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Tigray nach dem FriedensabkommenTPLF-Entwaffnung nur halb geklärt

Äthiopiens Regierung und der Tigray-Volksbefreiungsfront machen Schritte zur Umsetzung der Vereinbarung. Die humanitäre Hilfe bleibt offen.

Der Chef der TPLF (links) und der Stabschef der äthiopischen Streitkräfte (mitte) am Samstag in Nairobi Foto: Brian Inganga/ap

Berlin taz | Zehn Tage nach dem Friedensabkommen zwischen Äthiopiens Regierung und der in der Region Tigray herrschenden TPLF (Tigray-Volksbefreiungsfront) haben die beiden Seiten erste konkrete Schritte zur Umsetzung vereinbart. Im Anschluss an Gespräche in Kenias Hauptstadt Nairobi unterzeichneten hochrangige Kommandeure beider Seiten am 12. November eine „Erklärung über die Modalitäten der Implementierung“ des Abkommens, das am 2. November in Südafrikas Hauptstadt Pretoria geschlossen worden war. Es wurde insbesondere ein Zeitplan zur Truppenentflechtung und zur Entwaffnung der TPLF festgelegt.

Nach einer siebentägigen Phase der „Orientierung“, in der den Soldaten beider Seiten die Lage erklärt wird und die am 15. November beginnt, soll über vier Tage die Truppenentflechtung vollzogen werden, die somit am 19. November endet. Ab dann übernehmen die äthiopischen Behörden die Verantwortung in ganz Tigray. Innerhalb von zwei Wochen, also bis 26. September, soll ein gemeinsamer Ausschuss beider Seiten einen „klaren Plan für den Ablauf und den zeitlichen Rahmen“ der Abgabe der leichten Waffen der TPLF erarbeiten. Die Afrikanische Union (AU) als Friedensvermittler wird daran teilnehmen. Bereits ab 22. November soll die im Friedensvertrag vereinbarte AU-Überwachungsmission ihre Arbeit aufnehmen.

Die beiden heikelsten Aspekte des Friedensschlusses werden in der Erklärung von Nairobi zwar bekräftigt, aber ohne Zeitplan. Die Abgabe der schweren Waffen der TPLF soll demnach „zeitgleich mit dem Abzug ausländischer und Nicht-ENDF-Kräfte aus der Region“ erfolgen. Mit „ausländischen“ Kräften ist die Armee Eritreas gemeint, die in Tigray gegen die TPLF kämpft. „Nicht-ENDF-Kräfte“ sind alle Milizen, die nicht Teil der äthiopischen Armee ENDF sind, etwa die aus der Region Amhara, die den Westteil Tigrays besetzt halten.

Weder Eritrea noch Amhara-Vertreter waren an den Friedensgesprächen beteiligt und es ist unklar, ob sie sich davon gebunden fühlen und was geschieht, falls sie es nicht tun. Der Vollzug des Friedensprozesses hängt damit nun an Dritten, die besonders radikal gegen die TPLF eingestellt sind. So öffnet sich ein Schlupfloch für die TPLF, ihre schweren Waffen zu behalten.

Zweiter Punkt: die humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung Tigrays. Sie soll wiederaufgenommen werden, allerdings gibt es dafür keinen Zeitplan. Und da Äthiopiens Regierung behauptet, es fließe bereits wieder Hilfe nach Tigray, Hilfswerke das aber nicht bestätigen, bestehen begründete Zweifel.

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1 Kommentar

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  • Der Konflikt macht deutlich, wie wichtig es ist, immer auf Verhandlungen zu setzen und niemals einen Kriegsextremismus zu erlauben, der gegen Verhandlungen agitiert. Niemand hätte geglaubt, dass in diesem furchtbaren Konflikt zu Lösungen führen können. Doch nun scheinen echte Fortschritte, Rettung von Menschenleben, erzielbar. Es ist zu hoffen, dass dies denjenigen, die nach meiner Ansicht verblendet gegen Verhandlungen bei anderen Konflikten auftreten, die Augen öffnen und sie zurück zu Verstand und Menschlichkeit bringen wird. Gerade weil in diesem Konflikt extreme Verbrechen begangen wurden und weil hinter Verbrechen natürlich auch Menschen, also Verbrecher stehen, musste und muss doch verhandelt werden. Das gilt - und galt von Anfang an .- ebenso für den Krieg gegen die Ukraine.