Türkei gegen Nato-Beitritte: Signal an Putin
Erdoğan äußert große Bedenken gegen einen Nato-Beitritt von Finnland und Schweden. Dahinter steckt vor allem taktisches Kalkül.
D er türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versteht es, sich Freunde zu machen. Entsetzen bis hin zu nackter Wut soll bei einigen Nato-Mitgliedern geherrscht haben, als Erdoğan am Freitag plötzlich erklärte, er habe große Bedenken gegen einen Nato-Beitritt der beiden skandinavischen Länder Finnland und Schweden.
Dabei dürfte es in der Sache eher um Schweden als um Finnland gehen. Tatsächlich war Schweden in der Vergangenheit, als das Land noch eine liberale Flüchtlingspolitik hatte, ein bevorzugtes Exilland für verfolgte Kader der kurdischen PKK-Guerilla. Sicher auch, weil weite Teile der schwedischen Gesellschaft mit dem kurdischen „Befreiungskampf“ sympathisierten, zumindest bis 1998 der Verdacht aufkam, die PKK könnte in den Mord an Olof Palme verwickelt gewesen sein. Für Finnland trifft das in einem wesentlich geringeren Umfang zu, der türkische Protest ist deshalb eher prophylaktisch eingelegt worden.
Dass Erdoğan wirklich befürchtet, eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Nordländer könnte die Türkei in ihrer Minderheitenpolitik unter Druck setzen, ist wenig wahrscheinlich. Aber als gewiefter Taktiker, der keine Scheu davor hat, als Spielverderber aufzutreten, kann der türkische Präsident vom Beitrittswunsch der beiden Länder, der von allen Nato-Mitgliedern ratifiziert werden müsste, womöglich profitieren. Sowohl er persönlich als auch sein Außenminister und sein außenpolitischer Chefberater haben durchblicken lassen, dass die Türkei für Gespräche, sprich Angebote, offen ist.
Das könnte bei der Auslieferung führender PKK-Kader anfangen und bei der Rückkehr der Türkei in das Programm der Kampfflieger F-35 weitergehen, aus dem die USA die Türkei ausgeschlossen hatten, nachdem diese bei Putin Flugabwehrraketen gekauft hatten. Erdoğan kann sich da sicher eine Menge vorstellen, schließlich fühlt die Türkei sich in der Nato schon länger diskriminiert. Da alle anderen unbedingt den Beitritt der Nordländer wollen, hat Erdoğan eine gute Verhandlungsposition. Außerdem sendet er damit ein Signal an Putin, das dieser sicher zu würdigen weiß.
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