Tod eines Obdachlosen: Aufklärung gefordert
Obdachloser starb nach einem Polizeieinsatz mit Reizgas. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Beamten.
Polizei und Staatsanwaltschaft gaben am Dienstag in einer gemeinsamen Presserklärung bekannt, gegen zwei an dem Einsatz beteiligte Polizeibeamte sei ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge eingeleitet worden. Aus dem Obduktionsergebnis hätten sich Anhaltspunkte ergeben, die den Anfangsverdacht einer Straftat nicht ausschließen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Mona Lorenz, am Mittwoch zur taz.
Unmittelbar nach dem Einsatz, der laut Polizei am 20. April gegen 21.45 Uhr in einem Treppenhaus in der Brückenstraße stattfand, hatte die A-Küche schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte erhoben. Die Küche bezeichnet sich als autonome Gruppe, die in Schöneweide aus gespendeten Lebensmitteln „für alle“ kocht, „weil wir Anarchismus irgendwie verstanden haben“.
Den Obdachlosen Marcel K. haben die Köche offenbar persönlich gekannt. Den Hergang des Polizeieinsatzes beschrieb das Küchenteam nach dem Vorfall im Netz so: Drei Obdachlose, einer davon „unser Nachbar“ – gemeint ist Marcel K. – hätten in einer Durchfahrt geschlafen, als sie von lauten Schreien geweckt worden seien. Zwei der Männer hätten sich sofort erhoben und seien Augenzeuge geworden, „wie unser Nachbar von einem der Cops liegend im Halbschlaf getreten wurde“. Danach habe der Cop an K.s verletztem Bein gezogen, woraufhin sich der gewehrt habe. Danach habe die restliche „Bullentruppe“ auf K. eingeschlagen und Pfefferspray eingesetzt. Aus der Ferne hätten die Zeugen noch gesehen, dass K. bewusstlos abtransportiert wurde.
In der Polizeimeldung war nach dem Vorfall von einem Einsatz wegen Hausfriedensbruch die Rede gewesen. Die drei Obdachlosen seien aufgefordert worden, das Treppenhaus zu verlassen. Einer der drei sei nicht gegangen, habe vielmehr eine Flasche nach den Einsatzkräften geworfen sowie nach ihnen geschlagen. Mittels des Einsatzes eines Reizstoffsprühgeräts sei es gelungen, den Mann zu fixieren. Der habe sich aber weiter gewehrt, plötzlich Atemnot erlitten und das Bewusstsein verloren. Die Polizeikräfte hätten umgehend Reanimationsmaßnahmen eingeleitet, ein Rettungswagen habe den Mann dann in ein Krankenhaus gebracht. Dort ist Marcel K. eine Woche nach dem Vorfall verstorben.
Die beteiligten Beamten sind dem Vernehmen nach weiter im Dienst. Dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge eingeleitet hat, sagt nichts über den Ausgang des Verfahrens aus.„Marcel starb an den Folgen des Angriffs der Cops“, heißt es indes in dem Aufruf zur Demo, die am 2. Juli um 18 Uhr in der Brückenstraße in Niederschöneweide starten soll. Angemeldet sind 50 Teilnehmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen