US-Außenminister in Nahost: „Gelbe Karten“ im Gepäck
Nach der Gewalteskalation versucht US-Außenminister Blinken, die Wogen zwischen Israel und Palästinensern zu glätten. Auch Iran steht auf der Agenda.
Blinken hatte vor seiner Abreise nach Israel ein militärisches Vorgehen der USA gegen Iran als Option bezeichnet, um das Land abzuhalten, Atomwaffen zu bauen. „Alle Optionen sind auf dem Tisch“, so Blinken. Ob der mutmaßlich israelische Drohnenangriff mit den USA abgesprochen war, blieb unklar.
Soweit bekannt, galt der Angriff vom Samstag allerdings nicht Irans Atomprogramm, sondern seinem Raketenprogramm. Getroffen wurde eine Halle in der Zwei-Millionen-Metropole Isfahan. Videos zeigen eine Explosion inmitten der Stadt. Teheran zufolge wurden Drohnen abgefangen; es sei nur geringfügiger Schaden entstanden.
„Es ist ein langer Krieg“, kommentierte Amos Yadlin, Analyst und Ex-Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, am Montag gegenüber Journalist*innen. „Es ist eine weitere Operation in einem langen Feldzug, um die militärischen und nuklearen Fähigkeiten Irans zu reduzieren, ohne dass es zu einem ausgewachsenen Krieg kommt.“
Israel greift immer wieder iranische Ziele an, unter anderem Waffenlieferungen an Irans Verbündete in der Region. Auch am Sonntag wurden in Syrien, nahe der Grenze zum Irak bei Luftangriffen auf einen Lastwagenkonvoi zehn Menschen getötet. Beobachter*innen gingen davon aus, dass es sich um Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah handelte. Das iranische Regime erklärt offen, Israel vernichten zu wollen.
Freude in der Ukraine
Neben dem Irankonflikt wird Blinken bei seinem Besuch den Krieg in der Ukraine ansprechen und versuchen, die Israelis dazu zu bringen, sich stärker zu engagieren. Israel liefert keine Waffen an die Ukraine, um Moskau nicht zu verstimmen. Russland kontrolliert den Luftraum über Syrien und lässt Israel weitgehend frei gegen iranische Aktivitäten agieren. Dass Israel Waffen an Kyjiw liefern wird, gilt daher als unwahrscheinlich.
Es könnte jedoch mit Angriffen in Iran die Lieferung von Raketen und Drohnen an Russland erschweren. Der Angriff in Isfahan wurde in Kyjiw bereits als Schlag gegen Russland gefeiert, woraufhin Iran den ukrainischen Geschäftsträger in Teheran einbestellte. Laut New York Times dagegen standen hinter dem Angriff vor allem Israels eigene Sicherheitsinteressen. Isfahan sei ein Zentrum der Raketenindustrie; unter anderem werde dort die Mittelstreckenrakete Shahab, die Israel treffen kann, hergestellt.
Blinken am Dienstag in Ramallah
Auch die jüngste Eskalation zwischen Israel und palästinensischen Kräften steht auf Blinkens Agenda. „Es ist jedermanns Verantwortung, Schritte zu ergreifen, um Spannungen abzubauen, statt sie zu schüren“, sagte er am Montag nach Ankunft in Israel. Am Dienstag will er in Ramallah auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas treffen, den er überzeugen wollen dürfte, die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel nicht wie angedroht zu beenden.
Zuletzt war die Gewalt eskaliert, nachdem bei einer israelischen Razzia gegen militante Kräfte im besetzen Westjordanland zehn Menschen getötet wurden, darunter Zivilist*innen. In der Folge verübten Palästinenser Anschläge auf Zivilist*innen in Jerusalem. Sieben Menschen wurden getötet. Bei weiteren Vorfällen im Westjordanland versuchten Bewaffnete zwei Angriffe auf Israelis. Am Montag wurde in Hebron ein weiterer Palästinenser getötet. Seit Jahresbeginn wurde im Westjordanland im Schnitt ein Palästinenser pro Tag durch israelische Soldat*innen getötet.
Analyst Yadlin zufolge kommt Blinken mit mehreren „Gelben Karten“ nach Israel. Neben israelischen Plänen für eine umstrittene Justizreform gelte seine Kritik der Reaktion auf die Terroranschläge in Jerusalem. Netanjahu hatte angekündigt, als Strafe den Siedlungsbau im Westjordanland auszuweiten. Blinken fordere zum jetzigen Zeitpunkt zwar keine Wiederaufnahme des Friedensprozesses, so Yadlin, er versuche aber, alles zu verhindern, was die von den USA verfolgte Zweistaatenlösung weiter untergrabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos