Türkischer Einmarsch in Nordsyrien: Schlüsselstadt Manbidsch

Die türkischen Truppen in Nordsyrien rücken auf die Stadt Manbidsch vor. Da aber stehen neben der kurdischen YPG auch syrische Regierungstruppen.

Soldaten marschieren auf einem Stoppelfeld

Türkische Soldaten auf dem Vormarsch nach Manbidsch Foto: Ugur Can/ap

ISTANBUL taz | „Wir marschieren nach Manbidsch!“ „Unsere nächste Aufgabe ist Manbidsch!“ Die Schlagzeilen der türkischen Tageszeitungen von Dienstag lassen keinen Zweifel, was auf dem syrischen Kriegsschauplatz bevorsteht. Auf Befehl von Präsident Recep Tayyip Erdoğan bereitet sich die türkische Armee auf die Eroberung der Stadt Manbidsch vor. Das Problem: Dort sitzt nicht nur die kurdische YPG-Miliz, sondern seit Montagnacht auch Truppen des syrischen Diktators Assad.

Am Sonntag war es überraschend zu einer Vereinbarung zwischen den syrischen Kurden und dem Assad-Regime gekommen. Die Kurden baten die Regierungstruppen, nach Nordsyrien zurückzukehren, um gemeinsam „die türkische Aggression“ abzuwehren. Jetzt rücken an verschiedenen Stellen der Front syrische Regimetruppen ein. Besonders eilig hatten sie es offenbar in Manbidsch. Kaum war der letzte US-Soldat abgezogen, übergaben die YPG-Milizen nach Angaben aus Damaskus die Stadt bereits an Regierungstruppen.

Kein Wunder, denn Manbidsch hat sowohl für Erdoğan als auch für Assad eine strategische Schlüsselstellung. Mehr als drei Jahre lang bildete das überwiegend arabisch besiedelte Manbidsch für die kurdischen YPG-Milizen einen Brückenkopf westlich vom Euphrat, von wo sie weiter bis zum westlichen kurdischen Kanton Afrin vorstoßen wollten.

Vergeblich hatte Erdoğan deshalb die USA aufgefordert, die YPG aus Manbidsch zurückzuziehen. Als die Türkei im August 2016 mit der Operation „Schild des Euphrat“ zum ersten Mal in Syrien einmarschierte, war das Ziel eigentlich schon Manbidsch. Doch die Präsenz der US-Truppen führte dazu, dass Erdoğan seine Soldaten 20 Kilometer vor der Stadt stoppen ließ. Stattdessen besetzte dann die türkische Armee im Januar 2018 auch den kurdischen Kanton Afrin.

Putin in ständiger Verbindung mit Erdogan

Jetzt haben die syrischen Truppen vor Erdoğan das Vakuum gefüllt, das die USA in Manbidsch hinterlassen haben. Dennoch bereitet sich die türkische Armee auf einen Angriff auf die Stadt vor. Ihre syrischen Hilfstruppen sind in den Vororten bereits in Gefechte mit den Kurden verwickelt. Das türkische TV zeigt Bilder, wie türkische Infanterie im Schutz von Panzern von Dscherablus aus auf Manbidsch vorrückt. Auch Kettenfahrzeuge mit schwerem Gerät sind auf dem Weg.

Ganz offensichtlich will Erdoğan noch Fakten schaffen, bevor es zu Verhandlungen kommt. Denn die Forderungen nach einem Waffenstillstand werden immer lauter, und US-Präsident Donald Trump hat nicht nur n der Nacht von Montag auf Dienstag Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Er will auch seinen Vize-Präsidenten Mike Pence nach Ankara schicken, um Erdoğan zu stoppen.

Bis jetzt ist nicht absehbar, ob Assad seine geschwächten Truppen wirklich gegen die Türken kämpfen lassen will oder darauf wartet, dass sich Russlands Präsident Putin als Verbündeter in die Kämpfe einschaltet. Nach russischen Berichten steht Putin in ständiger Verbindung mit Erdoğan, und auch russische und türkische Militärs würden untereinander Kontakt halten. Zwischen Putin und Erdoğan werden nun hinter den Kulissen die Einflusssphären in Nordsyrien aufgeteilt.

Erdoğan hat am Dienstag behauptet, die türkische Armee hätte in Syrien bereits eine 1.000 Quadratkilometer große Zone von „Terroristen“ befreit. Jetzt will er verhindern, dass die Kurden westlich des Euphrats noch etwas zu sagen haben. In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob Putin dem zustimmt.

Während ganz im Westen der Front die Schlacht um Manbidsch vorbereitet wird, ist es den Kurden gelungen, ganz im Osten die Stadt Ras al-Ain, die bereits von türkischen Truppen besetzt war, wieder zurückzuerobern.

Mittlerweile hat die kurdische Nachrichtenagentur Rudaw auch Einzelheiten über das Abkommen mit Assad veröffentlicht. Danach soll die kurdische Selbstverwaltung im Prinzip nicht angetastet werden, die Regierungstruppen aber die Kontrolle der Grenze zur Türkei übernehmen. Außerdem sollen Regimetruppen auch in der kurdischen Hochburg Kobane wieder die Kontrolle übernehmen. Die Stadt steht ebenfalls noch auf Erdoğans Wunschzettel.

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