Trump beschließt das Ende von DACA: Dreamer werden kämpfen
Überall in den USA protestieren Menschen gegen das Ende des „Dreamer“-Programms, das junge Menschen legalisiert hat. Eindrücke aus New York.
Die beiden jungen Frauen sind „Dreamer“, sie wollten die befürchtete Hiobsbotschaft nicht allein durchleiden. Deswegen sind sie an diesem Dienstagmorgen zu der vergoldeten Sherman-Reiterstatue am Rand vom Central Park gekommen, zwei Blocks von Trumps Wolkenkratzer entfernt, der rund um die Uhr von Polizei und Geheimdienst abgesperrt ist. Bevor der alte Mann im Justizministerium in Washington spricht, treten zu Füßen der Reiterstatue junge Leute aus vielen Ländern des amerikanischen Kontinent ans Mikrofon. Alle haben Jahre zwischen Bangen und Hoffen verbracht, zwischen der Angst vor Abschiebung in ein Land, das sie nicht kennen, und der Hoffnung auf den „amerikanischen Traum“.
Dann kam 2012 und mit ihm der erste Hoffnungsschimmer für eine legale Existenz in den USA. Nachdem im Kongress wieder einmal eine Einwanderungsreform gescheitert war, dekretierte damals Präsident Barack Obama im Alleingang ein Aufenthaltsrecht für junge Leute, die als Kinder „illegal“ ins Land gekommen waren. Er verstand die „verschobene Aktion für Ankünfte im Kinderalter“ (DACA) als Übergangslösung, bis der Kongress einwanderungspolitisch handlungsfähig werden würde. Und er befristete die Genehmigungen auf jeweils zwei Jahre, danach müssen die Anträge erneut gestellt werden. 800.000 junge Leute kamen seither in den Genuss von einem DACA.
Paola ist eine typische Vertreterin dieser Generation. Sie ist gebildet, ambitioniert und eine Hoffnungsträgerin ihrer Familie. Sie will Kinderärztin werden. Doch an diesem Tag steht sie unter dem Schock der „grausamen und unmenschlichen Erklärung“ aus Washington. Sie ist so deprimiert, dass sie selbst das berufliche Ziel korriert, auf das sie hingearbeitet hat: „Ich wollte Kinderärztin werden. Wer weiß, ob das jetzt noch möglich ist.“
Keine neuen Anträge möglich
Jeff Sessions, der alte Mann an der Spitze des Justizministeriums, hat sich dafür hergegeben, an Trumps Stelle das Ende von DACA mit sofortiger Wirkung zu verkünden. Ab sofort kann niemand, der bei der papierlosen Ankunft in den USA jünger als 16 war, mehr einen Antrag auf ein neues DACA stellen. Und jene, die bereits ein DACA haben, wissen, dass sie in maximal zwei Jahren jederzeit abgeschoben werden können.
Die jungen Leute, die sich am Fuß der Reiterstatue versammelt haben, kennen das Leben ohne Aufenthaltsgenehmigung. Fast alle sind nach der Schule in ein tiefes Loch gefallen. Sie durften nicht legal arbeiten, durften keinen Führerschein machen. Die Universitäten blieben ihnen verschlossen oder verlangten von ihnen die höheren Studiengebühren für „Auswärtige“, die für sie unerschwinglich waren. Nun stellt Paola sich auf weitere Tiefschläge ein: „Dies ist ein neues, gigantisches Hindernis auf meinem Weg.“ Sie ist in die USA gekommen, als sie vier war. Das Land ihrer Vorfahren kennt sie nicht. Und obwohl der Justizminister sie als „Illegale“ bezeichnet, versteht sie selbst sich als „Amerikanerin“. Obwohl sie kein Wahlrecht und bislang nur wenig Erfahrungen mit politischen Aktivitäten hat, will sie in den nächsten sechs Monaten versuchen, den Kongress umzustimmen. „Der Kampf ist nicht zu Ende“, sagt sie.
Sofia Ruales hat zusammen mit ihrer Schwester Erica, ihrem Vetter Marlon und ihrer Freundin Dayana auf ein Handy gestarrt, während Sessions sprach. Der hat zur Begründung der Abschaffung von DACA jene Argumente genannt, mit denen rechte US-Amerikaner seit fünf Jahren dagegen protestieren. DACA sei ohne Beteiligung des Kongress entstanden und daher verfassungsfeindlich, meint er. Und behauptet, dass „Hunderttausende Amerikaner“ durch die „illegalen Fremden“ von ihren Arbeitsplätzen verdrängt worden seien.
