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Tiktok-Trend „Gingers are Black“Orange is the new Black

„Gingers are Black“, Rothaarige sind Schwarz. Black TikTok hat das beschlossen und unsere rothaarigen Verwandten nehmen dankend und erleichtert an.

Alles „GINGER“ oder was? Foto: Westend61/imago

S eit dem 6. Mai geht ein Tiktok viral, in dem eine Schwarze Frau mit Nachdruck sagt: „Gingers are Black.“ Sie betont, dass alle Rothaarigen, egal wie es um die Farbe ihre Haut steht, Schwarz sind, und schickt noch Videos hinterher, in denen sie ihre These weiter ausführt.

Daraus ist der schönste Tiktok-Trend geworden, den ich bisher miterleben durfte. Denn sowohl Schwarze als auch rothaarige Creators haben auf der Plattform angefangen, mit der Idee zu spielen, was es bedeutet, wenn Rothaarige Teil der Schwarzen Community sind und warum die These, „Gingers“ seien Schwarz, Sinn ergibt.

Entstanden ist ein humorvoller und verblüffend empathischer Austausch über Diskriminierungserfahrungen, Stereotype und Privilegien. Denn die ungefragt Vereinnahmten lehnen ihre neu erlangte Blackness nicht ab. Im Gegenteil: Sie erkennen, dass es eine Ehre ist, in die Community aufgenommen zu werden, und nehmen dankend an, auf der Schwarzen Seite gegen white supremacy zu stehen. Sie hoffen auf eine Einladung zum Cookout, zeigen ihre Dance Moves und zelebrieren ihre neu gewonnene Blackness.

Zunächst dominierten lustige Videos, in denen ironisch und mit Augenzwinkern Zuschreibungen abgeglichen wurden: Sowohl Schwarzen Menschen als auch Rothaarigen wird von weißen ungefragt in die Haare gefasst, beide Gruppen werden sexualisiert und Moment mal – wenn Rothaarige Schwarz sind, dann war die Besetzung von Halle Bailey als Meerjungfrau Arielle gar kein race swap!

Sowohl Schwarze als auch rothaarige Creators haben auf TikTok angefangen mit der These zu spielen, Gingers seien Schwarz

Aus der Ironie wird Herzlichkeit

Die abwertende Bezeichnung „Ginger“ ist außerdem ein Anagramm des N-Worts. Ist euch das schon aufgefallen?

Das Augenzwinkern bleibt, doch aus der Ironie wird schnell Herzlichkeit: Rothaarige erzählen, was sie alles von Schwarzen Menschen lernen. Und sie erkennen an, wie viel Antidiskriminierungsarbeit von der Community geleistet wird, von der andere marginalisierte Gruppen profitieren – auch Rothaarige.

Schwarze Tik­to­ke­r*in­nen nehmen die Ausgrenzungserfahrungen rothaariger Menschen ernst, reagieren empathisch, tröstend, solidarisch. „Noch nie in ihrem Leben habe ich mich so zugehörig gefühlt wie jetzt durch diesen Trend“ schluchzt eine Frau mit roten Locken in die Kamera.

Der spielerische Umgang mit „race“ macht Hoffnung

Während in den Kommentaren immer wieder die Sorge aufploppt, dass irgendwer den Spaß für alle, besonders für die nun so euphorischen Rotschöpfe, ruinieren könnte, fordern einige Rothaarige andere dazu auf, sich bei allem Spaß ihrer Privilegien bewusst zu bleiben, Rassismus nicht zu reproduzieren und durch den Trend entstandene Einnahmen an Schwarze Organisationen zu spenden.

Als Schwarze Frau gibt mir besonders die Leichtigkeit in der eigenen Community Hoffnung. Wenn wir gerade in diesen Zeiten Verständnis zeigen, Freude teilen und Platz am Tisch machen können, also wenn es trotz allem noch Momente gibt, in denen spielerisch mit „race“ umgegangen wird und wir für einen Internetspaß und einen symbolischen Akt der möglichen Verschwisterung unseren Schmerz und die kollektive Gewalterfahrung hintanstellen können, dann ist das ein Zeichen der Hoffnung, das diesen Trend überdauern kann.

Man kann tatsächlich jedem Thema mit Humor begegnen. Es kommt eben darauf an, wie.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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8 Kommentare

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  • Alles daran ist großartig!!!

    Es sollten sich viel mehr marginalisierte Gruppen verschwistern.

    Rassismus ist Ausgrenzung, Diskriminierung und Marginalisierung auf Grund von Kultur, Religion, Abstammung und/oder biologischen Merkmale die vermeintlich auf eine Zugehörigkeit zu den ersten drei Merkmale deutet.

    Zusätzlich gibt es eine historisch belegte Diskriminierung bei beiden Gruppen.



    Beispiele wären Hexenverfolgung oder die Diskriminierung der Iren in den USA im 19. Jh.

    Ein Buchtip:



    "Red: A History Of The Redhead"

  • Klingt doch, als würde es für alle gut passen. Sowas zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht. Dann stehe ich euch allen als Ally beiseite! ❤️

  • Macht alles in allem Sinn! Rassismus hat nichts mit Biologie zu tun, einzig mit kultureller Ausgrenzung.

  • Um mal den Song „Prejudice“ von Tim Minchin zu zitieren „Only a ginger can call another ginger Ginger“ und zweitens möchte ich mit ihrem rassistisch-identitären Weltbild nichts zu tun haben.

  • Ich möchte aber nicht schwarz sein und auch nicht, dass andere für mich sprechen.



    Aber toll wie gefeiert wird, dass schwarze die Identität von gingers assimilieren.

  • M.I.A. hat auch schon einmal sehr drastisch mit der Idee der Ginger- Diskriminierung gespielt:



    m.youtube.com/watc...IG1pYQ%3D%3D&rco=1

    Und South Park hat auch einen gute Beitra geleistet – wie fast immer: www.southpark.de/e...ids-season-9-ep-11

  • Okeee, spannend! - Und als Ex-Rothaarige (time takes its toll and some Farbpigmente) mit Sommersprossen noch eins hinterher: Früher für gehänselt, heute malen sich die Einfarbighäutigen hellbraunrötliche Punkte ins Gesicht - pfui, fake! Und, ätsch: Wir haben sogar welche auf den Knien und n Äffchen und n Pferd...

  • " Sowohl Schwarzen Menschen als auch Rothaarigen wird von weißen ungefragt in die Haare gefasst"



    Was ist denn das eigentlich für eine Unlogik, "Schwarz" groß zu schreiben, "weiß" aber klein ?







    Anm. d. Red.: Hallo, wir antworten mal direkt im Kommentar:

    Schwarze Menschen, Schwarze*r

    ist eine Selbstbezeichnung von Menschen mit beispielsweise afrikanischen, karibischen oder afro-US-amerikanischen Vorfahren. Schwarz wird in diesem Zusammenhang immer groß geschrieben, um deutlich zu machen, dass damit keine Hautfarbe beschrieben wird. Schwarz ist vielmehr eine politische Selbstbezeichnung, die gemeinsame Erfahrungen sowie die gesellschaftspolitische Position und die Lebensrealität von Menschen beschreibt, die von Anti-Schwarzem Rassismus betroffen sind.







    Zitiert aus: https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/schwarze-menschen-schwarzer/