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UN-Verhandlungen über SchiedsgerichteGroßer Reformbedarf

Ab Montag geht es in Wien um die Zukunft der Investitionsschutzklagen. Damit können Unternehmen von Staaten Schadenersatz eintreiben.

Das Kernkraftwerk Krümmel an der Elbe Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Berlin taz | Bei den Stopp-TTIP-Protesten haben die Klageprivilegien für Unternehmen Hunderttausende mobilisiert, jetzt wird über eine Reform der Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) verhandelt. Ab Montag tagt in Wien die UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Auf der Tagesordnung steht neben der Reform der Schiedsgerichte auch der Vorschlag, einen internationalen Gerichtshof für Investitionsstreitigkeiten einzurichten.

Konzerne können Staaten vor Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Interessen durch politische Entscheidungen beeinträchtigt sehen. Eines der bekanntesten Verfahren ist das von Vattenfall gegen die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs. Immer wieder werden Staaten etwa von ­Tabakkonzernen und anderen Unternehmen verklagt, wenn sie neue Regeln zum Gesundheits- oder Umweltschutz verabschieden.

Schiedsgerichte sind nach Angaben der EU-Kommission in rund 3.200 geltenden Abkommen verankert. Auch das transatlantische Handelsabkommen zwischen den USA und der EU hätte eine solche Klausel vorgesehen. Beim europäisch-kanadischen Freihandelsvertrag Ceta wurde der Teil zur Schiedsgerichtsbarkeit abgespalten, damit der Rest vorläufig in Kraft treten kann. Ob alle EU-Staaten die Ceta-Schiedsgerichte ratifizieren werden, ist unklar.

KritikerInnen betrachten die möglichen Investorenklagen als Paralleljustiz, die nur Konzernen zur Verfügung steht und nicht Staaten oder Verbrauchern. „Statt die Sonderrechte von großen Konzernen weiter auszuweiten, braucht es endlich verbindliche internationale Regeln zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in globalen Lieferketten“, fordert Lia Polotzek vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Für Samstag rufen der BUND, Attac, das Netzwerk für Gerechten Welthandel und weitere Organisationen zum Aktionstag „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ auf. In Berlin vor dem KanzlerIn­amt, aber auch in Frankfurt, Köln, Hamburg, München und anderen Städten sind Aktionen geplant.

Mehr Transparenz nötig

Befürworter sagen, Schiedsgerichte seien ein wichtiges Instrument, um im Streitfall schnelle Entscheidungen zu erreichen. „Staaten unterwerfen sich diesen Regeln, weil sie Anreize für ausländisches Kapital setzen wollen“, sagt der Marburger Schiedsrechtsexperten und Juristen Reinmar Wolff. Komme es nach einer Investition etwa zu einer staatlichen Enteignung oder Übergriffen, sei es nicht sinnvoll, wenn Unternehmen vor nationale Gerichte ziehen müssten. Davon profitieren nicht nur Konzerne, sagt er. In Turkmenistan etwa hat das Militär die Hühnerfarm eines deutschen Geschäftsmanns geplündert, weil er das Verteidigungsministerium nicht an der Firma beteiligen wollte. Ein Investitionsschiedsgericht sprach dem Mann eine Entschädigung zu.

Das Hauptproblem ist die mangelnde Transparenz

Reinmar Wolff

Auch Wolff sieht Reformbedarf. „Das Hauptproblem ist die mangelnde Transparenz“, sagt er. Das könne relativ leicht gelöst werden, indem Staaten der Mauritiuskonvention beitreten, die klare Transparenzregeln vorsieht. Das haben bislang allerdings erst Gambia, Kamerun, Kanada, Mauritius und die Schweiz getan.

Um Fragen der Transparenz wird es auch gehen, wenn ab Montag in Wien VertreterInnen aus 60 Staaten, die in die UN-Handelskommission gewählt wurden, über die Reform beraten. Die EU schlägt die Einrichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs mit einer Berufungsinstanz vor. Dieser könne „von allen interessierten Ländern in Anspruch genommen werden und würde in Streitigkeiten im Zusammenhang mit künftigen und bestehenden Investitionsabkommen entscheiden“, teilt die EU mit.

Langwierige Verhandlungen

Schiedsrechtsexperte Wolff geht davon aus, dass durch einen Gerichtshof Verfahren sehr aufwändig würden. „Denn damit würden drei Instanzen entstehen – die Entscheidung, die Berufung und möglicherweise die Rücküberweisung an die erste Instanz“, sagt er. Heute fällen die Investitionsschiedsgerichte eine einzige Entscheidung – und die ist verbindlich.

