Treffen europäischer Staaten in Spanien: Alle Augen auf Selenski
Der ukrainische Präsident bittet um Hilfen für sein Land. Er weiß: Der Konsens gegen den Angriffskrieg Russlands in der EU bröckelt.
Das wurde auf Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor einem Jahr in der tschechischen Hauptstadt Prag gegründet – als eine Anti-Putin-Front. Selenski nutzte das Treffen erneut, um auf die Bedürfnisse seines Landes im Krieg gegen die russischen Invasoren aufmerksam zu machen und Unterstützung einzufordern.
Insgesamt waren 47 Staats- und Regierungschefs angereist, darunter die aller Staaten der Europäischen Union (EU), die der restlichen europäischen Länder – mit den Ausnahmen Russland und Belarus – sowie die Vertreter einiger angrenzender, in Asien gelegener Staaten.
„Die wichtigste Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen, ist der Schutz der Einheit in Europa. Und ich spreche nicht nur von den EU-Ländern, sondern von ganz Europa“, sagte Selenski. Die Priorität der Ukraine angesichts des bevorstehenden Kriegswinters sei es, „die Luftverteidigung zu stärken“.
Sein Land habe „substanzielle Vorschläge“, um „die europäische Sicherheitsarchitektur, insbesondere die regionale Sicherheit, zu stärken“. Europa müsse besonderes Augenmerk auf die Schwarzmeerregion legen, und „gemeinsame Anstrengungen zur Stärkung der globalen Ernährungssicherheit und der Freiheit der Schifffahrt unternehmen“, forderte er.
Der Anti-Putin-Konsens bröckelt
Dann warnte er davor, dass Russland versuchen könnte, den Krieg in der Ukraine „einzufrieren“, um so „bis 2028 das von uns zerstörte militärische Potenzial wiederherzustellen“. Moskau „wäre dann stark genug, um weitere Länder anzugreifen, die im Fokus seiner Expansion stehen“, sagte Selenski und erinnerte an die baltischen Staaten. Die Ukraine weiterhin zu unterstützen, schaffe die „Möglichkeit, Russland eine Niederlage beizubringen“, resümierte Selenski.
„Alle Europäer unterstützen die Ukraine bis zu einem gerechten Frieden“, versicherte der spanische Gastgeber, Ministerpräsident Pedro Sánchez, dessen Land derzeit die EU-Präsidentschaft innehat. Doch Selenski weiß, dass es trotz dieser Beteuerungen mit kriegswichtiger Hilfe bei Weitem nicht so gut bestellt ist wie noch vor wenigen Monaten auf dem zweiten Treffen der EPG in Moldau.
So wurde am Vorabend seines Auftritts in Granada bekannt, dass Berlin keine Marschflugkörper des Typs Taurus an die Ukraine liefern wird. Außerdem bröckelt in der EU der Anti-Putin-Konsens: Der Wahlsieg Robert Ficos, eines eher Russland zugewandten Politikers in der Slowakei, die Putin-freundliche Haltung Viktor Orbáns in Ungarn und die Ankündigung Polens, die Waffenhilfe an die Ukraine herunterzufahren, zeugen davon.
Möglicherweise weniger Geld aus der USA
Des Weiteren besteht die Gefahr, dass die USA weniger Geld zur Unterstützung der Ukraine zur Verfügung stellen werden. Denn in Washington führen Republikaner und regierenden Demokraten einen erbitterten Streit über den US-Haushalt. Derzeit verfügt Präsident Joe Biden nur über einen Übergangshaushalt, worin keine Hilfen für Kyjiw vorgesehen sind.
Angesichts dieser Situation werde Europa die Unterstützung der Ukraine verstärken, versicherte sowohl EU-Ratspräsident Charles Michel als auch der Hohen Vertreter der EU für Sicherheits- und Außenpolitik Josep Borrell.
Es seien „50 Milliarden Euro für die zivile und wirtschaftliche Seite und 20 Milliarden Euro für die militärische Seite vorgeschlagen“, erklärte Borrell. „Die EU kann die USA nicht ersetzten“, relativierte Borrell die in Aussicht gestellten Hilfsgelder. Er hoffe, dass die USA weiterhin die Ukraine unterstütze wie bisher.
EU will auch Armenien unterstützen
Präsident Selenski nutze den Tag in Granada, um bilaterale Gespräche zu führen. Wie viel und welche Militärhilfe er dabei aushandeln konnte, wurde nicht bekannt.
Nicht nur die Anwesenden bestimmten das Treffen, sondern auch die, die nicht gekommen waren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan blieb der EPG ebenso fern wie Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew. Letzterer erteilte damit dem Ansinnen Deutschlands, Frankreichs sowie des EU-Ratspräsidenten Charles Michel, am Rande des Treffens im Konflikt Aserbaidschans und der Armenier um die Region Bergkarabach zu vermitteln, eine Absage. Es wäre die erste konkrete Initiative der EPG gewesen.
Der Konflikt um Bergkarabach war dennoch ein Thema in Granada: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Rande des Treffens an, dass der bisherige Betrag an zugesagten Hilfen an die Armenier auf etwa 10 Millionen Euro verdoppelt werde.
Erdoğan fehle wegen „einer Erkältung“, so die türkische Presse. Der türkische Staatschef verzichtete bereits beim zweiten EPG-Treffen im vergangenen Juni in Moldau auf die Teilnahme. Erdoğan versucht seit Beginn des Ukrainekriegs einen gewissen Abstand sowohl zu Russland als auch zur EU- und Nato-Politik zu halten. So hat es sich in eine Vermittlerrolle manövriert, wie etwa bezüglich der Getreideexporte über die Schwarzmeerhäfen der Ukraine.
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