US-Urteil gegen Greenpeace: Gefährliche Botschaft
Auf das Urteil in den USA gegen die Umweltorganisation Greenpeace blicken Aktivsten mit einer Mischung aus Ernüchterung und Aufruf zum Widerstand.

„Dieses Urteil ist ein eklatanter Versuch, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen und die Macht des Grassroots-Aktivismus zu brechen“, sagte die Vorsitzende der Klimaorganisation 350.org, Anne Jellema. „Es sendet eine gefährliche Botschaft: Die Giganten der fossilen Brennstoffindustrie können die Gerichte instrumentalisieren, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die die Zerstörung unseres Planeten anfechten“.
Das Urteil zugunsten der Kläger, in diesem Fall die texanische Ölfirma Energy Transfer, ist für viele auch ein Zeichen dafür, wie schwierig es die Klimabewegung in den USA in den kommenden Jahren haben könnte. Mit Donald Trump sitzt ein Präsident im Weißen Haus, der den Klimawandel leugnet. Vor allem auf republikanischer Seite ist Klimaschutz noch immer keine Priorität.
Der republikanische US-Senator Kevin Cramer bezeichnete das Urteil als einen großen Erfolg. „Greenpeace und seine radikalen Umweltschützer-Freunde haben eine gerechte Strafe erhalten, da sie das destruktive Verhalten während der Proteste gegen die Dakota Access Pipeline mit ihren diffamierenden und falschen Behauptungen über die Pipeline gefördert haben. Sie müssen es sich jetzt zweimal überlegen, ob sie es noch einmal tun“, sagte der Senator aus North Dakota. Diese Erklärung zeigt, wie schwer es sein wird, unter republikanischer Führung die Klimaziele der Vereinigten Staaten voranzutreiben.
Experten bezeichneten die Klage als eine sogenannte SLAPP-Klage
Für Aktivisten war die Greenpeace-Klage, in der der Organisation vorgeworfen wurde, die Protestaktionen gegen die Pipeline koordiniert und finanziert zu haben, nichts weiter als eine Einschüchterungstaktik. Experten bezeichneten die Klage als eine sogenannte SLAPP-Klage. Diese zielt darauf ab, Organisationen oder einzelne Aktivisten einzuschüchtern, deren finanzielle Ressourcen zu erschöpfen und die öffentliche Beteiligung zu unterdrücken. Greenpeace hat öffentlich erklärt, dass das Urteil existenzbedrohend sei. Die in den Niederlanden ansässige Organisation hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Außerdem reichte Greenpeace im vergangenen Monat eine Gegenklage gegen Energy Transfer in den Niederlanden ein.
350.org Geschäftsführerin Jellema erklärte, dass die Jury-Entscheidung in North Dakota ein Weckruf für die gesamte Klimabewegung sei. „Das Urteil sendet eine gefährliche Botschaft an Umweltorganisationen weltweit: Unternehmen, die die Umwelt verschmutzen, können die Gerichte instrumentalisieren, um Widerstand zum Schweigen zu bringen. Dies ist besonders besorgniserregend für kleinere, führende Gruppen, die in Regionen ohne starken Rechtsschutz tätig sind“, sagte sie. Die Proteste gegen die Pipeline waren von der indigenen Bevölkerung dort ausgegangen.
Hinzu kommt, dass die amerikanische Öffentlichkeit und die Gemeinden beim Thema Klimaschutz gespalten sind. „Die Jury war stark voreingenommen gegenüber allen, die an den Protesten beteiligt waren. Die Ölindustrie ist zudem ein so wichtiger Teil der Wirtschaft, dass ein fairer Prozess nicht möglich ist“, sagte Greenpeace Anwalt Daniel Simons im Gespräch mit der taz. Ein Juror erklärte vor Gericht, dass er ohne die Öl- und Gasindustrie auf der Straße leben würde. Trotzdem wurde er vom zuständigen Richter zugelassen.
„Es ist an der Zeit, dass die Welt der Gier der Konzerne Einhalt gebietet“
Um zu verhindern, dass das Greenpeace-Urteil und die Bemühungen der Trump-Regierung die Klimabewegung in den USA komplett untergraben, appelliert Jellema für mehr Solidarität und ruft zum Widerstand auf. „Umweltgruppen, Geldgeber und Verbündete müssen sich hinter Greenpeace und andere von Rechtsklagen betroffene Organisationen stellen und dafür sorgen, dass diese über die nötigen Mittel verfügen, um sich zu wehren“, sagte sie.
Trotzdem gibt es Befürchtungen, dass das Urteil zumindest einen temporären Abkühlungseffekt haben könnte. Doch genau jetzt bräuchte es in den USA eine aktive Klimabewegung, die einen Fokus auf die US-Regierung wirft. Der Haushalt für die US-Umweltschutzbehörde EPA soll um 65 Prozent gekürzt werden. Tausende von Stellen würden wegfallen. Außerdem hat Trump in den vergangenen Wochen Dekrete unterzeichnet, die die Förderung von Öl und Gas in den USA erleichtern sollen.
„Die Wissenschaft ist sich einig: Wir brauchen einen dringenden und gerechten Ausstieg aus der Förderung, Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung abzuwenden“, sagte Amnesty International-Generalsekretärin Agnès Callamard. „Es ist an der Zeit, dass die Welt der Gier der Konzerne Einhalt gebietet, die unseren Planeten zerstört und allen Menschen schadet“.
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