US-Urteil gegen Greenpeace: Auf das Recht ist kein Verlass
Greenpeace muss wegen Rufschädigung eines Erdölkonzerns eine happige Strafe zahlen. Der Fall zeigt die Risiken des Rechts für die Klimabewegung.

E s ist eine Entscheidung, die sich zutiefst absurd anfühlt: Wegen seiner Beteiligung an den Protesten gegen den Bau einer Pipeline soll der US-Ableger von Greenpeace 660 Millionen Euro Strafe zahlen. Grundlage für die astronomisch hohe Summe sind die Gewinnverluste, die das Erdölunternehmen Energy Transfer durch die Schädigung seines Rufes erlitten habe. Die Jury des Gerichts in North Dakota verurteilt also eine Umweltorganisation dafür, dass sie tut, wofür sie sich gegründet hat: fossile Großkonzerne zu kritisieren. Sollte es zu einer Zahlung kommen, könnte das das Ende der Umweltorganisation bedeuten.
Trotz aller Absurdität zeigt der Fall vor allem eines: Im Kampf für mehr Klimaschutz ist das Recht ein unzuverlässiger Verbündeter. Die Bewegung täte gut daran, den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit nicht zu vergessen. Konkret wirft Energy Transfer Greenpeace vor, die Proteste gegen die North-Dakota-Pipeline im Jahr 2016 „orchestriert“ zu haben. Damals protestierten monatelang Umweltaktivist:innen zusammen mit der indigenen Bevölkerung gegen den Bau des Infrastrukturprojekts in dem US-Bundesstaat. Mitglieder des indigenen Volkes Standing Rock Sioux fürchteten, die Pipeline würde die Wasserversorgung gefährden.
Die Entscheidung der Jury, der abenteuerlichen Argumentation des Ölkonzerns zu folgen, sollte die Klimabewegung aufhorchen lassen. In den vergangenen Jahren setzten Aktivist:innen immer mehr Hoffnung darauf, Staaten und Konzerne durch Gerichtsprozesse zum Klimaschutz zu zwingen. Wenn Strafzahlungen so hoch sind, könne es sich ein Unternehmen schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten, Klima und Natur zu zerstören, lautet das Kalkül.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2021, die Klimapolitik der damaligen Bundesregierung als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären, gilt als Paradebeispiel für diesen juristischen Klimaaktivismus. Eine Reihe weiterer Klagen folgten; jüngstes Beispiel ist der peruanische Bergführer Saúl Luciano Lliuya, der gerade den Energieriesen RWE verklagt, weil sein Haus durch Überschwemmungen bedroht ist.
An der Ursache ändert sich nichts
Klimaklagen sind wichtig, um Aufmerksamkeit auf die schreiende Ungerechtigkeit der Klimakatastrophe zu lenken und Staaten ihre eigene Inkonsequenz vor Augen zu halten. Doch es wäre gefährlich, sich der Illusion hinzugeben, sie könnten an der Ursache der Klimakrise etwas ändern: dem fortwährenden Wachstumszwang unseres Wirtschaftssystems und dem damit einhergehenden Hunger nach Rohstoffen.
Dies macht das Greenpeace-Urteil schmerzlich bewusst. Anstatt ein wirkungsvoller Hebel für Veränderung zu sein, wird das Recht zum Werkzeug von Großkonzernen. Letztlich führt kein Weg am Kampf für politische Mehrheiten für echten Klimaschutz vorbei.
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