demografische Wandel unaufhörlich stattfindet, werden demagogische Ansätze, ob von links oder rechts kommend, die politische Debatte stets deutlicher prägen.

      Um es klar zu machen: Inklusion und intersektionale (gegen Mehrfachdiskriminierung gerichtete) Maßnahmen sind und bleiben wichtige Ansätze, die unsere Gesellschaft beherzigen soll. Doch das bedeutet auch, dass schon zum nackten Überleben ein effektives Empowerment die Kultivierung von tauglichen Kompetenzen angestrebt werden muss.

      Wer als Leistungsträger:in und als Leistungsempfänger:in herangebildet wird, dürfte besser dastehen, wenn der Sozialstaat wegrationalisiert wird. Das ist nicht zynisch gemeint, wohl bemerkt.

      DEI-Ansätze bereiten kaum auf das kommende Paradigmenwechsel vor.

  • Heißt das, die kapitalistische Wachstumslogik ist dann okay, wenn jeweils die nächste Minderheit davon profitiert? Oder müsste man diese Logik abschaffen, um eine neue Diskussionsgrundlage zu schaffen?

    Mit Gruseln erinnere ich mich an die Erlösungsaufschreie, als plötzlich alle irgendwie alle anderen Heiraten durften. Sich der Mehrheit zugehörig fühlen zu wollen, die einen bisher immer ausgegrenzt oder gar unterdrückt hat, ist wahrscheinlich einfach im schlechtesten Sinne menschlich.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Christian Clauser:

      Als Verfechterin der freien und auch fairen – das eine schließt das andere nicht aus – Marktwirtschaft, möchte ich lieber mehr Chancengleichheit bei der Teilhabe sehen. Mehr Teilhabe statt Transferleistungen.

      Ich bin grundsätzlich nicht gegen Quoten, und schon gar nicht gegen freiwillige Quoten. Aber solche Eingriffe müssen von Maßnahmen begleitet werden, die darauf zielen, die Entwicklung von markttauglichen Kompetenzen nachhaltig anzukurbeln.

      • @Michaela Dudley:

        Auf jeden Fall Respekt für den Dialog im eigenen Artikel.

        Ich sehe selbst Quoten teilweise kritisch. Aus ähnlichen Gründen allerdings: sie beheben nicht die Problem-Ursache, sondern können das Bestehende zementieren. Beispiel Frauenquote: Werden Unternehmen dadurch diverser oder werden einfach die Frauen selektiert, die das System stützen, während diejenigen, die patriarchale Strukturen infrage stellen, aussortiert werden?

        Geht denn freie Marktwirtschaft ohne Wachstumsideologie?

    • @Christian Clauser:

      Was genau fanden Sie daran zum "Gruseln"?

      Bei der hier vorliegenden Plänen der MAGA-GOP geht es übrigens ziemlich offensichtlich (und sie machen auf ihren Kanälen auch gar keinen Hehl daraus) um ein Rollback - um die Relegalisierung von Jim Crow clauses. Und nicht um "Meritokratie" oder "kapitalistische Wachstumslogik", die Frau Dudley und Sie aus welchen Gründen auch immer da reinlesen.

      Aber die "Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" haben auch viele Menschen beklatscht bzw aus sachfremden Gründen kritisiert, die dann richtig doof aus der Wäsche schauten, als sie am Ende doch noch merkten, *worum* es da ging.



      Verblendete Selbsttäuschung ist nämlich definitiv "im schlechtesten Sinne menschlich".

      • @Ajuga:

        Ja, es scheint in der Tat - zumindest teilweise - selbsttäuschend zu sein, anzunehmen, dass Menschen, die diskriminiert werden, dadurch automatisch zu besseren Menschen werden.

        Wenn wir aber bereits bei den Grundannahmen des Artikels nicht übereinkommen, bezweifle ich, dass Du es grundsätzlich für eine Chance hältst, Außenseiter zu sein.

  • Ich bin begeistert von den Artikeln von Michaela Dudley, wie sie die Themen auf den Punkt bringt.

    • Michaela Dudley , Autorin des Artikels, Journalistin/Kabarettistin
      @Berliner_Kaepsele:

      Das freut mich sehr. Danke vielmals für die solidarische Resonanz. Medien sollen taz-sächlich als Plätze zum Gedankenaustausch dienen.