Treffen von Putin und Kim: Hand in Hand gegen den Westen
Das Treffen zwischen Wladimir Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong Un ist eine Provokation. Und ein Zeichen dafür, wie tief Russland abgestiegen ist.
MOSKAU taz | Erst die Besichtigung einer Angara-Rakete mit ihren acht Metern Durchmesser und einer Konstruktion eines Sojus-2-Raketenträgers. Später dann ein Sieben-Gänge-Menü samt Pelmeni mit Kamtschatka-Krabbe, Stör mit Pilzen und Kartoffeln sowie Sanddorn-Sorbet. Dazu viel Herzlichkeiten und noch mehr Händeschütteln: Für seinen nordkoreanischen „Ehrengast“ Kim Jong Un lässt der russische Präsident Wladimir Putin 8.000 Kilometer von Moskau entfernt buchstäblich einiges auffahren.
Auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny im Fernen Osten Russlands führt er den geächteten Diktator freundlich durch die Hallen. Sichtlich erfreut zeigt er sich über das altbekannte Interesse Kims für Satellitentechnik. „Lieber ein alter Freund als zwei neue, wie man bei uns im Volk sagt“, sagt Putin später beim gemeinsamen Mittagessen und hebt sein Rotwein-Glas von einem in seinem Besitz befindlichen Weingut am Schwarzen Meer.
Kim hatte da seinem Gastgeber schon ordentlich geschmeichelt: „Wir haben immer die Entscheidungen von Präsident Putin und der russischen Regierung unterstützt und unterstützen sie auch weiterhin. Ich hoffe, wir werden im Kampf gegen den Imperialismus immer Seite an Seite sein. Russland wird einen großen Sieg über das angesammelte Böse erringen“, sagt der Gewaltherrscher aus Pjöngjang.
Mehr als zwei Stunden empfing Putin den nordkoreanischen Machthaber am Mittwoch zu Gesprächen in Russlands modernstem Kosmodrom. Es war eine provokative Geste, dem nordkoreanischen Diktator genau hier demonstrativ gut gelaunt die Hand zu schütteln. Russland ist als Vetomacht beteiligt an den UN-Sanktionen gegen Nordkorea, wonach das Kim-Regime weder Waffen exportieren noch Raketentechnologie importieren dürfte.
Putin und Kim brauchen einander
Beim Treffen in Wostotschny dürfte es jedoch auch darum gegangen sein. Moskau braucht Waffen für seinen Angriffskrieg in der Ukraine, Pjöngjang will weiter an seinen Raketen tüfteln und braucht Technik dafür. Als wollte es sein Potenzial demonstrieren, hatte das Kim-Regime in der Nacht zu Mittwoch zwei ballistische Raketen in Richtung Japan geschossen. Putin, der mit dem Angriff gegen die Ukraine an Reputation eingebüßt hat, sieht sich gezwungen, sich mit einem weltweit Geächteten zu verbrüdern. Die damit verbundene Erniedrigung schiebt Moskau beiseite.
Putin und Kim brauchen einander. Doch sie halten sich bedeckt. Mehr als salbungsvolle Worte von Freundschaft und Zusammenarbeit kamen in Wostotschny nicht über ihre Lippen. Es gebe „viele Fragen“ zu besprechen, sagte Putin. Die Zusammensetzung der russischen Delegation zeigte jedoch, welche Themen den Russen wichtig sind. Der Außenminister Sergei Lawrow war genauso zugegen wie der Verteidigungsminister Sergei Schoigu, zudem die Zuständigen für Industrie und Handel, für die Außenwirtschaft und die Infrastrukturprojekte.
Die Anwesenheit Schoigus spricht dafür, dass Moskau vor allem die militärische Zusammenarbeit mit Nordkorea sucht. Pjöngjang stellt viel Artilleriemunition und Raketen her und hat zudem noch sowjetisches Material in seinen Lagerbeständen. Zudem werden auch Einsätze nordkoreanischer Soldaten immer wieder ins Spiel gebracht. Das Thema Rüstungskooperation aber brachten beide Herrscher nicht zur Sprache.
Ohnehin hätte China bei der Annäherung der beiden Regime wohl einiges mitzureden. Welche Rolle es bei einer möglichen militärischen Kooperation spielt, ob es gemeinsame Manöver abhielte und an einer gemeinsamen Strategie der Dreier-Allianz beteiligt wäre, ist unklar. Es sei ein „Treffen in besonderen Zeiten“, sagte Putin.
Kim machte sich derweil auf den Weg nach Wladiwostok, wo Putin beim Wirtschaftsforum einen Tag zuvor erklärt hatte, wie Russland prosperiere. Es sei der Westen, der einen Krieg führe und Russland von seiner ihm zustehenden Entwicklung abhalte, sagte er in seiner gewohnten Verdrehungsmanier. Kim, so hieß es, werde auf dem Weg in Komsomolsk am Amur, einer Industriestadt 2.000 Kilometer östlich von Wostotschny, einige Fabriken anschauen. In der Stadt werden Objekte für zivile und militärische Luftfahrt produziert.
Leser*innenkommentare
Encantado
"...ein Zeichen dafür, wie tief Russland abgestiegen ist."
Ich bin sicher, es ist auch Putin durchaus bewusst, wie peinlich es im Grunde ist, wenn das ach so große und mächtige Russland auf derartige Verbündete angewiesen ist.
Frage ist, wann diese Verzweiflung sein _rationales_ Denkvermögen erreicht.
Machiavelli
@Encantado Die Frage ist generell wie gut wird Putin informiert, vor der Invasion katastrophal schlecht, ob es jetzt soviel besser ist? Das würde Frieden vermutlich noch mehr verunmöglichen. Möglicherweise ist er auch geistig inzwischen so abgerutscht das für ihn Frieden gar nicht mehr vorstellbar ist.
Encantado
@Machiavelli "dass für ihn Frieden gar nicht mehr vorstellbar ist."
Die Kernfrage für Putin persönlich dabei ist vermutlich: was wird dann aus ihm. Alles andere ist ja noch egal. Aber sobald er Schwäche zeigt, wird er vermutlich abserviert. Also wird weitergemacht, bis ihm womöglich doch noch eine Lösung einfällt...
Michael Balser
Aus der Vereinigung von 2 wurmstichigen faulen Apfel-Hälften wird kein gesunder Apfel.