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Trumps letzte Tage im AmtDer Putschversuch ist nicht vorbei

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Nach vier Jahren Hetze ist die Büchse der Pandora geöffnet. Die Leichtigkeit, mit der das Kapitol erstürmt werden konnte, hat die Putschisten ermutigt.

Die Leichtigkeit, mit der die Rechtsextremen ins Kapitol eindringen konnten, hat sie ermutigt Foto: Mike Theiler/reuters

D er US-Präsident Donald Trump könnte zurücktreten – sollte er darin einen Vorteil für sich erkennen. Er könnte wegen seiner offensichtlichen Untauglichkeit für das Amt abgesetzt werden – sollten Vizepräsident Mike Pence und andere verbleibende Regierungsmitglieder doch noch zu dieser späten Einsicht kommen und entsprechend handeln. Er könnte zum zweiten Mal vom Repräsentantenhaus angeklagt – impeached – werden. Oder er könnte irgendwo im Weißen Haus – ohne Telefon, Internet und andere Kommunikationsmöglichkeiten – eingesperrt werden.

Jede einzelne dieser Möglichkeiten wäre besser als Abwarten, Zittern und Hoffen. Aber keine einzige dieser Maßnahmen und nicht einmal alle zusammen können grundsätzlich etwas daran ändern, dass die verbleibenden neun Tage bis zur geplanten Amtsübergabe an den gewählten Präsidenten Joe Biden eine Zeit maximaler Risiken bleiben. In Gefahr sind einzelne Personen wie die beiden frisch gewählten demokratischen Senatoren aus Georgia ebenso wie die verfassungsmäßige Ordnung in den USA in Gestalt der Inauguration am 20. Januar und der Frieden in der Welt. Denn zum Beispiel im Iran lancieren die USA derzeit eine Provokation nach der anderen.

Nach vier Jahren tagtäglicher Lügen, Hetze, Aushöhlungen des Rechtsstaats, Lobliedern auf die „schweigende Mehrheit“ und nach unzähligen kleinen und großen Machtproben auf den Straßen an den verschiedensten Orten der USA ist die Büchse der Pandora jetzt weit geöffnet. Der 6. Januar – an dem gleichzeitig ein Sturm auf den US-Kongress sowie auf andere gewählte Institutionen in den Bundesstaaten der USA stattfand – hat gezeigt, wie selbstbewusst die putschistischen Kräfte in den USA geworden sind. Die Leichtigkeit, mit der sie ihre illegalen Aktionen durchführen konnten, hat sie zu mehr ermutigt und ermuntert. Das achselzuckend signalisierte Verständnis in weiten Teilen der amerikanischen Bevölkerung hat ihnen zusätzlich den Rücken gestärkt.

Die Stürmer vom 6. Januar waren nicht naiv. Und sie sind nicht in etwas hineingeschlittert oder hineingeschickt worden, das sie nicht überblicken konnten. Sie waren vorbereitet und sie brachten ihre Symbole mit. Sie trugen die Kreuze und Jesus-Zeichen der evangelikalen Fundamentalisten und die Konföderiertenfahnen des vor 156 Jahren abgeschafften Sklavenhalterregimes in den US-Kongress. Und sie wussten, dass sie im Inneren seiner beiden Kammern Dutzende von politischen Unterstützern haben.

Der Putschversuch in den USA ist keine in der Vergangenheit abgeschlossene Sache. Er ist ein laufender Prozess. Der Ausgang ist offen.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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16 Kommentare

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  • diese phänome und auswüchse ...

    hat der amerikanische medienforscher neil postman bereits in seinem buch : wir amüsieren uns zu tode beschrieben.



    1985 !

  • Nicht "nach". "Mit".

    Die aktive Infragestellung und letztlich Überwindung (selbst wenn sie nur ein paar Stunden dauerte) der gegebenen politischen Strukturen war kein zufälliger Kollateralschaden dieser Hetze, sondern ihr erstes und primäres Ziel.

