Trumps Gaza-Idee: Kein Plan, aber mit Strategie
US-Präsident Trump will den Gazastreifen besitzen und zur „Riviera des Nahen Ostens“ machen, sagt er. Es ist absurd, aber beeinflusst die Realpolitik.
D ie Empörung ist so groß wie einkalkuliert: Donald Trump verkündet, dass die USA Gaza „übernehmen“ und längerfristig „besitzen“ wolle, um den Küstenstreifen wieder aufzubauen. Der Immobilienhai Trump sieht eine Uferpromenade mit Potenzial: Aus den Trümmern von Gaza, in dem laut UNO 92 Prozent der Wohnhäuser zerstört sind und noch tausende israelische Blindgänger liegen sollen, soll eine „Riviera des Nahen Ostens“ entstehen. Und die zwei Millionen Palästinenser, die dort leben? Sie sollen in der Zwischenzeit nach Ägypten oder Jordanien „umgesiedelt“ werden.
Der Plan ist nicht nur absurd und nach Völkerrecht höchstwahrscheinlich illegal, er ist auch kein richtiger Plan. Nur weil Trump ausnahmsweise etwas von einem Zettel vorliest, wie er es am Dienstag tat, statt wie üblich frei zu assoziieren, heißt nicht, dass die Idee durchdacht war. Selbst sein eigenes Team soll überrascht gewesen sein, berichtet die New York Times. Der israelische Premier Benjamin Netanyahu, zu diesem Zeitpunkt im Weißen Haus zu Gast, soll erst kurz vor der Pressekonferenz davon erfahren haben. Und es soll kein einziges Meeting innerhalb der Regierung dazu gegeben haben. Unter Trump-Wählern, denen der Wiederpräsident eine „America First“-Politik versprochen hat, dürfte der „Plan“ äußerst unbeliebt sein.
Hinter dieser Provokation steht dennoch eine Strategie. „Flood the zone with shit“, so bezeichnete sie der einstige Trump-Vertraute Steve Bannon – alles mit Scheiße überfluten. Und so sehen die ersten Wochen Trumps zweiter Amtszeit auch aus: Die schiere Menge an radikalen Vorstößen verhindert eine effektive Opposition, im Congress sowie in den Medien.
Einerseits ist Trumps „Gaza-Riviera“ noch ein weiteres Häufchen, eine Blendgranate auf seinem diskursiven Schlachtfeld. Andererseits ist der „Plan“ auch eine Verhandlungstaktik: Er verschiebt damit einmal mehr die Grenzen des Sagbaren. Der selbsternannte „Artist of the Deal“ stellt eine Maximalforderung, um einen möglichst großen Kompromiss von der Gegenseite zu erzwingen, in diesem Fall Ägypten, Jordanien und anderen arabischen Staaten.
Aber mit dieser Taktik beeinflusst Trump jetzt schon knallhart die Realpolitik in der Region. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat die Armee bereits angewiesen, einen Plan zur „freiwilligen“ Ausreise aus Gaza vorzubereiten.
Womit Trump doch Recht hat: Gaza muss wieder bewohnbar werden, und das braucht Geld. Ein Weiter so mit der Hamas darf es nicht geben, sonst dürfte auch kein Staat bereit sein, wieder Unsummen in teuren Tunneln und aussichtslosen Angriffskriegen zu versenken. Es fehlt eine ernsthafte Alternative für die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung. Und nun sind die arabischen Staaten gefragt, deren Palästinasolidarität häufig nicht über Symbolpolitik hinausgeht.
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