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Tiertransporte auf dem MittelmeerKälber auf tödlicher Irrfahrt

Zwei Schiffe mit über 2.500 Stück Vieh irren seit zwei Monaten übers Mittelmeer. Die Tierquälerei ist Folge eines Kompetenzwirrwarrs.

Mit dem Schiff in den Tod: „Karim Allah“ im Hafen von Cartagena Foto: Juan Medina/reuters

Madrid taz | Es ist das traurige Ende von über zwei Monaten Odyssee auf hoher See. 895 Kälber, die sich auf dem Transportschiff „Karim Allah“ befinden, werden am Dienstag im spanischen Mittelmeerhafen Cartagena an Land gehen – und dort sofort per Injektionen getötet werden. Die qualvolle Seereise ist die Folge eines Kompetenzwirrwarrs, in das mehrere Länder verwickelt sind. Auch verantwortlich: eine Norm der Europäischen Union (EU).

Eigentlich sollten die Tiere an die Türkei verkauft werden. Die Lieferung wurde dort allerdings abgelehnt. Es bestehe der Verdacht auf Blauzungenerkrankung, lautete die Begründung – und das obwohl die Kälber alle gültige Gesundheitsatteste und Exportpapiere der spanischen Behörden hatten. Der Hintergrund des ganzen sei, so das spanische Landwirtschaftsministerium, dass die „türkischen Behörden das Konzept der Zoneneinteilung der EU ablehnen“.

Überall in der EU werden im Rahmen dieser Zoneneinteilung Produktionsgebiete ausgewiesen. Kommt es in einem dieser Gebiete zu einem Seuchenfall, darf aus dieser Zone nicht mehr exportiert werden. Angeblich stammen einige der Tiere aus einer Nachbarregion eines Gebietes, in dem erst kürzlich Fälle des Blauzungenvirus bekannt wurden.

Deshalb fuhr die „Karim Allah“ nach Libyen, um dort das Vieh loszuwerden. Doch der Ruf, verseuchte Tiere an Bord zu haben, eilte dem Schiff voraus. Auch die libyschen Kunden ließen das Geschäft platzen. Danach irrte das Schiff durchs Mittelmeer. Tunesien verweigerte Futter und Wasser. Erst auf Sizilien wurde das Schiff wieder versorgt. Letztendlich landete die „Karim Allah“ wieder im Ursprungshafen ihrer Fracht, im südostspanischen Cartagena an.

EU importiert keine Lebendtiere

Obwohl die Tiere aus Spanien stammen, dürfen sie aber nicht zurückimportiert werden. Denn die EU exportiert zwar Lebendtiere an Drittländer, importiert aber laut ihren Regularien keine. Ein erneuter Verkauf, der schließlich ebenfalls mit dem Schlachthof enden würde, ist offenbar nicht möglich. „Die tierärztliche Inspektion ergab, dass der Zustand der Kälber eine erneute Reise für den Export in ein Drittland unmöglich macht“, heißt es aus dem Agrarministerium.

Ein zweites Schiff, die Elbeik, die ebenfalls mit 1.776 Tieren seit über zwei Monaten auf dem Mittelmeer umherfährt, ist derzeit von Zypern nach Cartagena unterwegs, wo es am 8. März ankommen soll. Die Tiere wurden im Dezember im katalanischen Tarragona geladen, um nach Libyen verkauft zu werden. Der Deal platzte ebenfalls wegen des unbestätigten Verdachts auf Blauzungenerkrankung. Danach fuhr das Schiff über die italienische Insel Lampedusa nach Ägypten, ohne dort die Fracht löschen zu können. Die Odyssee begann. Wahrscheinlich droht ihnen auch die Einschläferung mit der Spritze.

„Wie der Gesundheitszustand der Tiere tatsächlich ist, wissen wir nicht“, sagt Iris Baumgärtner, Sprecherin der Animal Welfare Foundation (AWF) in Deutschland, die seit Jahren zum Thema Transporte von Lebendtieren recherchiert. Die spanischen Behörden hätten unabhängige Untersuchungen unterbunden. Auch sei nicht klar, wie viele Tiere auf der Irrfahrt bereits verstorben seien.

