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Polen startet GrenzkontrollenTusk will es den Rechten recht machen

Mit ihren Grenzkontrollen knickt die Mitte-links-Koalition in Polen vor der PiS ein – und dem Druck rassistischer selbsternannter Grenzschützer.

Der Verkehr läuft langsam aber stetig: Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt/Oder am 7.7 2025 Foto: Patrick Pleul/dpa

Warschau taz | „Haben Sie so etwas wie Ehre im Leib?“, fragt der polnische Nationalist Robert Bąkiewicz einen polnischen Grenzschützer, reckt seinen Stiernacken und geht provokativ ein paar Schritte auf den Uniformierten zu. Der guckt ihn nur unbewegt, aber doch leicht angeödet an. Als ein weiteres Mitglied der Bąkiewicz-Bürgerwehr „Bewegung zur Verteidigung der Grenze“ von einer Polin in ruhigem Ton gebeten wird, nicht so rumzukrakeelen, blökt der sie nur laut und ordinär an: „Hure, Hure!“ Ihr Einwand: „Bitte, mein Herr. Ich bin doch eine Polin“, wirkt dann allerdings ebenfalls wie aus dem Lehrbuch der rechtsextremen Ausländerhasser.

Die Bürgerwehr hat sich die Jagd auf „illegale Migranten“ auf die Fahne geschrieben, welche angeblich von den Deutschen zu Tausenden mit Bussen über die Grenze nach Polen gebracht würden. Polens Mitte-links-Koalition unter Donald Tusk sah sich wohl nicht mehr in der Lage, dem öffentlichen Druck beim Thema Grenzsicherung standzuhalten, zumal sich den Rechtsextremen auch die größte Oppositionspartei, die rechtspopulistische Recht und Gerechtigkeit (PiS), anschloss und in einer groß orchestrierten Propagandaaktion vor der „Migranten-Invasion“ aus Deutschland warnte.

Einen Monat lang sollen deswegen nun polnische Grenzschützer wieder an der Westgrenze Polens Dienst tun. Tusk behielt sich vor, die „zeitlich beschränkte“ Kontrolle zu verlängern, sollte das notwendig sein.

Immerhin: Staus gibt es am Montagmorgen an den rund 50 deutsch-polnischen Grenzübergängen kaum. Der Verkehr läuft langsam, doch stetig. Seit Mitternacht wird die Grenze wieder auf beiden Seiten kontrolliert. Rund zwei Jahre lang hatte Polens liberalkonservativer Premier Donald Tusk die deutsche Regierung immer wieder gebeten, ihre „verschärfte Migrationspolitik“ und die damit verbundenen Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raumes aufzugeben. Zum einen sei das mit geltendem EU-Recht unvereinbar, zum anderen werde es einen Domino-Effekt auslösen, da dann die Nachbarländer ebenfalls Kontrollen einführen würden.

Tusk: „Ich habe den Kanzler gewarnt“

In Berlin zeigte man keinerlei Verständnis für die polnische Argumentation. Kanzler Friedrich Merz (CDU), aber auch Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) behaupteten in Deutschland, alles mit den Polen abgesprochen zu haben, in Warschau dagegen sagte Premier Donald Tusk: „Ich habe den Kanzler immer wieder gewarnt!“ Letztlich verwirklichen nun beide Politiker die Forderungen der AfD in Deutschland und der PiS in Polen.

Als die PiS noch regierte, vergab sie hunderttausende Arbeits- und Studienvisa an Nicht-EU-Bürger

PiS-Fraktionschef Mariusz Blaszczak erklärte unlängst mit breitem Grinsen, dass die PiS ein Gesetzesprojekt in den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, eingebracht habe, das es der polnischen Regierung ermöglichen würde, Bürgern der Nahoststaaten wie auch Nordafrikas per einfacher Verordnung die Einreise zu verweigern. Als einige in der Partei anmerkten, dass das doch reichlich rassistisch klinge, wurden der Nahe Osten und Nordafrika ersetzt durch „Drittstaaten“. So steht es nun auch im Gesetzesprojekt.

Als die PiS noch selbst regierte, vergab sie hunderttausende Arbeits-, Studien- und Touristenvisa an Bürger aus Nicht-EU-Staaten und stellte damit innerhalb der EU einen Rekord auf. In manchen Ländern Afrikas wurden die polnischen Visa sogar auf Basaren gegen harte Währung verkauft. Viele dieser Migranten sind dann über Polen in die EU eingereist und weiter in die USA und andere Staaten. Läuft die Visumsfrist ab, müssen die Ausländer entweder das Visum verlängern oder ausreisen. Tun sie dies nicht, sind sie ab Visumsablauf illegal im Land. Dies dürfte mittlerweile mehrheitlich für die PiS-Visa-Migranten gelten.

Dass die PiS darüber nicht sprechen möchte, ist klar. Doch die Tusk-Regierung könnte eigentlich laut darauf hinweisen, dass die PiS heute vor allem gegen Migranten vorgeht, die sie selbst 2015 bis 2023 mit einem Visum nach Europa geholt hat.

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1 Kommentar

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  • "Tusk will es den Rechten recht machen"



    Tusk - Dobrindt



    Dobrindt - Tusk



    Same old shit on both silk sides.