Das Projekt einer Einwanderungsreform wollen er und Trump nun wieder dorthin zurückgeben, wo sämtliche vorausgegangenen Reformen gescheitert sind: in den Kongress. „Reine Politik“, kommentiert die 24-jährige Sofia über die Kongressabgeordneten: „Ihnen geht es nicht um uns, sondern ausschließlich um die Frage, wie viele Wähler sie gewinnen oder verlieren können. Das ist einfach nur entzweiend und egoistisch“.
Hinter Kongress versteckt
Am Dienstag Abend bläst Trump, der sich am Morgen hinter Sessions versteckt hat, einen Tweet in die Welt, in dem er sich hinter dem Kongress versteckt. „Der Kongress hat sechs Monate Zeit, DACA zu legalisieren“, schreibt er darin, „sollte das nicht klappen, werde ich die Sache erneut überprüfen.“ Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie erneut die Kontrolle über ihr Leben verlieren. Sofia will sich nicht mit dieser Rolle abfinden. Sie ist im Alter von acht aus Ecuador in die USA gekommen. Seit sie das DACA bekam, hat sie Wirtschaftswissenschaften studiert und möchte eines Tages in den Vereinten Nationen arbeiten. An diesem Tag trägt sie ein Transparent, auf dem eine Faust mit der Aufschrift „Unterstützt DACA“ abgebildet ist.
Als der Justizminister zu Ende geredet hat, setzen sich die Demonstranten in Richtung Trump Tower in Bewegung. In Sprechchören kündigen sie an, dass die USA ihr Land sind. Dass sie bleiben werden. Und sie verlangen, dass Trump und Pence gehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen gleichaltrigen US-Amerikanern sind sie zweisprachig und sie kennen mehrere Kulturen. Sie rufen ihre Slogans auf Englisch und auf Spanisch, und sie geben Interviews in beiden Sprachen. Während sie ihren langen Aktionstag in New York beginnen, starten überall im Land ähnliche Aktionen: So ziehen in Denver und in Phoenix Schulklassen auf die Straße, in DC füllt sich der Vorplatz des Weißen Hauses und Kirchen und Universitäten organisieren Proteste.
Bei der Ankunft vor dem 58 Stockwerke hohen Trump Tower blockieren zehn junge Leute die Fifth Avenue. Der 29-jährige Alvaro Aguilar ist einer von ihnen. Er ist mit 14 in die USA gekommen und hat seither bei jedem Wahlkampf gehört, wie Politiker neue Einwanderungsgesetze versprochen haben, die anschließend im Kongress gescheitert sind. Erst nach 2012 bekam Alvaro erstmals einen legalen Status, den er jetzt wieder verlieren soll. „Wir sind es leid“, sagt er, „wir wollen einfach nur normal leben: studieren, arbeiten und uns um unsere Familien kümmen. Sie haben keinen Respekt für uns.“
Keine Angst vor Repression
Die zehn jungen Leute von der Gruppe haben eine Anwaltsnummer auf ihre Unterarme notiert, bevor sie sich auf der Kreuzung mit der 56. Straße auf den Asphalt setzen und unterhaken. Sie wissen, dass sie eine Festnahme riskieren. Schon nach wenigen Minuten rücken von allen Seiten Polizisten mit Plastikhandschellen an. Aus einem Lautsprecher läuft in Endlosschleife die Botschaft: „Sie befinden sich unrechtmäßig auf der Fahrbahn und behindern den Autoverkehr. Wenn Sie jetzt nicht freiwillig gehen, wird ein Verfahren wegen ordnungswidrigen Verhaltens gegen Sie eröffnet.“ Die jungen Demonstranten halten mit Slogans dagegen. „Keine Papiere – Keine Angst“ ist einer davon. „Wir gehen nicht mehr weg“ ein anderer. Kurz bevor ein Polizist ihn fesselt und abführt, sagt Alvaro: „Wir wollen uns nicht länger verstecken und schweigend leiden. Wir haben keine Angst mehr.“
Inmitten von Tausenden jungen DemonstrantInnen, die am Straßenrand hinter den von der Polizei aufgestellten Absperrgittern stehen und Slogans rufen, steht eine 58-jährige Frau. Lupita Arreola ist für diesen Tag aus Arizona eingeflogen, um in der Nähe ihrer Tochter zu sein, die jetzt in Handfesseln von der Sitzblockade abgeführt wird. Die Tochter ist Psychologin und hat ein DACA. Über dem Haupt der Mutter, die seit 20 Jahren in den USA lebt, hängt ebenfalls das Damoklesschwert einer Abschiebung nach Mexiko. Ihre Tochter winkt ihr aus der weißen Polizeiwanne zu, bevor Polizisten von außen die Hintertüre verriegeln. Die Mutter winkt zurück. „Ich habe viel mehr Angst als sie“, sagt sie stolz: „Sie ist mutig und kämpferisch und sie verteidigt das, woran sie glaubt.“
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