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US-Urteil gegen GreenpeaceGefährliche Botschaft

Auf das Urteil in den USA gegen die Umweltorganisation Greenpeace blicken Aktivsten mit einer Mischung aus Ernüchterung und Aufruf zum Widerstand.

Ein indigener Aktivist vom Lakota Volk protestiert 2017 gegen die North Dakota Pipeline vor dem Weißen Haus Foto: Kevin Lamarque/reuters

Washington taz | Das Urteil einer US-Jury gegen die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace hat in der vergangenen Woche hohe Wellen geschlagen. Mehr als 660 Millionen US-Dollar Strafe soll die Organisation für ihr Teilnahme an Protesten gegen den Bau einer kontroversen Ölpipeline in den Jahren 2016 und 2017 zahlen. Die Reaktionen auf das Urteil aus der Klimaschutzbewegung und von Aktivisten ist eine Mischung aus Ernüchterung und Aufruf zum Widerstand.

„Dieses Urteil ist ein eklatanter Versuch, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen und die Macht des Grassroots-Aktivismus zu brechen“, sagte die Vorsitzende der Klimaorganisation 350.org, Anne Jellema. „Es sendet eine gefährliche Botschaft: Die Giganten der fossilen Brennstoffindustrie können die Gerichte instrumentalisieren, um diejenigen zum Schweigen zu bringen, die die Zerstörung unseres Planeten anfechten“.

Das Urteil zugunsten der Kläger, in diesem Fall die texanische Ölfirma Energy Transfer, ist für viele auch ein Zeichen dafür, wie schwierig es die Klimabewegung in den USA in den kommenden Jahren haben könnte. Mit Donald Trump sitzt ein Präsident im Weißen Haus, der den Klimawandel leugnet. Vor allem auf republikanischer Seite ist Klimaschutz noch immer keine Priorität.

Der republikanische US-Senator Kevin Cramer bezeichnete das Urteil als einen großen Erfolg. „Greenpeace und seine radikalen Umweltschützer-Freunde haben eine gerechte Strafe erhalten, da sie das destruktive Verhalten während der Proteste gegen die Dakota Access Pipeline mit ihren diffamierenden und falschen Behauptungen über die Pipeline gefördert haben. Sie müssen es sich jetzt zweimal überlegen, ob sie es noch einmal tun“, sagte der Senator aus North Dakota. Diese Erklärung zeigt, wie schwer es sein wird, unter republikanischer Führung die Klimaziele der Vereinigten Staaten voranzutreiben.

Experten bezeichneten die Klage als eine sogenannte SLAPP-Klage

Für Aktivisten war die Greenpeace-Klage, in der der Organisation vorgeworfen wurde, die Protestaktionen gegen die Pipeline koordiniert und finanziert zu haben, nichts weiter als eine Einschüchterungstaktik. Experten bezeichneten die Klage als eine sogenannte SLAPP-Klage. Diese zielt darauf ab, Organisationen oder einzelne Aktivisten einzuschüchtern, deren finanzielle Ressourcen zu erschöpfen und die öffentliche Beteiligung zu unterdrücken. Greenpeace hat öffentlich erklärt, dass das Urteil existenzbedrohend sei. Die in den Niederlanden ansässige Organisation hat Berufung gegen das Urteil eingelegt. Außerdem reichte Greenpeace im vergangenen Monat eine Gegenklage gegen Energy Transfer in den Niederlanden ein.

350.org Geschäftsführerin Jellema erklärte, dass die Jury-Entscheidung in North Dakota ein Weckruf für die gesamte Klima­bewegung sei. „Das Urteil sendet eine gefährliche Botschaft an Umweltorganisationen weltweit: Unternehmen, die die Umwelt verschmutzen, können die Gerichte instrumentalisieren, um Widerstand zum Schweigen zu bringen. Dies ist besonders besorgniserregend für kleinere, führende Gruppen, die in Regionen ohne starken Rechtsschutz tätig sind“, sagte sie. Die Proteste gegen die Pipeline waren von der indigenen Bevölkerung dort ausgegangen.

