Tödlicher Brandanschlag in Solingen: Trauerkundgebung für die Opfer
Nach dem mutmaßlichen Mord an einer Familie in Solingen wird am Donnerstag um die Opfer getrauert. Ein rassistisches Motiv ist nicht auszuschließen.
Man trauere um die vierköpfige bulgarische Familie und sorge sich um die Schwerverletzten. Beim Großbrand am 25. März in dem Mehrfamilienhaus sind neben den 28 und 29 Jahre alten Eltern ihr drei Jahre altes Kleinkind und ein fünfmonatiger Säugling gestorben. Weitere Bewohner verletzten sich teils schwer. Weil der Fluchtweg über das Treppenhaus versperrt war, waren einige Bewohner aus den Fenstern gesprungen.
In dem gemeinsamen Aufruf kritisierten die Vereine, dass die Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte für ein rassistisches Motiv sehe. „Das sehen wir nach den Erfahrungen mit dem mörderischen Brandanschlag von Solingen 1993, nach den NSU-Morden, nach Hanau und Halle anders“, hieß es im Aufruf, „die aktuell laufende rassistische Mobilisierung erinnert – nicht nur uns – an die gesellschaftliche Stimmung der Neunziger Jahre vor Rostock, Mölln und Solingen.“
Der mutmaßliche Brandanschlag schockierte viele Menschen, weil das katastrophale Feuer nicht nur bei vielen Solingern schlimme Erinnerungen geweckt hat: Im Mai 1993 waren bei einem rassistischen Brandanschlag fünf Menschen ermordet worden. Es war einer von vielen Anschlägen einer bundesweiten Welle rechter Gewalt Anfang der neunziger Jahre auch im Zuge der damaligen „Asyldebatte“.
Bewohner mehrheitlich mit Migrationshintergrund
Tatsächlich war vor anderthalb Jahren im selben Haus schon einmal ein Feuer gelegt worden, wie der WDR berichtete – damals ebenfalls im Treppenhaus. Der Sozialdezernent der Stadt Jan Welzel sagte, er sei zutiefst schockiert und sprach den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. Er sicherte Betroffenen unbürokratische und schnelle Hilfe zu. Insgesamt sind demnach 30 Personen von dem Brand betroffen.
In dem mutmaßlich vorsätzlich in Brand gesetzten Solinger Mehrfamilienhaus haben laut Staatsanwaltschaft auch weitere Menschen mit Migrationshintergrund gewohnt. „Das Haus war zweifellos auch von Migranten bewohnt“, sagte ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Der Islamverband Ditib hatte in einer Mitteilung vom Mittwochabend angegeben, das Feuer sei „in einem mehrheitlich von Menschen mit Migrationshintergrund bewohnten Haus“ gelegt worden.
Die Staatsanwaltschaft geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus. In dem hölzernen Treppenhaus seien Reste eines Brandbeschleunigers nachgewiesen worden, hatte die Ermittlungsbehörde am Mittwoch erklärt. Ermittelt werde wegen Mordes und versuchten Mordes. Anhaltspunkte für ein „fremdenfeindliches Motiv“ lägen aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht vor. Allerdings geht auch die Behörde davon aus, dass es sich bei den Getöteten wahrscheinlich um eine aus Bulgarien kommende Familie handelt, eine Identifizierung stand aber noch aus.
Auch die Schwerverletzten bulgarisch
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft ergänzte am Donnerstag, man gehe derzeit davon aus, dass es sich neben der getöteten Familie auch bei einer weiteren schwer verletzten Familie um Bulgaren handele. Ob unter den Bewohnern womöglich weitere Nationalitäten vertreten seien, könne man noch nicht sagen.
Nach Angaben der Türkisch-Islamischen Union Ditib (Köln) sind bis auf eine Person alle Hausbewohner „türkischstämmige Muslime aus Bulgarien oder der Türkei“. Bei der getöteten Familie handelt es sich dem Islamverband zufolge um eine „muslimische Familie mit bulgarischer Staatsbürgerschaft“.
Die Ditib-Gemeinde vor Ort habe bereits erste Gespräche mit den Hinterbliebenen aufgenommen. Bewohner waren in der Nacht zu Dienstag in Todesangst aus dem etwa 100 Jahre alten brennenden Altbau auf die Straße gesprungen. Laut Mitteilung der Stadt Solingen wurden drei Menschen schwer verletzt. Weitere fünf Personen erlitten der Staatsanwaltschaft zufolge ebenfalls Verletzungen, aber weniger schwer.
Viele Politiker*innen und politische Initiativen forderten Aufklärung. So mahnte die Amadeu Antonio Stiftung auch mit Blick auf den Brandanschlag von 1993 „umfassende Ermittlungen“ an. Die Staatsanwaltschaft habe in „kürzester Zeit verkündet, es läge kein ‚fremdenfeindliches Motiv‘ vor. Hinweise für das Gegenteil liegen aber auch nicht vor“, schrieb die Stiftung. Es stelle sich die Frage, ob die Lehren aus der Vergangenheit ignoriert werden: Bevor der Fall vorschnell zu den Akten gelegt werde, brauche es jetzt umfassende Ermittlungen – „die Geschichte hat zu oft gezeigt, dass Rassismus in Deutschland eine tödliche Realität ist“. (mit dpa)
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