Trubel um Dresdner Szene-Kneipe: „Aber nicht so“
In Dresden hat eine Gastronomin Angestellten gekündigt. Seither wird das „Trotzdem“ bestreikt. Die MitarbeiterInnen sind gewerkschaftlich organisiert.
BERLIN taz | „Ich will weiter ins ’Trotzdem‘ gehen – aber nicht so“. Dieser Spruch wird BesucherInnen der Szenekneipe „Trotzdem“ in Dresden-Neustadt seit einigen Tagen entgegengehalten. Manche drehen sich weg, andere ignorieren ihn oder diskutieren mit den Menschen, die sich seit dem 1. Februar jeden Abend ab zwanzig Uhr vor der Kneipe in der Dresdner Alaunstraße versammeln.
Bei den Protestierenden handelt es sich um drei der vier KellnerInnen der Kneipe sowie um deren UnterstützerInnen. Nachdem sie von der Kneipeninhaberin Johanna Kalex gekündigt wurden, sind sie am 1. Februar in den Streik getreten. Verhandlungsangebote über die Rücknahme der Kündigung waren von der Betreiberin unbeantwortet geblieben.
Die KellnerInnen seien fristgemäß gekündigt worden, begründet Johanna Kalex den Rausschmiss, „weil es in der Kneipe seit über einem halben Jahr – aktenkundig – zu fortgesetzten Diebstählen in einem Umfang kam, der für uns wirtschaftlich nicht länger tragbar war“. Man habe versucht, den oder die Täter zu ermitteln. „Wären diese Bemühungen erfolgreich gewesen, hätten wir sehr gern mit den anderen weitergearbeitet“, erklärt sie.
Die Gekündigten sehen darin eine gezielte Verleumdung und behalten sich juristische Schritte vor. Sie sehen die Kündigung im Zusammenhang mit ihrem gewerkschaftlichen Engagement. Die drei Gekündigten hatten sich in der Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU) organisiert, die vor allem in solchen kleinen Betrieben für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen kämpft, die von den DGB-Gewerkschaften ignoriert werden. Dabei hatte ihre FAU-Betriebsgruppe im letzten Jahr Erfolge erzielt. „Wir haben am 1. April 2013 eine Lohnerhöhung von 20 Prozent durchgesetzt“, erklärt Wolf Meier von der Betriebsgruppe der Branchensektion für Nahrung und Gastronomie gegenüber der taz.
Die Beschäftigten hatten den Vorschlag gemacht, die Getränkepreise zu erhöhen und die Gäste darüber zu informieren, dass mit dem Geld die Löhne der KellnerInnen aufgestockt werden. Nachdem die Betriebsgruppe einen Lohnspiegel auf ihre Homepage gestellt hatte, in dem aufgelistet ist, wie niedrig die Löhne von KellnerInnen in Dresdner Szenekneipen sind, sorgte die Arbeit der kleinen Gewerkschaft zunehmend für Aufmerksamkeit. „Die Unterstützung bei dem Streik ist groß: Jeden Abend unterstützten uns AktivistInnen aus linken Gruppen beim Streikposten“, sagt der Gewerkschaftsmann. Zudem habe ein Arbeitskampf mitten im Dresdner Szeneviertel dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen auch in linken Kreisen wieder verstärkt diskutiert werden, zeigt sich Meier zufrieden.
Einen langen Atem werden die Streikenden brauchen. Denn auch Johanna Kalex bekommt Unterstützung. Schließlich ist sie als DDR-Oppositionelle und langjährige Friedensaktivistin über Dresden hinaus bekannt. Anfang der 90er Jahre war sie von Neonazis überfallen worden und ging danach für mehrere Jahre ins Ausland, bevor sie im Jahr 2000 die Kneipe eröffnete.
Leser*innenkommentare
Gast
Gast
Ich aboniere die Taz schon lange und bin eigentlich davon ausgegangen, daß die Beiträge gründlich rechieriert werden. Hier wird aber sehr einseitig nur die Seite der FAU dargestellt.