Hinzu kommt, dass die amerikanische Öffentlichkeit und die Gemeinden beim Thema Klimaschutz gespalten sind. „Die Jury war stark voreingenommen gegenüber allen, die an den Protesten beteiligt waren. Die Ölindustrie ist zudem ein so wichtiger Teil der Wirtschaft, dass ein fairer Prozess nicht möglich ist“, sagte Greenpeace Anwalt Daniel Simons im Gespräch mit der taz. Ein Juror erklärte vor Gericht, dass er ohne die Öl- und Gasindustrie auf der Straße leben würde. Trotzdem wurde er vom zuständigen Richter zugelassen.

„Es ist an der Zeit, dass die Welt der Gier der Konzerne Einhalt gebietet“

Um zu verhindern, dass das Greenpeace-Urteil und die Bemühungen der Trump-Regierung die Klimabewegung in den USA komplett untergraben, appelliert Jellema für mehr Solidarität und ruft zum Widerstand auf. „Umweltgruppen, Geldgeber und Verbündete müssen sich hinter Greenpeace und andere von Rechtsklagen betroffene Organisationen stellen und dafür sorgen, dass diese über die nötigen Mittel verfügen, um sich zu wehren“, sagte sie.

Trotzdem gibt es Befürchtungen, dass das Urteil zumindest einen temporären Abkühlungseffekt haben könnte. Doch genau jetzt bräuchte es in den USA eine aktive Klimabewegung, die einen Fokus auf die US-Regierung wirft. Der Haushalt für die US-Umweltschutzbehörde EPA soll um 65 Prozent gekürzt werden. Tausende von Stellen würden wegfallen. Außerdem hat Trump in den vergangenen Wochen Dekrete unterzeichnet, die die Förderung von Öl und Gas in den USA erleichtern sollen.

„Die Wissenschaft ist sich einig: Wir brauchen einen dringenden und gerechten Ausstieg aus der Förderung, Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung abzuwenden“, sagte Amnesty International-Generalsekretärin ­Agnès Callamard. „Es ist an der Zeit, dass die Welt der Gier der Konzerne Einhalt gebietet, die unseren Planeten zerstört und allen Menschen schadet“.

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19 Kommentare

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  • taz: *Das Urteil einer US-Jury gegen die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace hat in der vergangenen Woche hohe Wellen geschlagen.*

    Der natur- und das klimazerstörende Kapitalismus hat überall seine Leute sitzen, und jetzt wo US-Präsident Trump sich erneut vom Pariser Klimaschutzabkommen verabschiedet hat, wird sogar die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace in den USA bekämpft. Mal sehen, wann es auch in Deutschland damit anfängt, denn harmlose Klimaschützer werden in unserem Land ja jetzt schon als Kriminelle bezeichnet.

    *Amnesty International-Generalsekretärin ­Agnès Callamard. „Es ist an der Zeit, dass die Welt der Gier der Konzerne Einhalt gebietet, die unseren Planeten zerstört und allen Menschen schadet“.*

    Dann müsste man den Bürgern erst mal klar machen, dass man gewisse "Politiker" nicht wählen sollte, wenn man nicht sich und seine Kinder kaputtmachen möchte.

  • Bei Schadenersatzklagen geht es in Amerika immer um Millionen. Schon ein verschütteter heißer Kaffee hat eine zweistellige Millionensumme zur Folge. Wenn es den Tatsachen entspricht, das Greenpeace schädigende Aktionen durchgeführt und finanziert hat, dann ist gegen dieses Urteil nichts einzuwenden. Zu dem Urteil steht aber leider nichts im Artikel.

    • @womzie:

      Nö, schon klar. Da ist gar nichts gegen einzuwenden - außer vielleicht dass es schreiende Ungerechtigkeit ist, dass es die Rechte anderer einfach ignoriert, dass es "bestellt" war, dass es extrem menschenfeindlich ist. Es ist halt keine umgekippte Tasse Kaffee, savvy?

  • Wer gesellschaftliche Probleme, die eigentlich politisch gelöst werden müssten, durch ein juristisches Verfahren lösen will, sei hiermit gewarnt: Andersdenkende werden diese Technik umdrehen.

    In den USA ist das jetzt passiert: die andern sitzen am Ruder. Jetzt kommt das Rückspiel.

    Im Nachbarartikel freuen sich alle noch, wie ein Typ RWE verklagt. Darf ich mal ein optionales Rückspiel skizzieren:



    Den Bauern verklagen, für all das Kokain das er und seine Mitbauern exportieren, mit Toten, Kartellkämpfen und Polizeieinsätzen bei uns als Konsequenz. Ist bekloppt an den Haaren herbeigezogen, aber wenn man das als Narrativ vor einem willigen Richter durchbringt, Prost Mahlzeit.

  • Was wir hier erleben, ist nichts anderes als der Kampf "Arm gegen Reich" (vgl. das von Georg Schramm oftmals angeführte Zitat von Warren Buffet).



    Und Warren Buffet war - aus seiner Sicht - sehr optimistisch, als er sagte: "Und meine Klasse, die Reichen, wird diesen Kampf gewinnen.



    In den USA, wo der Kapitalismus unter dem Deckmantel des amerikanischen Traums schon immer ungehemmter war, ist er nun ein deutliches Stück noch ungehemmter geworden.



    Leider geht dies in Amerka vom Großkapital gewollt mit einem deutlichen Ruck in Richtung Autokratie (von oben gewollte sukzessive Korrosionserscheinungen bei der Gewaltenteilung) einher.



    Sachliche Sachthemendiskussionen unter Amerikanern haben Seltenheitswert, weil das nicht in deren bürgerlicher DNA steckt - entweder ist man pro Republikaner oder pro Demokraten. Sachliche Einzelthemadiskussionen losgelöst von den Parteien? So gut wie Fehlanzeige!



    Deswegen bin ich in puncto der politischen Entwicklung in den USA und in Bezug auf das weitere Rechtsverfahren sehr pessimistisch.



    Greenpeace in den USA sollte evtl. das Verhalten von Wirtschaftsunternehmen adaptieren: Insolvenz anmelden - und unter neuem Namen durchstarten.

  • Das eine ist Greenpeace und andere derartige Institutionen die im Fadenkreuz der faschistischen Trump-Junta sind und entgegen der US-Verfassung möglichst eliminiert werden sollen. Auch elimiert werden sollen jedoch die erbärmlichen Reste indigener Rechte - so wie seit Bestehen der USA. Zwar war die US-Verfassung nie ein Garant für Indigene oder POC, doch immerhin theoretisch galt sie auch für die. Da es Minderheiten sind, fallen die nun erst recht unter die Rubrik: ignorieren, bekämpfen und wenn möglich ausbeuten. Nun ja - es ist das Land der "unbegrenzten Freiheit", das "Mutterland" der Demokratie ein Lacher, wäre es nicht so tragisch für so viele Menschen...

    • @Perkele:

      Man kann ja von Trump tatsächlich nicht viel halten, aber von einer "faschistischen Trump-Junta" zu sprechen ist - denke ich - Unfug.

      • @Bommel:

        Was denn dann? Ist es nicht faschistisch, unterschiedslos Migranten zu verhaften und in irgendwelche Diktaturen abzuschieben? Oder queere Menschen von bestimmten Jobs fernzuhalten? Oder Gerichtsurteile mit "interessiert mich nicht" zu quittieren? Oder Erpressung als legitimes Mittel zu nutzen? Alles demokratisch, oder was?

      • @Bommel:

        Jemand der alle demokratischen Errungenschaften und wichtige Institutionen abschafft, politische Gegner aus dem Wege räumt und unmenschlich gegen Einwanderer vorgeht kann vielmehr als Faschist und Despot bezeichnet werden. Das trifft es noch genauer.

  • Auf solche Summen kann man auch in Amerika kommen.

    Die Verurteilung könnte durchaus zu Recht geschehen sein. Greenpeace ist für überbordende Aktionen ja durchaus bekannt.

    Ich bin nicht mal sicher ob hier wirklich die Zerstörung der Gesamtorganisation Sinn der hohen Strafe ist oder ob das einfach das amerikanische System ist, dass immer übertreiben muss.

    • @Dr. Idiotas:

      > Greenpeace ist für überbordende Aktionen ja durchaus bekannt.

      Aha. Da gibt es dann ja sicher viele Beispiele dafür, oder?

      • @Grenzgänger:

        Gibt es.

        Greenpeace steht für mich für Brent Spar und fest-Ketten. Man kann wohl kaum sagen, dass sie für Maß und Mitte stehen.