Laut Baumgärtner kommt es häufig zu Zwischenfällen bei den Tiertransporten. „Immer wieder stehen LKWs voller Tiere tagelang im Niemandsland zum Beispiel zwischen Bulgarien und der Türkei“, weiss sie zu berichten. Da der von der EU eigentlich versprochene Tierschutz bei Lebendtransporten in Drittländer nicht gewährleistet werden könne, forderte AWF eine völliges Verbot dieser Exporte.

Spanien als Drehscheibe für Lebendtierexporte

Spanien ist eines der Hauptexportländer für Lebendtiere aus der EU in Drittländer. Dort werden nicht nur heimische Tiere verkauft. LKWs aus der gesamten EU bringen Kälber kurz nach ihrer Geburt zum Mästen ins nordostspanische Katalonien. Die Fahrt aus Deutschland dauert über 20 Stunden.

2019 verschiffte Spanien rund 147.000 Rinder und rund 750.000 Schafe in Länder auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Nur 24 Prozent der verwendeten Schiffe fahren – laut AWF – unter „Qualitätsflaggen“. Das gilt weder für die in Togo gemeldete „Elbeik“ noch für die „Karim Allah“, die unter libanesischer Flagge fährt. Die Schiffe sind meist völlig veraltet, Strom und Wasserversorgung an Bord mangelhaft. Bei der „Karim Allah“ handelt es sich um eine 1965 vom Stapel gelaufene Autofähre, die später zum Tiertransporter umgebaut wurde.

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16 Kommentare

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  • Tierprodukte (Fleisch, Wurst, Käse, Joghurt, etc.) gehören mindestens in USA und Europa zu der Ernährungskultur.



    Das ist die erste Basis des Problems!

    Die zweite Grundlage ist, dass Tiere juristisch als Sachen gelten.



    (Mensch, merken Sie etwas?)

    Die dritte Voraussetzung ist mangelhafte Bereitschaft sich zu beherrschen, anders ausgedrückt: Die Gier und Verfressenheit. Das ist der wesentliche Grund, warum sich die "Tierprodukte-Beschaffung" in den letzten 50 bis 60 Jahren zu einem monströsen Tierleid-System entwickelt hat.

    Es gibt noch weitere Grundlagen für solche sehr traurigen Ereignisse.

    Und eine einfache Lösung zur Vermeidung:

    Lebe vegan!

  • Deutschland und.... ist kein Rechtsstaat (sondern ein: Legalstaat), da kann solche scheiße praktiziert werden

  • Einfach nur die Zeit aufbringen, um das Exportsubventionssystem INKL. der dazugehörigen regional verschiedenen Durchführungsverordnungen lesen, um zu begreifen, mit welcher Form von "Privilegierung" wir es bei der Praxis dieser "EXPORTWIRTSCHAFT" es zu tun haben.

  • Ist das denn ein Geschäft das den Erfolg der EU oder Spaniens bedeutet. Könnten wir darauf einfach verzichten. So eine EU Kuh kosten 1.340 Euro. Der Gewinn wir kaum 10% betragen. Daher geht es pro Ladung um 10-15 tausend Euro.

    Darauf können wir auch verzichten. Zumal die Ländern wohl dann auch gefrohrenes Fleisch umsteigen werden.

    Es hat sich nie gelohnt Lebewesen zu quälen.

  • Wir können die tägliche Tierquälerei nur beenden, wenn wir weniger Fleisch konsumieren. Wenn es unbedingt Fleisch sein muss, dann bitte nur aus der Region und möglichst Bio-Fleisch ...

    • @Heike Dauksch:

      Nein, die Sklaverei z.B. wurde auch nicht dadurch abgeschaft weil keiner mehr Sklaven-Produkte kaufte. Sondern durch Gesetzesänderungen, und einem besseren Bewusstsein der Gesellschaft.

    • @Heike Dauksch:

      Milch und Milchprodukte sind speziell hier das Problem. Damit eine Kuh dauernd Milch gibt, muss sie regelmäßig Kälber bekommen. Nur wohin damit? Kann man im Artikel nachlesen.

