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US-MigrationspolitikGuantanamo als Abschiebeknast

Die US-Regierung will laut US-Medienberichten 9.000 Mi­gran­t:in­nen in das Gefangenenlager schicken. Unter ihnen sollen sich auch Deutsche befinden.

Bereits zu Beginn des Jahres 2025 waren einige Hundert Mi­gran­t:in­nen in das Gefangenenlager Guantánamo verlegt worden

Berlin taz | Offenbar bereitet sich die US-Regierung darauf vor, Tausende Aus­län­de­r:in­nen nach Guantánamo zu überstellen. Laut übereinstimmenden Berichten von Washington Post (WP) und Politico vom Dienstag könnten bereits in dieser Woche Menschen, die sich illegal in den Vereinigten Staaten befinden, in Lager auf dem berüchtigten US-Militärstützpunkt in Guantánamo Bay in Kuba gebracht werden.

Die beiden Medien berufen sich auf ihnen vorliegende Regierungsdokumente und vertraute Personen aus US-Regierungskreisen. Unter den 9.000 infrage kommenden Betroffenen befinden sich laut WP auch 800 Staatsangehörige aus europäischen Ländern, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Belgien und die Niederlande.

Weitere Menschen stammen unter anderem aus dem derzeit aufgrund von Ganggewalt unsicheren Haiti. Es sei unwahrscheinlich, dass die US-Regierung die Heimatländer der Menschen über die bevorstehende Verlegung informiert habe.

Bereits zu Beginn des Jahres waren einige Hundert Mi­gran­t:in­nen in das für seine Menschenrechtsverletzungen bekannte Gefangenenlager verlegt worden. US-Präsident Trump hatte im Januar angekündigt, bis zu 30.000 Menschen in Guantánamo inhaftieren zu wollen. Kri­ti­ke­r:in­nen bemängelten die um ein Vielfaches zu niedrigen Kapazitäten des Lagers. Eine Zeltstadt auf der Militärbasis für über 3.000 Personen sei laut Informationen der WP nach dem Ausbleiben eines großen Zustroms wieder abgebaut worden.

Zwischenstation zur Abschiebung

Beamte der Trump-Regierung sagten jedoch, der Schritt sei notwendig, um für die versprochenen Massenabschiebungen Platz in inländischen Einrichtungen zu schaffen. Das Lager soll als Zwischenstation zur Abschiebung in die jeweiligen Heimatländer dienen.

Das Gefangenenlager in Guantánamo erlangte traurige Berühmtheit im Nachgang der Anschläge auf das World Trade Center in New York City am 11. September 2001. Im Zuge des als Reaktion darauf von Präsident George W. Bush ausgerufenen „War on Terror“ wurden zahlreiche angebliche Terroristen dort festgehalten – häufig ohne Gerichtsverfahren und teils ohne jegliche Beweise. Berichte von Folter und Misshandlungen gingen um die Welt und Guantánamo wurde zu einem Symbol für Willkür und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Zwischen 2002 und Januar 2025 sollen dort etwa 780 Menschen festgehalten worden sein. Aufgrund der geografischen Lage befindet sich Guantánamo in einer rechtlichen Grauzone. Die US-Militärbasis liegt zwar auf kubanischem Territorium, obliegt aber aufgrund von alten Verträgen zwischen den beiden Regierungen US-amerikanischer Kontrolle.

2009 unterzeichnete der damalige US-Präsident Barack Obama ein Dekret zur Schließung des Gefangenenlagers innerhalb eines Jahres, dieses wurde jedoch bisher nicht umgesetzt. Bereits in den 1990er Jahren war der Stützpunkt zur Unterbringung abgefangener Mi­gran­t:in­nen aus Haiti und Kuba genutzt worden. Die Bereiche für mutmaßliche Terroristen sind räumlich von denen für illegale Mi­gran­t:in­nen getrennt.

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12 Kommentare

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  • "Die US-Regierung will laut US-Medienberichten 9.000 Mi­gran­t:in­nen in das Gefangenenlager schicken. Unter ihnen sollen sich auch Deutsche befinden. "

    Endlich schiebt mal jemand Deutsche ab. Warum tut man das hierzulande so wenig? Der politische Wille zu mehr Abschiebungen ist doch da? Und da unser Grundgesetz eine Gleichbehandlung unabhängig von Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung etc. vorschreibt, könnte man nun endlich das extreme Ungleichgewicht bzgl. Herkunft bei Abschiebungen ausgleichen.

  • Guantanamo wurde von allen Staaten immer akzeptiert. Für mich der Anfang vom Ende der Demokratie. Darum meine Frage , warum sollte es Deutsche nicht treffen ?

  • Mich würde es interessieren, weshalb sich deutsche Staatsbürger illegal in den USA aufhalten (wollen?). Besser versorgt (Beispiel Gesundheit) als in Deutschland werden sie dort, wie ich annehme, nicht. Ihre Geschichten sind sicherlich interessant und ich fände es gut, mehr darüber zu lesen, sofern sie bereit sind, über ihre Beweggründe zu sprechen.

    • @*Sabine*:

      Wie man auch hierzulande sieht, ist "illegal" wen die Herrschenden als illegal bezeichnen. Das geht in den USA so und bei uns auch. Menschen als "Illegale" zu bezeichnen ist ein Zeichen rechter Autokratien.

    • @*Sabine*:

      Nun, ja, illegal - falsches oder abgelaufenes Visum und sich nicht um die Papiere gekümmert. (Passiert den Leuten hier ja auch: Wer guckt schon auf seinen Perso - am allerwenigsten auf das Ablaufdatum - und wundert sich vielleicht irgendwann, was alles plötzlich nicht geht?)

      www.stern.de/neon/...erern-8748822.html

      und

      www.spiegel.de/leb...iben-a-416599.html

    • @*Sabine*:

      Darüber wurde in den Medien berichtet. Eine Frau aus Deutschland versuchte als Touristin mit ESTA einzureisen. Sie wurde festgenommen, weil der Verdacht bestand, sie wolle illegal arbeiten. Konkret: Tätovieren. Angeblich hatte sie auf Insta angegeben, wann und wo sie in L.A. ihre Dienste anbieten würde.

      Dann ist da doch ein junger Mann, der schon lange in den USA wohnt und eine GreenCard besitzt. Der hatte vor Jahren irgendeinen Streß mit den Behörden. Ich glaube es ging um den Besitz kleiner Mengen Gras. Keine große Sache eigentlich. Ihm wird vorgeworfen sich dem Strafverfahren entzogen zu haben, weil er zu irgendeiner Anhörung nicht erschienen ist. Er sagt, er hätte keine Vorladung bekommen, was wohl daran liegt, dass er umgezogen war.

    • @*Sabine*:

      Nach den bisher bekannt gewordenen Fällen, in denen deutsche Tourist*innen unter Angabe von fadenscheinigen Gründen von ICE festgehalten wurde - in einem Fall sogar 2 Monate Einzelhaft! - müssen die Betroffenen nicht einmal illegal in den USA sein. Miller hat den Behörden erst 1200 und jetzt 3000 Festnahmen pro Tag als Muss vorgegeben. Da geht es gar nicht mehr um illegale Migranten - ging es auch nie. Trump will Härte demonstrieren und das mit allen Mitteln.

    • @*Sabine*:

      Es handelt sich nicht zwangsläufig um illegalen Aufenthalt, sondern um gefühlt illegalen Aufenthalt. Die Leute werden erstmal festgenommen, und danach sind der Willkür Tür und Tor geöffnet.



      So ist das halt, wenn Rechtsextremisten versuchen, ein Land zu "retten". Pinochet benutzte Stadien, bei Videla fielen die Leute aus Hubschraubern, was Adolf tat, ist ebenfalls bekannt, und Trump benutzt eben Gitmo.

      • @Kaboom:

        Es gibt auch Deutsche, die die Regeln - wissentlich oder nicht - jahrelang mißachtet haben. Wie die zwei in den Beiträgen vom "Stern" und vom "Spiegel". Nach deren Motiven hatte @Sabine gefragt.

  • Interessant, 800 Europäer sind aktuell in Abschiebelagern? Was sagt den Europa, speziell die EU dazu? Oder ist das auch wie damals beim Kurnaz, das dies keinen Politiker auch nur am Rande interessiert?

    Wäre ja mal eine interessante journalistische Recherche. Aktuell kennt man ja nur ein paar Einzelfälle von Touristen die da die staatliche amerikanische "Gastfreundschaft" erfahren durften.

  • Der Deutsche Murat Kurnaz sass unschuldig, ohne Anklage und rechtlos in Guantanamo und Herr Steinmeier, z.Zt. Bundespräsident, hat ihn dort sitzen lassen - obwohl die USA eine Freilassung nach Deutschland angeboten haben.

    Das sollte man immer auch zum Thema Guantanamo dazu sagen.

    • @Tz-B:

      Aber nicht, ohne es mit dem Namen Maaßen zu verbinden.