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Tragikkomödie „A Real Pain“Wo es wirklich wehtut

Schauspieler und Regisseur Jesse Eisenberg erzählt in „A Real Pain“ vom Polen-Roadtrip zweier Cousins. Und stellt dabei Fragen zum Umgang mit Erinnerung.

Ein ungleiches Paar: Benji (Kieran Culkin, l.) und David (Jesse Eisenberg) in „A Real Pain“ Foto: Walt Disney Germany

Berlin taz | Was tut man nicht alles für die Familie. Auch wenn es sich um eine Reise mit einem Verwandten handelt, der einem längst nicht mehr so nah ist wie einst. David hat jedenfalls seinem Cousin Benji versprochen, sich gemeinsam auf die Spuren der vor kurzem gestorbenen Großmutter zu begeben. Sie stammte aus Polen und war vor allem Benji sehr nah. Nach ihrem Tod ging es ihm „nicht so gut“, wie er David gesteht.

„A Real Pain“ nennt der Schauspieler Jesse Eisenberg seine zweite Regiearbeit, und die Entscheidung des Verleihs, den Titel unübersetzt zu lassen, ist die einzige Möglichkeit, den doppelten Sinn, in dem er gemeint sein dürfte, zu erhalten. Denn einerseits geht es in dieser Geschichte um echten Schmerz, den die Protagonisten fühlen, andererseits hat man es mit einer Begegnung zu tun, bei der einer der Beteiligten dem anderen kräftig auf die Nerven geht und so zu „a real pain“ wird.

Die Charaktere der Hauptfiguren sind recht gegensätzlich angelegt. David ist beruflich erfolgreicher Familienvater, arbeitet im Online-Anzeigengeschäft, hat Frau und Tochter und ist auffällig zwangsgestört. Jesse Eisenberg, der in seinem Hauptberuf ein bisschen auf neurotische Typen abonniert ist, verkörpert ihn mit einer guten Mischung aus konstanter körperlicher Angespanntheit und einer gehörigen Portion Dauerfremdschämen. Dazu gleich mehr.

Kraftzentrum des Films

Kieran Culkin bildet mit seinem Benji hingegen das Kraftzentrum des Films. Privat hat er seine Schwierigkeiten, auch in der Arbeitswelt scheint er nicht zurechtzukommen, dafür ist er einfühlsam und kontaktfreudig bis zur Übergriffigkeit. Trotz gelegentlicher Gefühlsausbrüche hat Benji etwas entwaffnend Gewinnendes.

Die Spannungen zwischen David und Benji kündigt Eisenberg schon zu Beginn des Films an

Das macht sich gleich zu Beginn der Reise bemerkbar. Denn sie sind nicht zu zweit unterwegs, sondern haben eine organisierte Gruppenreise gebucht, auf der sie der Geschichte des Holocaust in Polen nachgehen. Ihre jüdische Großmutter war vor den Nazis geflohen, jetzt bereisen David und Benji Städte wie Warschau und Lublin, unternehmen einen Abstecher ins Konzentrationslager Majdanek, abends machen sie Station in Restaurants für die Geselligkeit.

Die Spannungen zwischen David und Benji kündigt Eisenberg schon zu Beginn des Films an, wenn David sich auf den Weg zum Flughafen macht und alle paar Minuten eine Nachricht auf Benjis Anrufbeantworter hinterlässt, um herauszufinden, ob der Cousin womöglich verspätet ist. Benji reagiert auf keinen der Anrufe, überrumpelt David dann aber, als er plötzlich – und pünktlich – wie aus dem Nichts auftaucht. Auch auf der eigentlichen Reise kommt es immer wieder zu Situationskomik, wenn der verzweifelt um Kontrolle bemühte David vor der entregelten Spontaneität Benjis kapitulieren muss.

Posen vor Denkmal

In einer besonders schönen Szene steht die Gruppe vor dem Denkmal des Warschauer Aufstandes mit Statuen von dynamisch voranstürmenden Kämpfern. Benji stellt sich in kämpferischer Pose dazu und bittet David, ein Foto zu machen. David findet das ziemlich respektlos und möchte lieber nicht, doch nach und nach bringt Benji die gesamte Gruppe dazu, sich um ihn herum zu gruppieren. David bleibt als einziger davor stehen, während ihm die anderen Teilnehmer der Reihe nach ihr Smartphone in die Hand drücken, damit er für sie ein Bild knipst.

Der Film

A Real Pain“. Regie: Jesse Eisenberg. Mit Jesse Eisenberg, Kieran Culkin u.a. USA/Polen 2024, 90 Min. Ab 16. 1. im Kino

Eisenberg gelingt es durch genaues Beobachten, aus solchen Momenten keinen Klamauk zu machen. Denn er bildet damit die peinlicheren Aspekte eines Tourismus' ab, der sogar in historisch seriöser Absicht nicht vor Albernheiten gefeit ist oder vor Gruppendynamiken, die an Schulklassenausflüge denken lassen.

Auch zeigt er die fragwürdigeren Aspekte dieser Reiseangebote selbst, etwa wenn die Gruppe einen jüdischen Friedhof besichtigt und der nichtjüdische britische Reiseleiter James (Will Sharpe) anfängt, ausgiebig über das Alter der Grabstätten zu dozieren. Irgendwann unterbricht ihn Benji entnervt und weist ihn zurecht, dass das doch immerhin Gräber von echten Menschen seien und nicht bloß irgendwelche Steine.

Musik von Frédéric Chopin

Die Inszenierung wählt Eisenberg durchgehend nüchtern. Gefilmt ist „A Real Pain“ in klaren, manchmal etwas glatt wirkenden Bildern. Als Soundtrack verwendet er Klavierstücke des polnischen Komponisten Frédéric Chopin, gespielt vom israelischen Pianisten Tzvi Erez. Die Musik hat dabei nie etwas plakativ Illustrierendes und ist deutlich genug in den Ton gemischt, um nicht Gefahr zu laufen, auf Hintergrundgeklingel reduziert zu werden.

Gegen Ende machen David und Benji ohne den Rest der Gruppe noch einen Abstecher ins Dorf ihrer Großmutter. Ihren Versuch, ein paar gestapelte Steine vor deren ehemaliger Haustür zu lassen, als Zeichen, dass sie dort gewesen sind, zeigt Eisenberg mit zärtlicher Trockenheit als Ausdruck für die Hilflosigkeit der Cousins, sich zum eigentlichen Ziel ihrer Reise zu verhalten. Immerhin werden sie von den Anwohnern nicht verprügelt.

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