Türkische Außenpolitik: Gefällige Vermittlerrolle
Vor der türkischen Wahl im kommenden Juni setzt Recep Tayyip Erdoğan vor allem auf Deeskalation. Damit will er bei der Bevölkerung punkten.
Erdoğan wiederum wird nicht müde zu betonen, dass dieser Konflikt durch Diplomatie gelöst werden muss. Zwar betonte sein Außenminister vor zwei Tagen noch einmal, dass auch die Türkei erwarte, dass sich Russland aus den besetzten Gebieten in der Ukraine zurückzieht, doch zunächst will Erdoğan einen Waffenstillstand erreichen. Erdoğan hat sich den westlichen Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen und ist deshalb sowohl für Russland wie für die Ukraine ein akzeptabler Gesprächspartner.
Den meisten TürkInnen gefällt das, als international gefragter Gesprächspartner kann er auch innenpolitisch wieder punkten. Dass durch seine Haltung zu Russland die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern florieren und die Türkei nach wie vor billiges Gas und Öl aus Russland bekommt, tut seiner Popularität natürlich auch keinen Abbruch. Insgesamt setzt Erdoğan im Vorfeld der Wahlen mit einer Ausnahme auf Deeskalation. Im Kaukasus will er, nachdem die Türkei Aserbaidschan im Krieg gegen Armenien unterstützt hatte, jetzt helfen, einen Frieden zu vermitteln.
Am Rande des erweiterten EU-Treffens in Prag traf er sich nicht nur mit seinem Partner Ilham Alijew, sondern auch mit dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan. In Israel hat die Türkei in dieser Woche nach einer jahrelangen Eiszeit wieder einen Botschafter eingesetzt, und auch im kriegsgeplagten Syrien könnte es demnächst zu einem Treffen mit Diktator Baschar al-Assad kommen. Zwar greift die türkische Armee seit Wochen fast jeden Tag in Nordsyrien Führer der kurdischen YPG-Miliz mit Drohnen an, doch der zunächst angekündigte große militärische Einmarsch ist auf Druck aus den USA, Russlands und der EU wohl vom Tisch.
Konflikt mit Griechenland
Als letzter Konfliktpunkt in der unmittelbaren Nachbarschaft bleibt Griechenland. Gegenüber Griechenland und den griechischen Zyprioten setzt Erdoğan auf Eskalation statt Diplomatie. Im Streit um die Hoheits- und Schürfrechte in der Ägäis drohte Erdoğan zuletzt ziemlich unverhohlen mit einem Angriff auf die griechischen Inseln vor der türkischen Küste.
Vielleicht nur, um den Nationalisten in der Türkei vor den Wahlen zu zeigen, dass er nach wie vor den starken Mann markieren kann, vielleicht aber auch, um tatsächlich einen Coup zu landen. An der Grenze zu Griechenland vertieft sich in diesen Wochen nicht nur der Konflikt zwischen den beiden Nachbarn, sondern es zeichnet sich auch ein immer tieferer Graben zwischen der Türkei und dem Westen insgesamt ab.
Die EU setzt im Streit zwischen den beiden Ländern mittlerweile auf ihr Mitgliedsland Griechenland und fällt deshalb als Vermittler aus. Das hatte jahrzehntelang die Nato-Vormacht USA getan, aber unter Präsident Joe Biden setzen jetzt auch die USA ganz auf Griechenland. Athen wird von Washington hochgerüstet, und die US-Armee baut in Griechenland Stützpunkte aus oder legt noch neue an.
Das führt nicht nur zu den Konflikten in der Ägäis, sondern heizt auch neue Spannungen auf Zypern an. So wie die griechische Regierung Truppen auf die Ägäis-Inseln verlegt, wird in der Türkei diskutiert, mehr Truppen in Nordzypern zu stationieren. Eins ist sicher: Ein Zwischenfall mit Griechenland würde Erdoğan bei den Wahlen mehr nützen als schaden.
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