US-Komiker äußert sich transphob: Unglückliches Coming-Out
Der US-Komiker Dave Chappelle macht in seiner Netflix-Show seine Abneigung gegenüber trans-Menschen deutlich. Und er bekommt dafür Zuspruch.
I m Namen der LGBTQ-Community möchte ich mich bei Dave Chappelle bedanken. Denn er hat es geschafft. Er hat mit „The Closer“ sein spätes Coming-out vor einem Millionenpublikum unverkennbar vollzogen. Darin verglich er das Transgender-Dasein mit Blackfacing. Sein Coming-out also als Mitglied von „Team TERF“, wie er sich selbst stolz bezeichnet. Somit gesellt er sich gerne zu den Trans Exclusionary Radical Feminists, deren erklärtes Ziel es ist, Transgender-Personen wie mich nicht nur aus dem Feminismus zu verbannen, sondern überhaupt im Alltag einzuschränken.
Seitdem sein Auftritt in seinem Netflix-Spezial neulich gestreamt wurde, gibt es heftig Proteste gegen die Sendung, nicht nur aus der queeren Community. Das ist auch gut so. Schlecht ist: Netflix feuerte als Erstes gleich drei sich beschwerende Mitarbeitende, darunter mindestens eine Schwarze trans* Frau.
Immerhin hat Chappelle neue Freunde. Selbst Trump-Anhänger, die ihn Jahre zuvor wegen seiner Konvertierung zum Islam beschimpft hatten, üben bereitwillig den Schulterschluss mit ihm. Und vermeintliche Feministinnen, die sich einst an seinen misogynen Witzen störten, begrüßen seine klare Kante gegen Tante Tunte. Kulturk(r)ampf hoch drei. Und dann gibt es die Fans, die ihm treu bleiben, weil er mit seinem empathielos vulgären Repertoire als Tabubrecher wirkt. Das ist er auch, aber eher in Richtung Jurassic Park gehend.
Dabei könnte gerade Chapelle es besser wissen und besser machen: Der US-Komiker, dessen Schwarzer Humor seit fast zwanzig Jahren einem internationalen Publikum bekannt ist, ist in der Hauptstadt Washington D.C. geboren und in New York aufgewachsen. Er nahm sich die Afroamerikaner Richard Pryor und Eddie Murphy zum Vorbild. Bei seinem ersten Auftritt in Harlems renommiertem Apollo Theater wurde er noch mit Buhrufen von der Bühne gefegt. Doch er riss sich wieder zusammen. Whoopi Goldberg entdeckte ihn, bald trat er mit ihr bei „Comic Relief VI“auf.
Was sollte diese als Komödie kaschierte Hetze?
Es funkte. Er tourte und wurde nicht ausgebuht, sondern ausgebucht. Zudem erschien er in Nebenrollen in hochprofilierten Hollywood-Filmen neben Stars wie Tom Hanks. Seine ab 2003 produzierte Sendung „Chappelle’s Show“, die mit Satire und auch Selbstironie jede Menge heiße Eisen anfasste, besonders bezüglich rassistischer Vorurteile, wurde auch hierzulande auf Comedy Central und MTV zu einem großen Erfolg.
Nach einer Auszeit meldete er sich zurück, aber so was von. Ein Stand-up-Comedian als Stehaufmännchen. 2018, 2019 und 2020 erhielten seine Comedy-Alben einen Grammy. Der Mark-Twain-Award kam auch noch dazu. Seit drei Jahren reüssiert er als Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Er ist trotzdem frech wie Oscar. Und so ist es für mich ein Bedürfnis, ihm zu gratulieren.
In meiner allerersten Kolumne in diesem Blatt setzte ich mich taz-sächlich with Joanne K (für „Karen“) Rowling auseinander. Die transphoben Tweets der Hexendichterin waren kein Ausreißer, sondern lauter Besenreiser. Aber nun treten mir die Venen so richtig hervor. Denn ein Schwarzer Mann tritt mich und andere Black Queens mit Füßen. Oder was sollte diese als Komödie kaschierte, wenn auch verfassungskonforme Hetze?
Einerseits trans* Personen und andererseits Schwarze
Sein Vergleich verrät seine Haltung: In seiner übersichtlichen Welt gibt es einerseits trans* Personen und andererseits Schwarze. Hat er nie von der Schwarzen trans*-Aktivistin Marsha P. Johnson gehört? Übrigens: Ausgerechnet Chappelle ist in einem früheren Sketch mit Blackface aufgetreten – er wollte damit gegen Stereotype angehen. Das höhnisch klingende Gelächter einer weißen Person am Set ließ ihn davor zurückschrecken. Schon deshalb sollte er sich Blackfacing-Vergleiche endlich abschminken.
Um es klarzumachen: Der Humor müsste weder der moralischen Erbauung dienen noch politisch korrekt sein. Aber Witze auf Kosten marginalisierter Menschen, Witze, die weiter zum Mobbing und zur Entmenschlichung beitragen, haben es verdient, gecancelt beziehungsweise abgekanzelt zu werden.
„The Closer“ dauert knapp 80 Minuten und ist damit schon anderthalb Stunden zu lang. Chapeau, Chappelle. Nimm nun deinen Hut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid