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Tocotronic zur Corona-KriseVerlässlich antiautoritär

„Hoffnung“ – die Band Tocotronic veröffentlicht zu Ostern einen neuen Song. Über Vereinzelung, Seltsamkeiten – aber auch gegen falsche Imperative.

„In jedem Ton / Liegt eine Hoffnung / Auf einen neuen Zusammenhang“: die Band Tocotronic Foto: Michael Petersohn

Schon komisch: Selbst in einer Zeit maximaler Ungewissheit regieren die Imperative. Hier tönt es, man möge Politikern und führenden Virologen in Sachen Corona gehorsamer folgen – dort, man solle auch in einer Krise nicht jedes Dekret schlucken. Die Band Tocotronic, verlässlich antiautoritär gesinnt, scheint die Songs für solche schrägen Zeiten bereits seit Jahren zu schreiben.

„Die neue Seltsamkeit“ von 1999 klingt jetzt geradezu prophetisch, auch der furiose Song „Sag alles ab“ ist schon 13 Jahre alt. Tocotronic kennen sich also aus mit Isolation, umkreisen beständig die Frage, wie sich Dissidenz und Sehnsucht nach Gemeinschaft vereinen lassen.

Zu Ostern haben sie nun den Song der Stunde veröffentlicht. „Hoffnung“ ist ein schlichtes, schönes Stück, in dem sich Streicher über ein stetig wiederholtes Gitarrenlick erheben. Die Stimme von Sänger und Texter Dirk von Lowt­zow klingt feierlich, aber dennoch tritt hier niemand auf die Kanzel.

Neuer Zusammenhang

„Hoffnung“ ist ein Antidot zu all den Durchhalteparolen, die gerade um die Welt gehen. Der Song verspricht und verlangt nichts, er eröffnet einen Möglichkeitsraum: „In jedem Ton / Liegt eine Hoffnung / Auf einen neuen Zusammenhang“, heißt es. Ein neuer Zusammenhang anstelle der Behauptung, bald werde wieder alles wie immer sein.

Und auch anstelle des frommen Wunsches, die Krise möge die Welt als eine bessere zurücklassen. „Ich hab den Boden schwarz gestrichen / Wie komm ich aus der Ecke raus?“, fragt von Lowtzow. Die Antwort: durch Selbsttranszendenz, die nur ein Gegenüber erlaubt. Kein Appeasement, kein Aktionismus, keine Imperative. Nur Trost durch Empathie.

„Wenn ich dich nicht bei mir wüsste / Dann hätte ich umsonst gelebt.“ So endet „Hoffnung“. Und so beginnt Hoffnung.

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1 Kommentar

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    Ich würde sagen man kennt sich oder"erahnt" sich.



    Jens Balzer hat auch einen guten Artikel geschrieben.



    ......."Hoffnung ruht auf einer schlichten, sacht stoisch wiederholten Gitarrenfigur. Schnell erheben sich darüber Streicher, die den Hörer mit wohligen Harmonien umpuscheln; aber nur, um im nächsten Moment bereits wieder in unbehaglichen Dissonanzen auseinanderzudriften. Das klangliche Fundament dieses Lieds ist unterwühlt von Verzweiflung, doch strahlt die Tapferkeit umso heller darüber, mit der Dirk von Lowtzow die Kraft der Musik besingt. Musik stiftet Hoffnung, weil sie Menschen zueinander bringt beim gemeinsamen Hören; ein Lied stiftet Hoffnung, weil es vereinzelte Töne in einen Zusammenhang setzt, aus dem sich etwas Neues ergibt......"



    (das Wort umpuscheln hats mir angetan)