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Todesstrafe in IranSchwedischer Iraner erhängt

Der Doppelstaatsbürger Habib Chaab war wegen angeblicher Korruption und Spionage zum Tode verurteilt worden. EU und Schweden verurteilen die Exekution.

Der schwedisch-iranische Staatsbürger Habib Chaab im Oktober 2022 vor Gericht in Teheran Foto: Mizan News Agency/WANA via REUTERS

Teheran afp | Der Iran hat einen zum Tode verurteilten schwedisch-iranischen Dissidenten hingerichtet. Das Todesurteil gegen Habib Chaab, „den Anführer der Terrorgruppe Harakat al-Nidal“, sei am Samstagmorgen vollstreckt worden, hieß es auf der Justiz-Website Misan. Demnach wurde der Doppelstaatsbürger erhängt.

Schwedens Außenminister Tobias Billström verurteilte die Hinrichtung als „unmenschlich“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte einen Stopp der Hinrichtungen im Iran.

Chaab war seit Oktober 2020 im Iran inhaftiert, nachdem er während einer Türkei-Reise verschwunden und einen Monat später in Teheran vor Gericht gestellt worden war. Ihm wurde vorgeworfen, seit 2005 Angriffe „unter dem Schutz“ des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad und des schwedischen Geheimdienstes Sapo verübt zu haben.

Chaab wurde der „Korruption auf Erden“ schuldig gesprochen wegen der Bildung und Führung einer Rebellengruppe namens Harakat al-Nidal (Arabische Bewegung zum Kampf für die Befreiung von Ahwas) und am 6. Dezember zum Tode verurteilt. Im März bestätigte das Oberste Gericht des Landes das Urteil.

Schwedens Einsatz für Chaab blieb erfolglos

Schweden, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, verurteilte die Hinrichtung Chaabs. „Die Todesstrafe ist eine unmenschliche und unumkehrbare Strafe“, schrieb Außenminister Billström im Onlinedienst Twitter. „Schweden verurteilt gemeinsam mit dem Rest der EU ihre Anwendung unter allen Umständen.“ Stockholm hatte sich demnach zuvor mit Teheran in Verbindung gesetzt „und gefordert, dass das Urteil nicht vollstreckt wird“, fügte Billström hinzu.

Der EU-Außenbeauftragte Borrell verurteilte im Namen der EU die Hinrichtung „aufs Schärfste“. „Die EU spricht der Familie von Herrn Chaab ihr Beileid aus und bekundet ihre uneingeschränkte Solidarität mit Schweden“, hieß es in der am Samstag im Onlinedienst Twitter veröffentlichten Erklärung.

Die EU fordert darin den Iran auf, von künftigen Hinrichtungen abzusehen. „Die zunehmende Zahl der willkürlich in Iran inhaftierten Staatsangehörigen der EU (…), die Beschränkungen des konsularischen Zugangs von EU-Bürgern, die Verweigerung des konsularischen Schutzes und des Rechts auf ein faires Verfahren stehen in direktem Widerspruch zum Völkerrecht“, erklärte Borrell.

Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights mit Sitz in Norwegen verurteilte die Hinrichtung ebenfalls. Sie erklärte, Chaab sei „nach seiner Entführung gefoltert“ worden, und forderte eine „starke Reaktion der internationalen Gemeinschaft“.

Erzwungenes Geständnis?

Der Iran betrachtet Harakat al-Nidal als „terroristische Gruppe“ und wirft ihr vor, Anschläge in der südwestiranischen Provinz Chusestan organisiert zu haben. In der ölreichen Provinz lebt eine große arabische Minderheit, deren Mitglieder seit langer Zeit über Ausgrenzung klagen. Ahwas ist die Hauptstadt von Chusestan.

Das iranische Staatsfernsehen hatte ein Video veröffentlicht, in dem sich Chaab zu einem Anschlag im Jahr 2018 auf eine Militärparade in Ahwas bekannte. Dabei waren nach Behördenangaben 25 Menschen getötet und fast 250 weitere verletzt worden.

Chaab sagte in dem Video außerdem, dass er mit saudiarabischen Geheimdiensten zusammenarbeite. Menschenrechtsgruppen außerhalb des Iran sehen solche Geständnisse häufig als „erzwungen“ an und argumentieren, sie würden nicht aus freiem Willen abgelegt.

16 westliche Staatsbürger in Iran in Haft

Derzeit sind im Iran mindestens 16 Menschen mit westlicher Staatsbürgerschaft inhaftiert. Die meisten von ihnen haben auch die iranische Staatsbürgerschaft. Im Januar sorgte der Iran mit der Hinrichtung des früheren britisch-iranischen Politikers Aliresa Akbari international für Empörung, der wegen angeblicher Spionage verurteilt worden war.

Ende April bestätigte das Oberste Gericht im Iran die Todesstrafe gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd. Im Ausland ansässige Aktivisten haben dem Iran eine Politik der „Geiselnahme“ vorgeworfen. Diese ziele darauf ab, Zugeständnisse zu erlangen oder die Freilassung von im Ausland inhaftierten Iranern zu erreichen.

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4 Kommentare

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  • das ist die welt ...

    in der wir leben.



    im 21. jahrhundert.



    mit aus dem mittelalter überlieferten bestrafungen.



    wahre macht braucht keine gewalt.

  • Es ist billig und ohne Risiko den Iran auf's Schärfste zu verurteilen und betroffen zu wirken. Es ist nicht billig und nicht ohne Folgen, wenn die EU und andere Staaten endlich durchgreifen würden. Totaler Boykott iranischer Aus- und Einfuhren und absolut strengste Verbote die iranischen Verantwortlichen und deren Umfeld in die EU reisen zu lassen. Aber dann jault die Wirtschaft auf und das geht nicht. Da bleibt der Friedensnobelpreisträger EU lieber still...

    • @Perkele:

      Oder Botschafter ausweisen.

      Das sind wachsweiche Lippenbekenntnisse, auch das AA wirkt erschreckend unberührt.

      Die Wirtschaftsinteressen, die Sie ansprechen, lassen sich ausbuchstabieren, von zentraler Bedeutung ist die Straße von Hormus, deren Sperrung der Iran immer wieder androht:

      "Die Meerenge, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman verbindet, gilt als eines der wichtigsten Nadelöhre des weltweiten Ölhandels. Sie verbindet den großen Ölproduzenten Saudi-Arabien über den Golf von Oman ins Arabische Meer und von dort in alle Häfen der Welt. Saudi-Arabien, Kuwait und der Iran können auf diesem Weg Öl nach Asien, Europa und Nordamerika liefern. Etwa ein Drittel aller weltweiten auf dem Seeweg transportierten Öltransporte werden über die Straße von Hormus verschifft"

      www.zeit.de/wirtsc...oelhandel-iran-usa

      Hinzugefügt werden muss Katar, dessen Exporte auch da durch müssen: 》Vergangenen Herbst reiste Minister Habeck nach Katar, um dort eine „Energiepartnerschaft“ mit dem autoritären Emirat zu vereinbaren. Herausgekommen ist unter anderem ein Vertrag, nach dem das Emirat Deutschland bis zu zwei Millionen Tonnen LNG jährlich liefert. Start ist 2026, die Laufzeit beträgt mindestens 15 Jahre. Eine Schlagzeile lautete: Der „Bückling-Deal“ [...] 15 Jahre ab 2026? Aber das bedeutet doch, dass die Bundesrepublik 2041 immer noch fossiles Erdgas importiert! Ganz kurz, bevor Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral sein will. Wie geht das zusammen? Warum binden wir uns schon wieder an eine fossile Infrastruktur, anstatt nach Alternativen zu suchen? Es scheint, als glaube die Bundesregierung – schon wieder einmal – dem Singsang der Gaslobby. So tönt nämlich „Zukunft Gas“: „Nur LNG-Transporte bieten nachhaltige Alternativen zu russischem Pipelinegas“《

      www.freitag.de/aut...-terminal-ans-bein

      • @ke1ner:

        "Botschafter ausweisen"

        Welchen Nutzen erwarten Sie denn davon?

        "Straße von Hormus, deren Sperrung der Iran immer wieder androht"

        Warum hat es der Iran denn dann nicht schon früher wegen anderer Sanktionen getan? Ich denke, weil mit der Schließung dieses internationalen Seeweges auch die Häfen der Anreinerstaaten am persischen Golf unter Blockade kämen. Die könnten dann auch nicht exportieren. Das kann in einen Krieg mit diesen münden, vor allem mit Saudi-Arabien. China wird auch nicht begeistert sein. Einen Krieg mit den Nachbarn wegen eine Paar EU-Sanktionen wird der Iran ja wohl kaum vom Zaun brechen. Ich erachte das als leere Drohung.

        "Wie geht das zusammen?"

        Diese 2 Millionen LNG im Jahr entsprechen gerundet 29 Mrd. kWh Energie.

        www.unitjuggler.co...ach-kWh.html?val=2

        Der Gasverbrauch von Deutschland ist ca. 1.000 Mrd. kWh.

        www.bdew.de/servic...rauch-deutschland/

        Diese Lieferung aus Katar sind also lediglich 3% des Gesamtbedarfs. Eine Jahreslieferung deckt nicht mal den Bedarf für August, wo nicht geheizt wird.

        Ca. 40% wird für Heizungen von Wohnungen verwendet, und man kann nicht von einem Jahr aufs andere alle Heizsysteme austauschen. Außerdem wird Gas nicht nur verheizt und verstromt, sonder dient auch als Grundmaterial in der chemischen Industrie. Zum Beispiel Düngemittel: allein auf die hierzu erforderliche Ammoniakproduktion mit dem Haber-Bosch-Verfahren entfallen ca. 1,4% der globalen CO2-Ausstösse.

        www.destatis.de/DE.../PD22_N044_43.html

        www.youtube.com/watch?v=7NfWbcvKRVw

        www.carbonbrief.or...or-climate-change/

        Soweit überhaupt möglich, braucht die Umstellung eben diese Jahre, die durch diese Laufzeiten abgedeckt werden müssen. Deutschland - aber auch die ganze Welt - wird noch lange Erdgas brauchen.