  • dazu passt auch, dass über die Verräter in den eigenen Reihen der "Sicherheitskräfte" kaum ein Wort verloren wird. Also die "Sicherheitskräfte", die sich mit den Angreifern verbrüdert haben oder sie nicht bis auf den Tod bekämpft haben. Und in den Medien klar erkennbar mit ihnenposieren. Denn bis zum äussersten zu gehen haben sie wohl zu tun, wenn sie die oberste Volksvertretung bewachen (egal wo man diese politisch verortet) . 5 Tote Angreifer? Haben die keinen Kampfhubschrauber startbereit gehabt?



    Aber wenigstens müssten die bekannten Verräter der Sicherheitskräfte schon heute im Gefängnis sitzen mit Aussicht auf heftigste Strafen wegen Wachvergehen (und da verstehen die meisten Sicherheitskräfte keinen Spass).

  • Zitat: „Der Putschversuch in den USA ist keine in der Vergangenheit abgeschlossene Sache. Er ist ein laufender Prozess. Der Ausgang ist offen.“

    Diesen Satz kann ich guten Gewissens unterschreiben. Nicht einverstanden bin ich nur mit der Behauptung, erst nach „vier Jahren“ Trump sei „die Büchse der Pandora [...] weit geöffnet“.

    Ist ja nicht so, dass erst seit Trumps Präsidentschaft gelogen und gehetzt wird in den USA. Wer irgendwo im „Ostblock“ aufgewachsen ist, ist groß geworden mit „tagtägliche[n] Lügen“ und „Hetze“. Und wer in einem der „Hinterhöfe“ der USA zuhause war, wundert sich vermutlich gar nicht, dass Trumps Fans glauben, sie könnten „so etwas“ auch.

    Wo auch immer auf der Welt Menschen eine Regierung gewählt haben, die der US-Administration und/oder dem US-Geheimdienst und/oder großen US-Konzernen nicht ins Konzept gepasst hat, mussten sie damit rechnen, dass diese Regierung weggeputscht wird mit Unterstützung bzw. unter Führung der USA. Jede*r „Wessi“, der bzw. die sich nicht ausschließlich für Supermarkt-Schnäppchen, teure Uhren oder das Liebesleben Adliger interessiert hat, sondern zumindest ansatzweise auch für Außen- und Welt-„Politik“, weiß das. Wobei längst nicht jede*r darin ein Problem gesehen hat bzw. sieht. Schließlich: „Der Westen“ hat gewisse Ansprüche an sich als Führer-... äh, sorry: Führungs-Ideologie.

    Nein, die „Aushöhlungen des Rechtsstaats“ hat nicht erst mit Trump angefangen. Trump war nur einer der ersten, der das „Lobliedern auf die ‚schweigende Mehrheit‘“ gesungen und so den nicht fest im System Eingebundenen gesagt hat, dass sie Amerika „wieder groß“ machen müssen, nicht „das Establishment“.

    Dass die hässlichen kleinen Enten nun wieder zurück in ihre Eier kriechen werden, ist extrem unwahrscheinlich. Genau deswegen werden nicht nur „die verbleibenden neun Tage [...] eine Zeit maximaler Risiken bleiben“, sondern die nächsten Jahrzehnte. Von hier aus sehe ich derzeit keine „Maßnahmen“, die daran etwas ändern könnten.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      in seiner letzten Sendung als "Anarchisten " bezeichnete.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @mowgli:

      Dem kann ich mich nur anschließen!



      Laut der Nachrichten hat Trump in einer Stellungnahme gesagt, nicht er sei schuld an dem" Sturm aufs Kapitol" sondern Antifa und linke Terroristen, die die "Demonstranten " unterwandert und provoziert hätten.



      Das würde sich mit dem decken, was extra3 Moderator Christian Ehring sagte,als er den rechten Mob

    • @mowgli:

      anschließe mich - 9/11 ist eben Chile & -sorry - nicht NY •

      • @Lowandorder:

        Bin dabei. Nicht nur dass 9/11 73 Chile war,



        Sondern off the topic 2004 unser Hochzeitstag

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "Der Putschversuch in den USA ist keine in der Vergangenheit abgeschlossene Sache. Er ist ein laufender Prozess."