Gegen den Vorschlag der EU sind unter anderem die USA, Russland und Japan. Sie wollen mehr Gestaltungsmöglichkeiten für einzelne Staaten. Gleichzeitig stellt etwa Südafrika Klagemöglichkeiten von Investoren an sich infrage und plädiert für eine sozialökologische Reform der zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen. Die Verhandlungen werden lange dauern. „Die UNCITRAL ist sehr konsensorientiert“, sagt Jurist Wolff. „Bislang hat es nur eine Handvoll Entscheidungen ohne 100 Prozent Zustimmung gegeben.“

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5 Kommentare

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  • Vor dem Geld und dem vermeintlichen Ansehen der Konzerne knickt doch die Bundesregierung immer wieder ein! So hat sie es in der Vergangenheit gemacht und es ist zu vermuten, dass es wieder so kommen wird.

  • Wie einfallsreich Globalplayer sind, Staaten gegenüber Investitionen von jedem Risiko freizustellen, bzw. Staaten in 100 % plus X Risikohaftung zu nehmen, während Staaten sich merkwürdig ermittlungs- , klageunwillig zeigen, Anfangsverdächten der Verletzung von Menschenrechten, Klima- , Umwelt- , Verbraucherschutz, Arbeitsrecht, bereits im Wege von Investitionen in solcher Art Geschäftsmodelle nachzugehen, die kreative Rechtsverkürzung anderer zu ihren Gunsten anstreben, realisieren, in Schattenwirtschaft Grauzonen angewiesen bleiben, Renditen zu erwirtschaften.

    Allein um in Deutschland mit Blick auf das Investititonsschutzklagerecht Waffengleichheit zwischen Staat und Unternehmen herzustellen, geht kein Weg daran vorbei, endlich ein Unternehmensstrafrecht mit Durchgriffsrecht auf Muttergesellschaften, Holdings einzuführen, wie es in den USA, Kanada, England längst besteht. Also nix wie ran, meine Petition für ein Unternehmensstrafrecht unterzeichnen

    weact.campact.de/p...just_launched=true

  • Zitat: „Auf der Tagesordnung steht neben der Reform der Schiedsgerichte auch der Vorschlag, einen internationalen Gerichtshof für Investitionsstreitigkeiten einzurichten.“

    Na super! Das wäre dann vermutlich nicht mehr und nicht weniger als offizielle der Anfang vom Ende des Rechtsstaats im herkömmlichen Sinne.

    Eine Parallel-Gerichtsbarkeit, die nur für die jeweils Großen jeder Branche zuständig ist und keine Strafen verhängen darf, sondern auf Teufel-komm-raus einen Konsens finden muss, wenn sie ihr Dasein rechtfertigen will, dürfte der feuchte Traum eines jedes eitlen Karrieristen sein. Die Hoffnung, irgendwann weit über bzw. neben dem Recht zu stehen, das für den Normalsterblichen gilt, dürfte alle einen, die an dieser „Reform“ beteiligt sind. Dass diese Leute sich nicht mehr kritisieren und erst recht nicht korrigieren lassen brauchen, lässt mich nichts Gutes ahnen.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    Leider sind allein diese Diskussionen ein Baustein des Zerfalles jedweder Globalen Einigungen und Universellen Notwendigkeiten.

    Im Kapitalismus trägt jeder Dummy seine Risiken, Fehler und Verantwortung selbst.

    Steht in jedem Lehrbuch allerorts Global.

    Wenn Konzerne, Banken, Finanzen und Regierungen von Invest reden. Müssten sie zuvor erst einmal nachvollziehbar erklären wo das Geld Kapital dieser Invest herkam? Kundengelder-Rücklagen? Kredite-Aktien langfristig? Kredite-Fremdkapital ( Dabei Stammkapital Echtes Vermögen? Oder Fake (F)ermögen?

    Und wie für alle gültig.

    Einnahmen-Ausgaben=Gewinne (Minus Steuern im Umsatzland)

    Ciao Bella

    Ich mache auch ein Schiedsgericht. Ausserhalb bestehtenden und nicht angewandter Gesetze.

    Eben. Tiere.

    Müssten sie

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @07400 (Profil gelöscht):

      Was haben denn ihre Aussagen mit dem Handeln von Staaten zu tun, so dass sich (einzelne) Menschen nicht mehr hierauf verlassen können?