piwik no script img

USA beenden Sanktionen gegen SyrienTrump macht’s richtig

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Lange überfällig ist es, die Sanktionen gegen Syrien zu beenden. Die neue Führung in Damaskus muss eine Chance haben, das Land zu stabilisieren.

Drei Männer und ein Handshake: US-Präsident Trump in Saudi Arabien, am 14.5.2025 Foto: Bandar Aljaloud/Saudi Royal Palace/dpa

E in Gespür für öffentlichkeitswirksame Gesten hat Donald Trump. Das muss man ihm lassen. Wie der US-Präsident in Riad die Aufhebung aller Sanktionen gegen Syrien ankündigte, war ein Meisterstück: als Höhepunkt einer Grundsatzrede, im Beisein des saudischen Kronprinzen, mit rhetorischen Verneigungen vor seinem Gastgeber und mit Anerkennung des vergangenen Leids und der zukünftigen Chancen Syriens. Die Bilder gehen um die Welt, und in Syrien wird gejubelt, wie seit dem Sturz Baschar al-Assads nicht mehr.

Das Ende des syrischen Schergen ist jetzt über fünf Monate her, und dass die einst gegen ihn verhängten internationalen Strafmaßnahmen für Syrien endlich fallen, ist längst überfällig. Nach dem Sieg der Rebellen im Dezember 2024 hatte kein internationaler Entscheidungsträger den Mut, dem syrischen Volk zu sagen: Wir stehen uneingeschränkt an eurer Seite, ihr sollt nicht dafür büßen, was Assad euch angetan hat.

Die scharfen westlichen Sanktionen wurden nur zögerlich und scheibchenweise gelockert, man wollte erst mal abwarten, wie sich die neuen Machthaber entwickeln. Dieser an sich löbliche Gedanke ging in der Praxis nach hinten los. Denn Fortschritte in Syrien waren und sind davon abhängig, dass die Sanktionen fallen. Solange unklar bleibt, welche Geschäfte mit Syrien unter welchen Umständen erlaubt sind, halten sich Geschäftspartner lieber ganz heraus.

Der Aufbau eines neuen Staatswesens, das Syriens Milizen in den Griff bekommt, die Unsicherheit eindämmt und das Leben der Menschen verbessert, wird so behindert, nicht gefördert. Jetzt hat Trump den Hebel umgelegt. Europa hingegen steht wieder einmal als Zuschauer da. Nachdem die EU ihre Syrien-Sanktionen vor zehn Wochen nur teilweise aussetzte, wird sie demnächst ihr Sanktions-Regime turnusmäßig „überprüfen“.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Saudische und türkische Investoren warten derweil schon auf den Moment, in dem US-Dollar-Geschäfte mit Syrien wieder problemlos möglich sind, um massiv in das „neue Syrien“ zu investieren. Für Syrien ist es vielleicht auch besser so.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Tja, und die Europäer? Die kommen - wie schon so oft - zu spät zur Party!

  • Btr. Zitat:

    "Die neue Führung in Damaskus muss eine Chance haben, das Land zu stabilisieren. "

    Die "neue" Führung ?

    Die "sigreiche" Fraktion in Syrien welche jetzt die Regierung stellt ist die HTS, somit im Kern die Al-Nursra-Front auch bekannt als "Al-Quaida in Syrien".

    Nennen wir nochmal kurz ein paar wichtige Stellen aus dem "Lebenslauf" des "neuen" Syrischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa von der HTS:

    2003: Eintritt in die Al-Quida im Irak, nachfolgend ein Aufstieg in der Hyrachie dort.

    2003 bis 2006: Mutmaßlich zeitweise beim IS als dieser noch Teil von Al-Quida war (IS war Al-Quida-Teil von 2004 bis 2013)

    2006: Zweitweise festnahme durch die USA im Irak.

    2011: Rückkehr nach Syrien im Rahmen der Gründung von "Al-Quida in Syrien" der "Al-Nusra-Front".

