Türkei Während die Armee ihre Stellungen in Syrien konsolidiert, kommt es in der Türkei zu Anschlägen: Krieg ohne Grenzen
aus Istanbul Jürgen Gottschlich
Bei einem Selbstmordanschlag vor einem türkischen Polizeihauptquartier in der überwiegend kurdisch bewohnten Stadt Cizre im Südosten der Türkei gab es am Freitagmorgen mindestens 11 Tote und 80 zum Teil schwer verletzte Polizisten.
Die kurdische Guerilla PKK bekannte sich zu dem Anschlag. Cizre ist die kurdische Stadt, die im letzten Herbst und im Frühjahr dieses Jahres vom „Städtekampf“ am schlimmsten betroffen war. Monatelang hatten sich kurdische Jugendliche und PKK-Kämpfer in der Stadt mit Polizei und Armee heftige Kämpfe geliefert, die Hälfte von Cizre ist seitdem zerstört.
Am Donnerstagnachmittag hatte es in der Provinz Artin am Schwarzen Meer im Nordosten der Türkei einen Anschlag auf den Konvoi des Vorsitzenden der sozialdemokratisch-kemalistischen Oppositionspartei CHP gegeben. Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu blieb unverletzt, aber einer seiner Sicherheitsleute wurde getötet. Auch für diesen Anschlag machte Innenminister Efkan Alan anschließend die PKK oder eine mit der PKK verbündete linke Splittergruppe verantwortlich.
Wie die türkische Regierung selbst sagt und wie die PKK durch eine Stellungnahme, in der sie den türkischen Einmarsch in Syrien als Angriff auf alle Kurden brandmarkte, indirekt bestätigte, sind Anschläge in der Türkei von den Kämpfen in Syrien nicht zu trennen. Der türkische Vormarsch auf die syrisch-kurdische DYP/YPG wird deshalb wohl weitere Anschläge in der Türkei nach sich ziehen.
Die türkische Armee hat die Anzahl ihrer Soldaten in Syrien mittlerweile auf einige Hundert erhöht. Nach Informationen der Zeitung Hürriyet könnten es bis zu 15.000 werden. Die Offensive werde so lange weitergehen, bis vom Nachbarland keine terroristische Bedrohung mehr ausgehe und die Grenzregion von Terrororganisationen gesäubert sei, sagte Ministerpräsident Binali Yıldırım am Freitag.
Und anders als zunächst gehofft, ist es mittlerweile doch zu Kämpfen der türkischen Armee mit der YPG gekommen, weil sich etliche kurdische Kämpfer noch nicht aus der syrischen Stadt Manbidsch zurückgezogen haben. Die Türkei hat Stellungen der YPG rund um Manbidsch aus der Luft und mit Artillerie angegriffen. Aus türkischer Sicht befindet sich Manbidsch, weil es westlich vom Euphrat liegt, außerhalb des Gebiets, das man der YPG zugesteht. Aus US-Militärkreisen hieß es, die noch in Manbidsch befindlichen syrisch-kurdischen Kämpfer seien nur noch die Nachhut und zögen sich nach Osten über den Euphrat zurück. Unterdessen rücken Einheiten der gemäßigten FSA (Freie Syrische Armee) als Verbündete der Türkei weiter in Richtung Manbidsch vor.
Rebellen geben Stadt auf
Nach vier Jahren Belagerung durch syrische Regierungstruppen haben die ersten Zivilisten den Ort Daraja am südlichen Rand der Hauptstadt Damaskus verlassen. Busse brachten zunächst Frauen und Kinder in Auffanglager. Insgesamt sollen rund 5.000 Menschen Daraja verlassen; die Stadt wird danach der Armee übergeben. Daraja wird seit 2012 von der syrischen Armee belagert und bombardiert, 8.000 Menschen sind eingekesselt. Im Juni hatte erstmals nach knapp vier Jahren ein Hilfskonvoi mit Nahrungsmitteln den Ort erreicht. (dpa)
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