  • "Greenpeace und seine radikalen Umweltschützer-Freunde haben eine gerechte Strafe erhalten, da sie das destruktive Verhalten während der Proteste gegen die..."



    /



    Tendenzen für einen Gleichklang in der Betrachtung der unliebsamen Gegenstimmen und die verbale Abwertung oppositioneller Gruppen / NGOs sind hierzulande unüberhörbar.



    "Söder stellt sich hinter die kleine Anfrage und vergleicht die NGOs dabei mit einer Krake. Und zwar nicht nur in der "Welt", sondern zuvor auch schon in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Hier erklärte er: "Greenpeace sitzt im Außenministerium, Attac im Wirtschaftsministerium – die NGOs haben sich wie Kraken ausgebreitet und verhindern mit ihren enormen Klagerechten nicht selten ein geordnetes Staatswesen."



    Quelle politik.watson.de



    Die CSU als Anwältin der Umwelt, wer soll das glauben?



    sueddeutsche.de



    "Christian Schmidt ist ein Landwirtschaftsminister, von dem wenig bis nichts in Erinnerung geblieben wäre, wenn er bis Montag Mittag seinen Rücktritt eingereicht hätte. Dann aber ließ er plötzlich seinen Vertreter in Brüssel für die Verlängerung des Herbizids Glyphosat stimmen. Der Alleingang des CSU-Ministers ist ein starkes Stück..."

  • "Ein Juror erklärte vor Gericht, dass er ohne die Öl- und Gasindustrie auf der Straße leben würde. Trotzdem wurde er vom zuständigen Richter zugelassen."



    Ja nun, der Fehler liegt nicht wirklich bei dem Richter, sondern in unserem Wirtschaftssystem. Arbeitsplätze sind wichtiger als die Bewahrung der Lebensgrundlagen oder Menschenrechte oder sogar Menschenleben.



    Leider erkennen bislang viele Menschen dieses Problem nicht oder wollen es nicht erkennen, und zwar quer über alle politischen Lager.

    • @Eric Manneschmidt:

      Was der Juror erklaert gilt fuer jeden Pendler, ob er nun mit Benziner/Diesel faehrt (Oel) oder Strom (Gas/Kohle).

    • @Eric Manneschmidt:

      Sie haben schon richtig erkannt, das der Fehler im System insgesamt, nicht nur im Wirtschaftssystem liegt. Jedoch konnte keiner der potentiellen Weltverbesserer wirklich überzeugend darlegen, das etwas anderes ebenso funktionieren würde. Denn bei dem Wechsel in ein anderes System (Wirtschafts-/Sozial-/Bildungs- etc.) darf es keinen Fehlstart geben. Und ein solcher Wechsel wird nur umsetzbar sein, wenn gleichzeitig alle Systeme entsprechend geändert würden, und damit ist das ziemlich illusorisch. Denn in nicht so vielen Ländern existiert ein soziales Sicherungssystem, welches die Menschen bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Behinderung noch einigermaßen auffängt. Daher ist es vollkommen nachvollziehbar, wenn jemand seinen Arbeitsplatz, und damit die Sicherung seines derzeitigen Überlebens, höher bewertet, als Menschenrechte oder Klimaziele.

      • @Oleg Fedotov:

        Also für mich ist der Ansatz durchaus überzeugend, den Menschen einfach das Geld so zu geben, das sie zum Leben brauchen. Man könnte mit kleinen Beträgen anfangen, die noch nicht existenzsichernd sind, und langsam steigern. Es wird dann immer leichter für die Leute, zu schlechten und zerstörerischen Arbeitsplätzen NEIN zu sagen und auch die Politik müsste nicht mehr irgendwelche Unternehmen unterstützen, nur weil die Arbeitsplätze schaffen.



        Also, worauf warten wir noch?

        • @Eric Manneschmidt:

          Woher soll denn das Geld kommen, dass Sie "...den Menschen einfach ...so ...geben..:" wollen? Auf welcher Basis und mit welchem Geld?

          • @Bommel:

            Man könnte ja Steuern erheben, nicht? Z.B. auf Vermögen, Erbschaften, Transaktionen, Umwelt- und Ressourcenverbrauch...



            Ist es schwer zu verstehen, dass wir reicher wären, wenn wir die destruktiven Teile der "Wirtschaft" stilllegen würden?