    2012 bis 2016: Anführer von "Al-Quida in Syrien" der "Al-Nusra-Front". Somit Hauptverantwortlich für vielfältige Massaker der AL-Nusra an Minderheiten (Alewiten Cristen etc.) und Terroranschläge.

    2017: Anführer der HTS die aus der "Fusion" von Al-Nusra mit anderen islamisichen Gruppen entstand.



    Formelle Lossagung von Al-Quida.

    Quelle:



    Wikipedia Artikel zu HTS, IS und Ahmed al-Scharaa

    • @Jörg Heinrich:

      Sie sollten mal die Heiligenviten lesen. Da gab's manche, die waren so ähnlich unterwegs.

  • Dem Autor scheint entgangen zu sein, dass Trump aus rein geschäftlichen Überlegungen da unterwegs ist. Wieviel lässt sich bei einer Entwicklung des Landes für ihn herausholen (das Wirtschaftswunder in Deutschland hat uns seinerzeit ja auch nicht geschadet ) ? Quasi 'nebenbei' hat er für seine Familie neue Hotelprojekte und Golfresorts im Oman und bei den Saudis vereinbart, mit Putin wollte er auch dealen: 'Lässt Du unsere Leute rein, verzichten wir auf Sanktionen' , Krieg ist doch zu teuer. Auch dass Trump jetzt Netanyahu quasi verhungern lässt, ist docvh nur dem Umstand geschuldet, dass die Waffengeschäfte mit den Arabern, denen Demokratie und Menschrechte völlig egal sind, viel lukrativer sind. Da ist die Hoffnung der deutschen Dealer auf die weitere US-Unterstützung in der Ukraine-Frage relativ naiv, solange nicht mehr dabei zu holen wäre. Demokratie ist auch für Trump lästig.

  • "Saudische und türkische Investoren warten derweil schon auf den Moment, in dem US-Dollar-Geschäfte mit Syrien wieder problemlos möglich sind, um massiv in das „neue Syrien“ zu investieren"

    Bei einigen kanns nicht schnell genug gehen, sich diesen gewaltigen Markt unter den Nagel zu reissen. Da sind die Gründe für die Sanktionen dann halt plötzlich nicht mehr so wichtig und man kann auch schon mal Terroristen von der Liste nehmen, um mit ihnen zu geschäften. Oder denken Sie, dass sich Trump irgendwie um die Menschenrechte in Syrien sorgt?

    • @Micha.Khn:

      Glauben Sie wirklich, das die Menschenrechte in Syrien gefördert werden wenn die Sanktionen anhalten?

  • Aber wie beurteilen Sie die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien denn aus geopolitischer Perspektive, Herr Johnson?



    Alles nur Gutmenschentum und Wohltaten aus dem Füllhorn des Orangenen, die sich jetzt über Syrien ergießen werden?



    Welche Rolle spielen dabei Israel und die Türkei, Saudi-Arabien, die Golfstaaten? Was bedeutet das für die Palästinenser und den Iran?



    Ein bisschen mehr Einordnung hätte Ihrem Beitrag nur gut getan … schließlich möchte ich die taz nicht umsonst lesen.😉

  • Der Vorteil der Trump‘schem Dealdenke ist das Fehlen jeglicher Dogmatik. Wenn‘s passt, wird’s angepasst.

    • @vieldenker:

      Dogmatik vielleicht nicht, eine geostrategische Ausrichtung (über die ich eigentlich lieber diskutieren würde) hat das womöglich doch … das Irritierende an dem Kerl ist halt, dass man nicht so ganz schlau aus ihm wird.



      Trump jetzt aber als den reinen Friedensstifter zu feiern, da bleibe ich skeptisch. Und auch die Europäer sollten vorsichtig bleiben (auch Hinblick auf die Rolle Trumps im Krieg in der Ukraine) und sich nicht unbedingt auf die Zuverlässigkeit des POTUS verlassen - und sich auch nicht zurücklehnen und ihm wieder die Initiative überlassen, weil man ja grundsätzlich mit den USA auf einer Linie ist. Könnte ein böses Erwachen geben.