    ==



    ""Der Sturm auf dem Kapitol ist das Ergebnis einer neuen Art von vernetzter Verschwörung - ein Gebräu aus Desinformation & Gerüchten verbreitet über Plattformen, die von Politikern und Influencern ermutigt werden. Grundlage und prägend für diese Verschwörung ist der völlige Mangel an Vertrauen in Nachrichten.

    Während diejenigen, die das Kapitol stürmten, aus allen Gesellschaftsschichten zu stammen scheinen, stach eine Fraktion älterer Weißer hervor, unterstützt von einem viralen Bild von Richard Barnett aus Gravette, Arkansas, der an Nancy Pelosis Schreibtisch saß.

    Online werden sie “boomerwaffen” genannt, ein abwertender Name. Sie werden durch Kabelnachrichten und AM-Radio radikalisiert und sie vergleichen ihr Potenzial für rechtsgerichtete Gewalt mit dem von Atomwaffen-Terroristen.

    Sie ahmen Behauptungen ihrer Lieblings - YouTuber und Podcaster nach, beziehen sich auf Verschwörungen von QAnon und glauben, dass der 6. Januar der letzte Tag sei, an dem sie VP Mike Pence und die Republikaner unter Druck setzen könnten, die Wahlergebnisse abzulehnen.

    Die „boomerwaffen” besetzen einen Bereich des Mediensystems, in dem Trump immer noch eine Chance eingeräumt wird, QAnon immer noch Regierungsgeheimnisse preisgibt und Gulinani sich als Anwalt gegen ein korrumpiertes & manipuliertes System ausgibt.

    Trumps Desinformationskampagnen sind ein Medienspektakel, an dem eine beeindruckende Anzahl Aktivisten, Medienexperten, Anwälten und Influencern beteiligt sind, die täglich eine Kaskade von Lügen und Spekulationen über das Internet, Kabelnachrichten und Radio erstellen, veröffentlichen und teilen.""

    zitiert aus www.theguardian.co...e-of-the-trump-era

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Ich genieße Ihre Ergänzungen sehr, und hätte nur noch eins anzumerken:

      Speziell Qanon ist hier ein gutes Beispiel. Denn da kommt nichts "Offizielles" mehr, seit die vollmundigen Verlautbarungen von der Realität überholt wurden (also seit der Wahl). Aber das macht der Fanbrigade nichts aus, die q-en sich jetzt gegenseitig die Tastaturen voll, und machen einen regelrechten Wettbewerb der Absurdität. Wenn man glaubte, "Q" würde da einfach nur Bescheuerte anheizen, dann wird man zur Zeit eines Besseren belehrt: die Bescheurten sind ihre eigenen "Q"s, und es ist NOCH schlimmer als vorher.

  • 6G
    68514 (Profil gelöscht)

    Ja na und? Es haben aber insgesamt mehr Menschen für die Demokraten gestimmt als für die Republikaner. Insofern sollte man nicht alles so heiß essen wie es gekoch wird. Obwohl die allermeisten Republikaner die Politik der letten Jahrehnte mitgetragen haben, wenn oft auch nur stillschweigend, unertützen aber nicht alle die Escapaden von Trump und dessen Anhängern. Leider wagen siich die Kritiker erst jetzt aus der Deckung, warum wohl? Und ja, auch auf der anderen Seite gibt es Mitläufertum, Wobei ich mal die steile These wage, daß das Mitläufertum auf konservativer Seite stärker ausgeprägt ist. Die andere Seite ist dafür zerstrittener und somit mitunter weniger durchsetzungsfähig. Das ist jedenfalls mein subjektiver Eindruck.

