Tödlicher Terror in Synagoge in Pittsburgh: Unverhohlener Hass als Motiv
In Pittsburgh ermordet eine Mann elf Menschen in einer Synagoge. Ganz aus dem Nichts kam das nicht, seit Trump nehmen antisemitische Angriffe zu.
Was folgte, wird als der schwerste antisemitische Angriff in die jüngere amerikanische Geschichte eingehen. Am Samstagvormittag, zehn Minuten vor zehn, drang Bowers in die Synagoge Tree of Life ein, eines von etwa einem Dutzend jüdischer Gotteshäuser in Squirrel Hill, einem Stadtteil, in dem gut ein Viertel der Mitglieder der traditionell bedeutsamen jüdischen Gemeinde von Pittsburgh lebt. Was die Lower East Side für New York war, ist Squirrel Hill für die einstige „Steel City“ in Pennsylvania: das Zentrum jüdischen Lebens.
Um 9.54 Uhr ging bei der Notrufzentrale der erste Anruf ein. Zu der Zeit fanden in der Synagoge, parallel zueinander, drei Gottesdienste statt. Während die Türen des Tempels unter der Woche verschlossen sind, stehen sie am Sabbat weit offen. Eine ständige Polizeipräsenz vor jüdischen Gemeindezentren, jüdischen Museen, jüdischen Gotteshäusern kennen die USA nicht. Bowers, der in einem Vorort Pittsburghs lebt und sich in Squirrel Hill offenbar bestens auskannte, stieß zunächst wohl auf keinerlei Widerstand, als er begann, um sich zu schießen.
Bewaffnet war er mit einem Sturmgewehr des Typs AR-15 und drei Pistolen. Ehe Spezialeinheiten der Polizei am Tatort eintrafen, hatte er elf Menschen getötet, acht Männer und drei Frauen, und zwei weitere Personen verletzt. In 22 Dienstjahren, so beschrieb es Stunden später Robert Jones, der Chef des Ermittlerteams des FBI, habe er keinen derart entsetzlichen Tatort gesehen.
Zahl der antisemitischen Vorfälle stieg um 57 Prozent
Als Bowers das Gebäude verließ, versuchten ihn Polizeibeamte zu stoppen. Nach Angaben der Behörden verletzte er vier von ihnen bei einem Feuergefecht, bevor er zurück in die Synagoge rannte, wo er sich im dritten Stock verbarrikadierte. Nach ungefähr zwanzig Minuten, so das FBI, habe er aufgegeben und sei verwundet in ein Krankenhaus gebracht worden.
Nach Informationen der Pittsburgh Post-Gazette gab der 46 Jahre alte Täter in ersten Verhören zu Protokoll, er wolle, dass alle Juden sterben. Die Juden seien schuld an einem Genozid, dem „sein Volk“ zum Opfer falle. Das Southern Poverty Law Center vergleicht das Massaker mit vorausgegangenen rassistisch motivierten Gewalttaten in religiösen Einrichtungen der USA. Darunter die Schießerei in einer afroamerikanischen Kirche in Charleston, wo ein Weißer 2015 neun Gläubige erschoss. Darunter die Attacke gegen einen Sikh-Tempel in der Nähe von Milwaukee, bei dem 2012 sechs Menschen starben. Darunter der Bombenanschlag auf eine Baptistenkirche in Birmingham, dem 1963 vier afroamerikanische Mädchen zum Opfer fielen.
Nach einem Bericht der Anti-Defamation League (ADL), die sich dem Kampf gegen die Diskriminierung von Juden verschrieben hat, ist die Zahl antisemitischer Zwischenfälle im vorigen Jahr, in dem Präsident Donald Trump sein Amt antrat, gegenüber dem Jahr davor um 57 Prozent gestiegen. Dies, so die ADL, sei der steilste Anstieg seit dem Ende der Siebziger, als man diese Statistiken zu führen begann.
Trump sagte in seiner ersten Reaktion, es sei eine „schreckliche, schreckliche Sache, was mit dem Hass in unserem Land und überall auf der Welt passiert“. Wäre die Synagoge von bewaffneten Wächtern geschützt worden, wäre womöglich niemand getötet worden, sagte er, bevor er später auf einer Kundgebung in Illinois erklärte: „Wir alle müssen zusammenarbeiten, um das hässliche Gift des Antisemitismus aus unserer Welt zu entfernen.“
Trump redet unverholenem Hass das Wort
Abgesehen von der häufig wiederholten Forderung nach bewaffneten Wächtern habe Trump an diesem Tag die richtigen Worte gefunden, sagte Adam Schiff, ein Demokrat aus Kalifornien – im US-Kongress einer der prominentesten Abgeordneten jüdischen Glaubens. Nur reiche es eben nicht, an einem einzigen Tag das Richtige zu sagen, wenn man an allen anderen der Spaltung des Landes, oft sogar unverhohlenem Hass das Wort rede.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies