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Todesstrafe für vergewaltigte SudanesinNoura will leben

Eine zwangsverheiratete Neunzehnjährige tötete ihren Mann, als er versuchte, sie zu vergewaltigen. Ihr droht nun die Hinrichtung.

Noura, 19, hätte nach der Vergewaltigung unter Schock gestanden, argumentieren ihre Anwältinnen Foto: dpa

Berlin taz | Noura Hussein ist sechzehn und hat einen Traum: die Schule beenden und Lehrerin werden.

Noura hat Pech. Sie ist im ostafrikanischen Sudan zur Welt gekommen – einem Land, in dem der Wunsch einer Frau weitaus weniger gilt als der eines Mannes.

Nouras Vater – die Familie ist muslimischen Glaubens – verheiratet seine Tochter gegen ihren Willen an einen Cousin. Obwohl sie noch minderjährig ist. Das ist erlaubt im Sudan, wo Mädchen ab ihrer Pubertät verheiratet werden dürfen, ja sogar schon mit zehn Jahren, wenn ein Richter dem zustimmt.

Noura will nicht, doch sie hat keine Wahl. Sie rettet sich ins Haus ihrer Tante, fast 300 Kilometer entfernt von ihrer Heimatstadt Omdurman.

So berichten es zahlreiche internationale Medien, darunter der Guardian, Al-Jazeera und CNN.

Sie und ihr Ehemann sehen aus wie Fremde – sind sie ja

Über zwei Jahre bleibt Noura bei ihrer Tante, bis ihr Vater sie in die Heimat zurück lockt. Die Hochzeit – die Zeremonie steht noch immer aus – sei abgeblasen, sie solle unbesorgt zurückkommen.

Noura zögert nicht lange, ihre Familie, die sie Jahre nicht gesehen hat, fehlt ihr.

Das Versprechen des Vaters entpuppt sich als Falle. Die Hochzeit findet statt. Ein Zurück gibt es jetzt nicht mehr.

Im Netz kursiert ein Bild von Nouras Hochzeit. Sie, eine schöne, stolze Frau mit vollen Lippen und markanten Augenbrauen, trägt eine traditionelle weiße Tracht, ihr Haar ist bedeckt. Sie blickt auf den Boden. Keine Spur von einem Lächeln. Ihr Bräutigam sieht auch nicht viel glücklicher aus. Sie wirken wie zwei Fremde, auch wenn sie dicht beieinander stehen. Sind sie ja auch.

Ihr Vater übergibt seine Tochter der Polizei

Noura weigert sich, nach der Vermählung mit ihrem Mann Sex zu haben, obwohl das im Sudan als die Pflicht einer Ehefrau angesehen wird. Am sechsten Tag holt sich der Ehemann Verstärkung von drei Verwandten. Erst reden die auf seine widerborstige Ehefrau ein. Als sie sich nicht überzeugen lässt, halten sie sie fest – einer an den Armen, zwei an den Beinen –, während ihr Ehemann sie vergewaltigt.

Ich werde hingerichtet, bevor meine Träume in Erfüllung gehen konnten

Noura Hussein, 19

Am nächsten Morgen will er sich erneut an ihr vergewaltigen. Sie entkommt ihm, rennt in die Küche, schnappt sich ein Messer und sticht auf ihn ein. Er wehrt sich, kratzt und beißt sie, doch sie sticht mehrmals zu.

Daraufhin flieht sie zu ihren Eltern.

Nouras Mann stirbt an seinen Verletzungen. Ihr Vater übergibt seine Tochter der Polizei.

Ihre Familie erscheint nicht vor Gericht, dafür viele Fremde

Noura wird der Prozess gemacht. Am 10. Mai 2018 – mittlerweile ist sie 19 – erscheint sie zur Urteilsverkündung. Allein. Von ihrer Familie ist niemand gekommen. Dafür viele Wildfremde, die sie unterstützen wollen. Und die teilweise von Sicherheitskräften – denen nachgesagt wird, immer wieder Frauen in Haft zu vergewaltigen – verprügelt werden, wegen Transparenten, die sie in den Händen halten.

Der Richter legt der Familie des ermordeten Ehemanns nahe, Noura zu verzeihen. Außerdem könne sie eine finanzielle Kompensation annehmen. Beides lehnt die Familie ab. Der Richter verhängt die Todesstrafe. Tod durch den Strick. Wegen vorsätzlichen Mordes. Noura wird zitiert mit den Worten: „Ich werde hingerichtet, bevor meine Träume in Erfüllung gehen konnten.“

Ihre Anwälte – hauptsächlich in den USA lebende Frauen, teils sudanesische Musliminnen – haben nun fünfzehn Tage Zeit, um in Berufung zu gehen. Aktivistinnen haben eine Twitter-Kampagne gestartet unter dem Namen #JusticeForNoura. Eine Petition wurde bereits von über 80.000 Menschen unterzeichnet. Amnesty International fordert die Aufhebung der Todesstrafe.

Zuletzt wurden 2011 sieben Menschen im Sudan hingerichtet. Die Todesstrafe gegen die – im neunten Monat schwangere – sudanesische Christin Mariam Ibrahim wegen vermeintlicher Abtrünnigkeit vom Islam konnte 2014 abgewendet werden.

Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand

Nouras Anwältinnen argumentieren, sie sei durch ihre Vergewaltigung traumatisiert gewesen und hätte unter Schock gestanden, was ihre Zurechnungsfähigkeit beeinflusst habe.

Der Guardian zitiert die Aktivistin Tara Carey von der NGO Equality Now: „Noura ist keine Kriminelle, sondern ein Opfer. Und als solches sollte sie behandelt werden. In anderen Ländern erhalten Opfer von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt Unterstützung, um ihr Trauma zu überwinden.“

Im Sudan ist Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand (in Deutschland ist sie das seit 1997). Auf dem sogenannten „Gender Inequality Index“, mit dem die Vereinten Nationen Diskriminierung von Frauen statistisch zu erfassen versuchen, belegt der Sudan Platz 165 von 188.

AktivistInnen hoffen, dass der sudanesische Staatschef Omar al-Baschir Noura begnadigt. Aber was ist von einem Staatschef zu erwarten, der selbst vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Fahndung ausgeschrieben ist? Die Vorwürfe gegen ihn richten sich vor allem auf den Darfur-Krieg, bei dem sogenannte (im Auftrag der Regierung agierende) Reitermilizen („Dschandschawid“) reihenweise Frauen auf brutalste Art vergewaltigten. Geahndet wurden diese Verbrechen nie.

Applaus kam von der Familie des Ehemanns

Eine Augenzeugin, die während Nouras Prozesses anwesend war, berichtet auf Twitter, die Familie von Nouras Ehemann hätte bei der Urteilsverkündung applaudiert.

Noura kann in Haft Briefe empfangen, was eine Aktivistin für sie organisiert hat. Am besten man schreibe ihr auf Arabisch, aber Englisch gehe zur Not auch, so die Initiatorin. Die Email-Adresse lautet: JusticeForNoura@gmail.com

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5 Kommentare

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  • Das ist schlimm. Schlimm ist aber auch, dass manche der Meinung sind, das Zusammenleben müsse täglich neu ausgehandelt werden und jegliche Errungenschaften von Aufklärung und Humanismus stünden dabei zur Debatte.

    • @Chutriella:

      Ohne die Tat zu entschuldigen oder sie angreifen zu wollen, aber man darf nicht vergessen das im Sudan Krieg, Gewalt, Armut und Bildungsnotstand zum Alltag gehören.

      Da ist nicht viel mit Aufklärung und Humanismus. Es geht für die Menschen ums tägliche Überleben. Aber für die EU sollte es zur Debatte stehen. Sie macht mit dem für die Zustände verantwortlichen Staatschef Umar al-Baschir Geschäfte, damit er Europa die Flüchtlinge vom Hals hält.

      Die EU bezahlt einem Diktator dafür, das die Menschen die vor ihm fliehen wollen, noch weniger Chancen haben all dem zu entkommen.

      Da wehre doch mal eine Debatte Über die Errungenschaften von Aufklärung und Humanismus durchaus angebracht.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Andreas J:

        Ungeachtet der aktuellen Situation des Landes: es wäre an der Zeit, in Ländern wie dem Sudan mit jahrhundertelangen unterdrückerischen patriarchalen Strukturen aufzuräumen. Möglicherweise geht das nur gewaltsam.

        Die Phase in der Nachkolonialzeit in der sozialistische emanzipatorische Träume gelebt wurden, war in Afrika sehr kurz und liegt nun schon ziemlich lange zurück.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Ich hoffe sehr, dass die Aktivitäten der jungen Frau helfen! Das ist ein so unfassbares Leid.

    Was in dem Bericht fehlt:

    Wenn die Todesstrafe nicht verhängt wird, kommt sie dann frei? Wohin kann sie dann gehen? Ist es nicht möglich, sie aus dem Sudan nach Deutschland zu holen?

     

    Immer wieder sind Religionen schuld an solchen unmenschlichen Handlungen.

    Zwangsheirat, Vergewaltigung, meistens trifft es Frauen, aber auch Homosexuelle, und Menschen ohne oder mit einem anderen Glauben.

    Genau aus diesem Grund stellen sich mir alle Nackenhaare und mir wird regelrecht übel, wenn es Verfechter irgendeiner menschenverachtenden Religion gibt.

    Schämt euch dafür!

    Diese sollte gar nicht mehr irgendwo dazugehören. Es gab mal Hexenverbrennungen bei uns. Ist noch gar nicht solange her. Sind wir nicht froh, dass diese Zeit Vergangenheit ist? Dass heute jeder so leben kann wie er möchte?

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Religion legitimiert doch bloß das Verhalten gegenüber Minderheiten und Marginalisierten. Ohne Religion findet sich ein anderer Vorwand. Die spannende Frage muss also lauten, worin die Motivation besteht Herrschaft über andere auszuüben.

      Blöd ist es wohl immer, wenn sowas politisch gewollt ist. So wie die Vergewaltigung in der Ehe auch hierzulande viel zu lange politisch geduldet wurde.