Daher hier einige Ergänzungen:
1. Der Streit geht außer um die Kündigungen vor allem um das geradezu absurde Ultimatum, das den Kneipenbetreibern gestellt wurde: Wenn sie sich nicht auf einen Haustarifvertrag einlassen, der auch die Überführung der Kneipe in eine von den Entlassenden zu gründenden Genossenschaft mit Auszahlung der Besitzer beinhaltet, dann wird "mit Maßnahmen" gedroht (siehe jetzt die unbefristete Belagerung der Kneipe)
2. Die Diebstähle wurden erst dann öffentlich gemacht, als die FAU das Thema aufgriff. Frau Kalex wollte nie das die entlassenen Kellner stigmatisiert werden und hatte auch sehr großzügige Konditionen für die Entlassung angeboten.
3. Die FAU war bislang in der linken Szene in Dresden sehr angesehen, ihre Arbeit überall wo möglich unterstützt. Gerade auch im "Trotzdem". Nicht umsonst beschäftigte die Kneipe drei dieser Gewerkschaftsmitglieder.
4. Das "Trotzdem" zahlt mit die höchsten Gehälter in der Neustadt. Die "erstrittenbe Erhöhung" die im Artikel zitiert wurde, war nichts anderes als das Ergebnis eines Gesprächs mit den Betreibern, in dem die Kellner nicht mehr am Umsatz beteiligt sein wollten, sondern dafür einen höheren Stundenlohn erhalten wollten. Was sie auch bekamen.
Generell finde ich den ganzen Anlaß sehr bedauerlich. Vor allem für die betroffenen Kellner, auf deren Rücken hier ein Exempel statuiert werden soll. Die Mehrheit - so meine Einschätzung - der (vorwiegend linken) Besucher der Kneipe steht zu Johanna und Steffen, die durch die ganze Sache auch nervlich sehr in Mitleidenschaft gezogen sind. Falls die FAU durch diese Aktion eine Solidarisierung aller in der Gastronomie Beschäftigten erwartet hatte, so ging der Schuß bislang nach hinten los.
Case
Gast
1: Es hies 'Haustarifvertrag ODER Kollektivierung'
Andere Punkte: http://trotzdemunbequem.blogsport.de/2014/02/02/17/
anteater
Den Lohnspiegel kann ich auf der verlinkten Seite nicht finden. Dabei würde mich der Stundenlohn des Kellnerpersonals jetzt schon interessieren. Was ich weiß ist, dass man z.B. in der Altenpflege schon mal 200 Stunden im Monat arbeitet und dann 1.050 € überwiesen bekommt. Und dafür haben die eine Ausbildung gemacht und bekommen normalerweise auch kein Trinkgeld. Meine Frage ist also, ob diese Story überhaupt eine ist.
Manfred
Gast
@anteater Der Lohn den AltenpflegerInnen erhalten ist aber auch eine bodenlose Frechheit - du kannst es dir sparen den als Maßstab zu nehmen!
anteater
Genau, ich kann es mir sparen, darauf hinzuweisen, dass jemand, der einen Beruf gelernt hat, auch nicht mehr verdient als ein/e ungelernte/r Kellner/in.
Nein Manfred, ich kann mir das überhaupt nicht sparen. Ich kann nichts dafür, wenn Sie nicht verstehen, was ich meine.
heinz steinle
Der Lohnspiegel findet sich hier:
https://www.libertaeres-netzwerk.org/allgemeines-syndikat/bng//
anteater
@heinz steinle Danke! 7,50 € in der Stunde als ungelernte Kraft (in dem im Artikel erwähnten Laden), plus Trinkgeld. So schlecht nicht. Während des Studiums habe ich auch als ungelernte Kraft gearbeitet, allerdings in einem anderen Kulturbetrieb, für 4,90 € die Stunde.
chris
Gast
Die Betreiberin der Kneipe geht davon aus, dass es Diebstähle gab, das Vertrauensverhältnis ist unwiderbringlich gestört, sodass es kaum zu einer Wiedereinstellung kommen wird.
Also mobbt man, bis die Kneipe in die Pleite zu gehen droht und triumphiert dann?
Also entweder in die Pleite geritten oder kaputt gemobbt?
Linkes Prinzip, wie ich es aus unserer Stadt kenne.