US-Senat bestätigt Richterin Barrett: Supreme Court wird konservativ
Der US-Senat hat die Nominierung von Amy Coney Barrett für den Obersten Gerichtshof bestätigt. Von den Demokrat*innen erhielt sie keine Stimme.
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US-Präsident Donald Trump bezeichnete Barretts Ernennung als einen „bedeutsamen Tag für Amerika, für die amerikanische Verfassung für die faire und unparteiische Rechtsstaatlichkeit“. Für Trump war es bereits die dritte freie Richterstelle, die er während seiner Amtszeit am Obersten Gerichtshof besetzen konnte. Zuvor nominierte er bereits Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh für das höchste Richteramt.
„Dank unserer Verfassung und unserer Kultur der Freiheit leben Sie in einem Land, in dem alles möglich ist und wo jeder Traum wahr werden kann“, sagte der 74-jährige Trump während einer Rede im Garten des Weißen Hauses. „Ganz egal, wer Sie sind. Ganz unabhängig von Ihrer Herkunft. Jeder in Amerika hat das Anrecht auf gleichen Schutz nach dem Gesetz.“
Die Wahl im Senat erfolgte wie erwartet entlang der Parteilinien. KeinE einzigeR Demokrat*in stimmte für die Nominierung der 48 Jahre alten Richterin. Auf republikanischer Seite gab es nur eine Ausnahme: Senatorin Susan Collins aus Maine stimmte wie im Vorfeld angekündigt gegen Trumps Kandidatin. Sie erklärte, ihre Gegenstimme habe nichts mit Barretts Person oder Qualifikation zu tun.
Obama hatte Senat nicht auf seiner Seite
Collins kritisierte vielmehr den Zeitpunkt der Nominierung sowie der Senatsabstimmung. „Ich denke, es ist weder fair noch konstant, vor der Präsidentschaftswahl im Senat über diese Nominierung abzustimmen“, sagte Collins.
Trumps Entscheidung, die im September verstorbene liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg kurz vor der Wahl am 3. November zu ersetzen, sorgte für einen Aufschrei bei den Demokrat*innen. Vor vier Jahren verweigerten die Republikaner*innen dem von Präsident Barack Obama nominierten Richter Merrick Garland eine Anhörung im Senat.
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Der Grund war damals die bevorstehende Präsidentschaftswahl. Diesmal spielte die zeitliche Nähe zur Wahl für den Senator Mitch McConnell, Vorsitzender der republikanischen Mehrheit im Senat, keine Rolle. Demokrat*innen beschuldigen den Senator aus Kentucky daher der Heuchelei.
Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren charakterisierte die Abstimmung bereits Sonntagnacht als „unrechtmäßig“ und „letzten Atemzug einer verzweifelten Partei“.
Rechtlich ist McConnells politisch motivierter Schachzugs völlig legitim. Die US-Verfassung erlaubt es dem amtierenden Präsidenten, jemanden für das Amt des obersten Richters zu nominieren. Diese Person muss im Anschluss vom Senat bestätigt werden.
Obama hatte 2016 lediglich das Problem, dass die Republikaner*innen die Mehrheit im US-Senat besaßen und daher dessen Kandidaten blockieren konnten. Da sich die Demokrat*innen im Senat weiterhin in der Minderheit befinden, gab es für sie keine Möglichkeit, die Ernennung von Barrett zu stoppen.
Angst vor konservativem Bollwerk
Wie schon bei Barretts Senatsanhörungen versammelten sich am Montag dutzende Demonstrant*innen vor dem Supreme Court in Washington. Unter ihnen war auch eine Gruppe rot gekleideter Frauen, die mit ihren Kleidern auf die Dienerinnen in dem von Margaret Atwood verfassten Roman The Handmaid’s Tale anspielten. Barrett hatte vor zehn Jahren in der katholischen Organisation People of Praise als „Handmaiden“ gedient, also in einer Führungsposition. Viele befürchten, dass sich der Oberste Gerichtshof in ein konservatives Bollwerk verwandeln könnte.
Durch Barretts Ernennung haben die konservativen Richter am Supreme Court nun eine 6-3 Mehrheit. Aufgrund dieser neuen Kräfteverhältnisse besteht die Gefahr, dass frühere Entscheidungen wie die Legalisierung von Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe oder auch das von Obama initiierte Gesundheitssystem gekippt werden. Barrett versuchte allerdings, diese Bedenken zu auszuräumen.
„Es ist die Aufgabe von Senator*innen, ihre politischen Präferenzen zu verfolgen“, sagte die Richterin nach dem Ablegen ihres Amtseides. „Im Gegensatz dazu ist es die Aufgabe von Richter*innen, ihren politischen Präferenzen standzuhalten.“ Sie versprach zudem, dass sie ihre neue Aufgabe „ohne Angst oder Gunst“ verrichten werde.
Sollten sich die Befürchtungen der Demokraten allerdings bestätigen, haben sich bereits einige dafür ausgesprochen, die Anzahl der Richter*innen am Obersten Gerichtshof zu vergrößern. Auch Trumps Gegner im Kampf um das Präsidentenamt, Joe Biden, erklärte in einem Interview mit 60 Minutes, dass er sich diese Option offen halten würde, sollte er die Wahl gewinnen. Er will die Frage durch eine überparteiliche Kommission von Verfassungsrechtler*innen untersuchen lassen.
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