    • @68514 (Profil gelöscht):

      ein grosser teil derer die für Joe Biden gestimmt haben haben das nur getan weil sie Donald Trump loswerden wollten .für die politik des ersteren gibt es keine mehrheit.man könnte das mit der situation in frankreich vergleichen-wo Emmanuel Macron die präsidentschaftswahlen auch nur gewann weil die alternative Marine le Pen war

      • 6G
        68514 (Profil gelöscht)
        @satgurupseudologos:

        Ja, ich hätte schreiben sollen, dass deutlich mehr Menschen Biden statt Trump gewählt haben. Und da der Präsident direkt gewählt wird, hat man sich nicht zwangsläufigerweise für eine Partei entschieden. Deswegegen sieht es bei der Sitzverteilung im Repräsentantenhaus und Senat ja auch anders aus. Hier hat Biden nach der Stichwahl in Georgia aber wohl nun die knappest denkbare Mehrheit, um einige Vorhaben durchzubringen. Aber einiges ist ja schon bewegt worden, und wenn es erst mal nur Gesichter auf verschiedenen Posten sind, die wahrgenommen werden und mit einem republikanischen Präsidenten so wohl nie in Erscheinung getreten wären. Als Beispiele sein genannt die erste schwarze Vizepräsidentin oder die erste indigene Ministerin. Wie diese beiden ihr Amt dann ausfüllen, werden wir ja sehen, es bleibt spannend.

    • @68514 (Profil gelöscht):

      Das stimmt wohl - nur ist die "Zerstrittenheit" der Linken/Progressiven das letzte Refugium des (faktenbasierten, bedachten, wohlinformierten) demokratischen Diskurses - nicht in jeder einzelnen Irrung und Wendung, aber doch als Ganzes. Diese Sorte Streit ist unverzichtbar und unbedingt zu verteidigen in einer Zeit, in der sie immer stärker zurückgedrängt wird, um sie komplett zu ersetzen durch eine liberalistische Mogelpackung, in der schwarz äquivalent zu weiß ist, Antifaschismus und Faschismus dasselbe, Freiheit synonym ist mit Willkür, Tatsachen nichts und Rhetorikseminare alles zählen, und derjenige "recht hat", der irgendeine "freie Meinung" - und sei sie auch noch so offensichtlicher Bullshit - mit der größten Vehemenz und Penetranz am reichweitensträksten in die Welt posaunt - manchesterliberale Produktkonkurrenz und Freihändel auf dem jedem Scharlatan, Hochstapler und Betrüger uneingeschränkt zugänglichen Meinungsmarkt, statt demokratischer Debatte mit fach- und sachkundiger Evidenzabwägung.

      Linke werden immer zerstritten bleiben. Müssen es. Es ist das einzige Korrektiv, das verhindert, von Privatideologien Einzelner in eine Sackgasse getrieben zu werden.



      Die Herausforderung ist: "was *tun*?" auch und gerade dann wenn wenn wir uns noch so sehr streiten. Da können wir - wie so oft - von den "Klimakindern" viel lernen.

  • Liggers. Mit der Leichtigkeit des SätzerSeins der Sonntagsnacht des Montags - 🤫 -

    “Nach vier Jahren Hetze ist die Büchse der Pandora geöffnet.



    Die Leichtigkeit, mit das Kapitol erstürmt werden konnte, hat die Putschisten ermutigt.“

    kurz - “ Die Büchse der Pandora enthielt, wie die griechische Mythologie überliefert, alle der Menschheit bis dahin unbekannten Übel wie Arbeit, Krankheit und Tod.



    Sie entwichen in die Welt, als Pandora die Büchse öffnete.“



    Na Si’cher dat - Arbeit - Das wird‘s wohl gewesen sein - All noch - Am Möhnen - 🥳 -



    Normal.

    unterm——— Blauer Montag — ein feines Teil —-



    John Holloway, Edward P. Thompson: Blauer Montag. Über Zeit und Arbeitsdisziplin. Aus dem Englischen übersetzt von Lars Stubbe. Edition Nautilus, Hamburg 2007



    de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Montag



    &



    de.wikipedia.org/w...BCchse_der_Pandora



    &



    www.koeln-lese.de/...php?article_id=209 -



    Geblieben scheint’s nicht nur in Kölle - “ …am möhnen…“



    Ähnlich wie “Maulaffen feilhalten“



    Normal - 😂 - wa.

    • @Lowandorder:

      Hä?