    • @Heike Dauksch:

      Auch bei Biofleisch muss man darauf achten, wie die Tiere geschlachtet werden. Was bringt es dem Tier, wenn es Biofutter bekommen hat, anschließend aber trotzdem nach qualvollen Wochen im Transporter in Osteuropa unter unwürdigen Bedingungen geschachtet wird?



      Da dann bitte auch aufs Demeter-Siegel achten, dass so etwas verbietet oder gleich beim Bauern um die Ecke kaufen, wenn der im Haus Schlachtet.

      Fleisch von glücklichen Tieren gibt es eh nicht.

      • @Cochino:

        Doch es gibt Fleisch von gläücklichen Tieren, aber dann muss der Verbraucher suchen und ein bisschen tiefer in die Tasche greifen. Tiere artgerecht zu halten und ihnen soviel Freiheit wie möglich zu gewähren solange sie leben kostet Zeit und Ressourcen, Land,Maschinen und Futter. Schlachten auf dem Hof darf nur ein Bauer der ein EU zertifiziertes Schlachthaus hat, das lohnt sich nur bei richtig gutem Absatz. Also je mehr Verbraucher gleich beim Erzeuger kaufe, desto besser kann sich dieser ausrüsten und somit diese ganzen verlogenen Produktlabels umgehen.

  • Und wozu das Ganze? Massenhafte Billigmilchproduktion im eigenen Land und Billigfleischexporte in tierrechtsreie Länder. Masse statt Klasse mit allen Kollateralschäden. Ein Armutszeugnis für eine reiche, überernährte Gesellschaft. Politisch gewollt! Klöckner, Deß, Röring und wie sie alle heißen, die Bauern-Nomenklatura der Massentierhaltung aus der "christlichen" Partei.



    Auf der anderen Seite ist das Kosher- und Halal-Schlachten mittelalterlich und barbarisch, eine für mich nicht nachvollziehbare ethikbefreite Kultur auf beiden Seiten.



    Danke für diesen Bericht.



    Die Zukunft ist pflanzlich!

    • @Manzdi:

      Genau! Und die Gewinne aus der systematischen Tierquälerei werden privatisiert, die Kosten von Umweltzerstörung, Gesundheitsfolgen, Milliardenstrafen der EU (Nitrat etc.) hingegen zahlt der Steuerzahler! Skandalös und barbarisch. Die einzige Lösung für viele Probleme heißt VEGAN !!

      • @La Veganista:

        wie bitte?? ..... dann müsste man alle Löwen, Katzen, Vögel......... töten, weil die nämlich auch nicht vegan leben!

        • @S. G.:

          ... und Steuern zahlen die einfach auch nicht....

    • @Manzdi:

      "Kosher- und Halal-Schlachten"



      Bevor man sich an den rituellen Schlachtungen abarbeitet die letztlich nur von einer Minderheit innerhalb dieser religiösen Minderheiten praktiziert werden, sollte man erstmal auf die Zustände der großen Schlachtfabriken im 'Normal'betrieb schauen. Fehlbetäubungsraten von im Mittel 12%, bei kleineren Betrieben auch mal jenseits der 40%! CO2-Betäubung die zwangsläufig immer zu Atemnot und Panik bei den Tieren führt. Und auch beim Töten im Akkord werden unter Zeitdruck viele Fehler gemacht, in der Folge landen knapp 3% der Schweine lebend im Brühkessel.



      Wenn man aber all dies mit keinem einzigen Wort erwähnt, stattdessen aber Juden und Muslime als "barbarisch" verunglimpft, hat das nichts mit Tierschutz sondern mit Ressentiments zu tun.



      albert-schweitzer-...e-fehlbetaeubungen



      dipbt.bundestag.de...17/100/1710021.pdf



      www.tierschutzbund...eim_Schlachten.pdf

      • @Ingo Bernable:

        Von MANZDI wurden mehrere Seiten der Tierquälerei in verschiedenen Gesellschaften gleichermaßen beanstandet.



        Das hat nichts mit Ressentim,ents gegen bestimmte Gruppen zu tun, sondern viel mit Tierschutz !!

      • @Ingo Bernable:

        Danke für die wichtigen Infos und die zugehörigen informativen Links, Ingo!