Tory-Parteitag in Großbritannien: Rishi Sunak gegen den Rest
Der moderne Staat, das bin ich: Der britische Premierminister setzt lieber auf seine frische Erscheinung als auf die Politik seiner Tories.
V erbraucht, ideenlos, zerstritten, eitel, entrückt, populistisch, machtgeil – die Beschreibungen, die in Großbritannien für die regierenden Konservativen kursieren, sind ein deutliches Zeichen, dass dreizehn Jahre an der Macht und vier von den eigenen Leuten gestürzte Premierminister eigentlich genug sein müssten.
Allgemein wird in Großbritannien ein Regierungswechsel 2024 erwartet, nicht zuletzt in den Reihen der Konservativen selbst, deren aktive Politiker mehr mit neuen Karrieren ab dem nächsten Jahr beschäftigt erscheinen als mit dem glücklosen Regierungsgeschäft.
Nicht so Rishi Sunak. Der 2022 gekürte fünfte konservative Premier in Folge wirkt auch jetzt auf dem Jahresparteitag der Konservativen immer noch wie frisch aus dem Ei gepellt und wie ein aufstrebender Jüngling, der seine besten Jahre erst noch vor sich hat. Es gehört einiges dazu, sämtliche Labour- und Tory-Regierungen der vergangenen dreißig Jahre zu einer Ära des Stillstands zu erklären und eine Zeit des Wandels auszurufen, mit ihm selbst an der Spitze.
Aber es ist auch eine geschickte Art für Sunak, sich vom desaströsen Regierungsstil seiner Vorgänger im Amt und auch von den unappetitlichen Auftritten so mancher seiner Regierungskollegen der Gegenwart abzugrenzen, ohne damit gleich die Opposition in ein gutes Licht zu rücken.
Indem Sunak die Beharrungskräfte im eigenen Lager und in der Opposition in einen Topf wirft, stellt er seinem Hauptrivalen Keir Starmer eine nicht ganz einfache Hürde auf. Der wird zwar kommende Woche auf dem Labour-Parteitag in Liverpool problemlos noch mehr versprechen, aber dass die multikulturelle Realität Großbritanniens viel eher vom Führungspersonal der Tories verkörpert wird als von Labour, nimmt der britischen Linken eine der wichtigsten Angriffsflächen gegen rechts.
Der nächste britische Wahlkampf wird ein Kampf um Glaubwürdigkeit. Und je mehr er sich auf die beiden Chefs fokussiert, desto offener dürfte das Rennen ausfallen. Für beide dürfte die größte Gefahr in den eigenen Reihen lauern. Auch wie groß diese Gefahr ist, hat dieser konservative Parteitag deutlich gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern