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Turntrainer Béla Károlyi ist totSchweigen über den Schinder

Der US-Turnverband listet in Gedenken an Béla Károlyi nur Erfolge und seinen Platz in der Hall of Fame auf. Unrühmliches wird nicht angesprochen.

Hauptsache Gold: Béla Károlyi trägt die sich aufopfernde Kerri Strug bei der Siegerehrung Foto: Paul J.. Sutton/ap

S chmucklos und ohne die übliche Ehrerbietung hat der US-Turnverband die Nachricht vom Tod einer seiner größten Medaillenschmiede verbreitet. Béla Károlyi, teilte USA Gymnastics am Wochenende mit, sei am Freitag im Alter von 82 Jahren gestorben. Seine Erfolgszahlen aus seinem Heimatland Rumänien und den USA sind aufgeführt: 9 Olympiasieger, 15 Weltmeister, 12 EM-Medaillengewinner.

Die rumänische Wunderturnerin Nadia Comaneci ist erwähnt, die unter den Fittichen von Béla Károlyi und seiner Frau Marta Weltruhm erlangte. Von deren Flucht 1981 von Rumänien in die USA wird berichtet, nach welcher das Ehepaar etliche US-Turnerinnen in die Weltspitze brachte und diesen damit einen Platz in der USA Gymnastics Hall of Fame ermöglichte. In dieser Ruhmeshalle, heißt es, seien Béla und Marta Károlyi im Jahr 2000 aufgenommen worden.

Die nüchterne Aufzählung eingefahrener Erfolge kann jedoch das dröhnende Schweigen über das Unrühmliche nicht übertönen. Der Respekt vor dem Toten, würde vermutlich der Verband argumentieren, würde dies zu dem Zeitpunkt so gebieten. Der Respekt vor den Lebenden, den Betroffenen des brutalen osteuropäischen Drillsystems der Károlyis, fehlt allerdings bis heute. Dass das Trainerpaar bis heute einen Ehrenplatz in der Gymnastics Hall of Fame hat, spricht Bände.

Das System physischer und psychischer Gewalt, das die Károlyis in völliger Abgeschiedenheit 110 Kilometer nördlich von Houston aufbauten, wo die besten US-Turnerinnen für den Erfolg geradezu geknechtet wurden, geriet nur aufgrund eines anderen exzessiven Verbrechens im Jahr 2016 in den Blickpunkt einer größeren Öffentlichkeit. Der dort arbeitende Sportarzt Larry Nasser missbrauchte über 250 Mädchen und Frauen. Die Geschichten, die nach und nach bekannt wurden, fügten sich zu einer entsetzlichen, schier endlosen Serie sexueller Gewalt. Nasser wurde zu 40 bis 175 Jahren Haft verurteilt.

Inszenierung als Opfer

Der für seine Kontrollsucht berüchtigte Béla Károlyi beteuerte damals in einem NBC-Interview, von nichts gewusst zu haben, und inszenierte sich selbst als Opfer: „Dieser miserable Mann hat alles zerstört, wofür ich gearbeitet habe – meine Einrichtungen, meine Träume … und auch meine Gesundheit.“ Dabei hätte die Aufarbeitung der Verbrechen von Nasser es eigentlich erfordert, deren begünstigende Strukturen in den Blick zu nehmen.

Berichte der Betroffenen dokumentieren, dass Nasser vom repressiven Regime der Károlyis profitierte, mit Trost, Verständnis und Schokolade die Turnerinnen erst einmal für sich gewann. Im Zuge der Ermittlungen gegen Nasser wurde von einer Turnerin auch Klage gegen das Ehepaar Károlyi eingereicht – jedoch ohne Erfolg. Sexuelle Gewalt blieb das alles überschattende Thema. Die physische und psychische Gewalt, die dieser den Weg geebnet hatte, bleibt bis heute unterbelichtet.

Dominique Moceanu, Goldmedailleingewinnerin in Atlanta 1996, berichtete im Jahr 2008 von körperlichen Belastungen im Training, die zu Verletzungen an Beinen, Handgelenken und Schultern geführt hätten. Trudi Kollar, die unter dem Namen Emelia Eberle als Mitglied des rumänischen Turnteams 1980 eine Silbermedaille gewann, erzählte ebenfalls 2008 von brutalen körperlichen Züchtigungen. „Niemand ist perfekt, also haben wir offensichtlich Fehler gemacht. Und wir haben von Béla überall Schläge auf alle unsere Körperteile bekommen. (…) Ich hatte Eiter hinter den Ohren, aber das schien niemanden zu interessieren.“ Berüchtigt war Béla Károlyi auch wegen seiner Demütigungen. Turnerinnen wurden vor dem versammelten Team als „fett“ und „dumm“ beschimpft.

Bei den Olympischen Spielen 1996 nötigte er hörbar („You can do it“) die frisch am Knöchel verletzte Kerri Strug zu einem letzten Sprung, nach dem sie nicht mehr laufen konnte, und trug sie dann zur Siegerehrung und Goldmedaille. Auch dieser Erfolg half wohl dabei, dass er vier Jahre später in die Ruhmeshalle aufgenommen wurde.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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