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Trumps Gaza-IdeeKein Plan, aber mit Strategie

Nicholas Potter
Kommentar von Nicholas Potter

US-Präsident Trump will den Gazastreifen besitzen und zur „Riviera des Nahen Ostens“ machen, sagt er. Es ist absurd, aber beeinflusst die Realpolitik.

Blick auf den Gaza-Streifen heute. Wie wird es dort in Zukunft aussehen? Foto: Amir Cohen/reuters

D ie Empörung ist so groß wie einkalkuliert: Donald Trump verkündet, dass die USA Gaza „übernehmen“ und längerfristig „besitzen“ wolle, um den Küstenstreifen wieder aufzubauen. Der Immobilienhai Trump sieht eine Uferpromenade mit Potenzial: Aus den Trümmern von Gaza, in dem laut UNO 92 Prozent der Wohnhäuser zerstört sind und noch tausende israelische Blindgänger liegen sollen, soll eine „Riviera des Nahen Ostens“ entstehen. Und die zwei Millionen Palästinenser, die dort leben? Sie sollen in der Zwischenzeit nach Ägypten oder Jordanien „umgesiedelt“ werden.

Der Plan ist nicht nur absurd und nach Völkerrecht höchstwahrscheinlich illegal, er ist auch kein richtiger Plan. Nur weil Trump ausnahmsweise etwas von einem Zettel vorliest, wie er es am Dienstag tat, statt wie üblich frei zu assoziieren, heißt nicht, dass die Idee durchdacht war. Selbst sein eigenes Team soll überrascht gewesen sein, berichtet die New York Times. Der israelische Premier Benjamin Netanyahu, zu diesem Zeitpunkt im Weißen Haus zu Gast, soll erst kurz vor der Pressekonferenz davon erfahren haben. Und es soll kein einziges Meeting innerhalb der Regierung dazu gegeben haben. Unter Trump-Wählern, denen der Wiederpräsident eine „America First“-Politik versprochen hat, dürfte der „Plan“ äußerst unbeliebt sein.

Hinter dieser Provokation steht dennoch eine Strategie. „Flood the zone with shit“, so bezeichnete sie der einstige Trump-Vertraute Steve Bannon – alles mit Scheiße überfluten. Und so sehen die ersten Wochen Trumps zweiter Amtszeit auch aus: Die schiere Menge an radikalen Vorstößen verhindert eine effektive Opposition, im Congress sowie in den Medien.

Einerseits ist Trumps „Gaza-Riviera“ noch ein weiteres Häufchen, eine Blendgranate auf seinem diskursiven Schlachtfeld. Andererseits ist der „Plan“ auch eine Verhandlungstaktik: Er verschiebt damit einmal mehr die Grenzen des Sagbaren. Der selbsternannte „Artist of the Deal“ stellt eine Maximalforderung, um einen möglichst großen Kompromiss von der Gegenseite zu erzwingen, in diesem Fall Ägypten, Jordanien und anderen arabischen Staaten.

Aber mit dieser Taktik beeinflusst Trump jetzt schon knallhart die Realpolitik in der Region. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat die Armee bereits angewiesen, einen Plan zur „freiwilligen“ Ausreise aus Gaza vorzubereiten.

Womit Trump doch Recht hat: Gaza muss wieder bewohnbar werden, und das braucht Geld. Ein Weiter so mit der Hamas darf es nicht geben, sonst dürfte auch kein Staat bereit sein, wieder Unsummen in teuren Tunneln und aussichtslosen Angriffskriegen zu versenken. Es fehlt eine ernsthafte Alternative für die Realisierung einer Zwei-Staaten-Lösung. Und nun sind die arabischen Staaten gefragt, deren Palästinasolidarität häufig nicht über Symbolpolitik hinausgeht.

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Nicholas Potter
Redakteur
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei (Gesellschaft/Medien). 2024 war er Fellow des Internationalen Journalistenprogramms bei der Jerusalem Post. Im selben Jahr wurde er für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Seine Texte sind auch im Guardian, Tagesspiegel, der Jüdischen Allgemeinen und der Haaretz erschienen. Er ist Mitherausgeber des Buches "Judenhass Underground" (2023).
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5 Kommentare

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  • "Gaza 2035" der Plan über Gazas Zukunft aus dem Büro von Netanjahu und Trumps „Riviera des Nahen Ostens“ sind wohl nicht zufällig ähnlich. Was bede Pläne auch gemeinsam haben. Sie sind Kolonialherrenpläne. Die Bewohner haben nichts zu melden.

  • "Und nun sind die arabischen Staaten gefragt, deren Palästinasolidarität häufig nicht über Symbolpolitik hinausgeht."- Ehrlich? Bereits 2002 wurde die arabische Friedensinitiative vorgestellt und 2024 vom jordan. Außenminister in der UN nochmal bestätigt: “We’re here — members of the Muslim-Arab committee, mandated by 57 Arab and Muslim countries — and I can tell you very unequivocally, all of us are willing to guarantee the security of Israel in the context of Israel ending the occupation and allowing for the emergence of a Palestinian state,”. Im Gegensatz zu den westlichen Staaten unterstützen sie das Gutachten des IGH- immerhin der Oberste Gerichtshof der Welt, der die rechtliche Lage eindeutig geklärt hat. Was hat denn die Israelsolidarität der westl. Staaten zur Zwei-Staaten-Lösung beigetragen? Außer das man konsequent über Jahrzehnte internationales Recht nicht durchgesetzt hat, was zu mehr Siedlungen und mehr Vertreibung führte und die Gewalt noch förderte?



    Wo war all die Aufregung als isr. Regierungsmitglieder wiederholt von Vertreibung sprachen? Oder hier bereits 13.10.2023 en.wikipedia.org/w...ivilian_population

  • Gaza hätte alle Voraussetzungen (gehabt) ein wohlhabender Landstrich zu werden am Mittelmeer, ähnlich Monaco, Gibraltar oder Ceuta. Freihandelszone, Freie Presse und Wirtschaftsstandort mit innovativen High-Tech-Firmen wie in Israel oder Malta.

    Leider ist es der Hamas und eine verbohrte religös-politisches Ideologie lieber wenn Ihre eigenen Leute in Armut und Abhängigkeit leben. Daran sollte man denken wenn man die Pro-Gaza Demonstranten sieht und deren Forderungen. Da geht es (fast nie) um Demokratie oder freie Presse. Etwas, was füre die Linken in Deutschland eigentlich selbstverständlich ist.

    Trumps Vorschlag erscheint hirnrissig. Aber andere umsetzbare Vorschläge gibt es von anderen Ländern auch nicht. Auch ein palästinensischer Staat wäre nur eine religöser Staat der die eigenen Leute aufhetzt und keine Freiheit oder Wohlstand bringt.

    Von daher wäre mal ein distruptiver Ansatz eine Überlegung wert!

    • @Franz Tom:

      Gaza hatte nie die Voraussetzungen ein wohlhabender Landstrich am Mittelmeer zu werden. Das wird aus der Gesichte Gaza's und seiner Bewohner seit 1948 schnell klar.

  • "Und nun sind die arabischen Staaten gefragt, deren Palästinasolidarität häufig nicht über Symbolpolitik hinausgeht."



    So wie Trump tickt, könnte er dem Iran einen Deal präsentieren, den Wiederaufbau mit Petrodollars "zwangs zu finanzieren".



    Der Iran hatte schließlich auch erhebliches Interesse an der avisierten Zerschlagung der Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien durch Terrorismus mittels Förderung von Hamas und Hisbollah in der auf Entspannung angelegten Phase der Diplomatie.



    spiegel.de 14.10.23 als Quelle



    "Hamas-Angriff



    Iran bezeichnet Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien als beendet



    Das Regime in Iran kann seine Genugtuung über die Entwicklung im Gazastreifen nicht verbergen. Der wichtigste Punkt: Bemühungen, den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Israel zu entspannen, seien erst mal vom Tisch."



    Das alles ist maximal verworren.