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Thüringens NPD-Chef WieschkeMissbrauchsvorwurf in alten Akten

Der Thüringer NPD-Chef Wieschke soll vor Jahren ein Mädchen missbraucht haben. Die Anzeige sei ein Racheakt gewesen, sagt der Beschuldigte.

Fühlt sich als Opfer einer Kampagne: Thüringer NPD-Chef Wieschke Bild: dpa

HAMBURG taz | In der NPD sind T-Shirts mit dem Aufdruck „Todesstrafe für Kinderschänder“ sehr gefragt. Die älteste rechtsextreme Partei Deutschlands schürt auf der Straße und im Internet Kampagnen gegen sexuelle Straftäter. In Thüringen fordert ihr Landtagsspitzenkandidat Patrick Wieschke bei einem Verdacht des Kindesmissbrauches die Polizei auf, „die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren, damit Eltern gegebenenfalls ihre Kinder schützen können“. Nun aber stellt sich heraus, dass gegen den NPD-Kandidaten auch schon einmal wegen Missbrauchs ermittelt wurde.

Keine gute Nachricht für die NPD knapp eine Woche vor der Landtagswahl. Am 14. September hofft Wieschke in Erfurt in den Landtag zu ziehen. Die Umfragen sehen die NPD bei 4 Prozent, zudem erreichte die NPD 61 Mandate in 16 Kreisen bei der Kommunalwahl im Mai. Grund genug zur Hoffnung bei den Rechten. Deshalb auch spricht Wieschke von einem „Wahlkampfmanöver linkskrimineller Kreise“.

Am Freitagabend hatte eine antifaschistische Initiative Auszüge aus einer Ermittlungsakte veröffentlicht. Aus der Akte geht hervor, dass 2001 die Polizei gegen Wieschke wegen des Verdachts des „sexuellen Missbrauchs von Kindern“, Körperverletzung und Freiheitsentzug ermittelte. Am 9. Juni 2001 soll der damals 20-Jährige in seiner Eisenacher Wohnung ein 12 Jahre altes Mädchen eingeschlossen, bedroht und sexuell misshandelt haben.

An dem Abend war das Mädchen, nach Aussage bei der Polizei, anfänglich mit einem Freund bei Wieschke. Nachdem der Freund gegangen sei, habe Wieschke die Wohnungstür verschlossen. Als der Vater des Mädchen bei ihm anrief, habe er sie genötigt zu sagen, dass sie bei einer Freundin sei. Ein langes Küchenmesser habe er ihr an den Hals gehalten, als sie sich gewehrt habe, habe sie sich am Handgelenk geschnitten, sagte sie weiter aus. Am Arm habe er sie dann in die Stube gezogen, auf dem Sofa habe er ihr unter dem Pullover an die Brust gefasst– das Messer habe griffbereit gelegen.

Es sei ihr gelungen, ins Schlafzimmer zu fliehen und die Tür zu verbarrikadieren. Mehrfach habe Wieschke versucht, die Tür zu öffnen, und gedroht, sie umzubringen, gab sie in ihrer Zeugenvernehmung vom 13. Juli 2001 an. Nach etwa vier Stunden habe er sie gehen lassen. Bei einer Durchsuchung stellte die Polizei das Messer mit einer 20-Zentimeter-Klinge sicher. Der damalige Polizeichef von Eisenach, Raymond Walk, bestätigte die Echtheit der Akte.

Im März 2002 stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die Ermittlungen ein, da zu diesem Zeitpunkt die Polizei gegen Wieschke wegen eines Sprengstoffanschlags auf einen Döner-Imbiss in Eisenach ermittelte. Das Landgericht Mühlhausen verurteilte ihn zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Der Missbrauchsvorwurf konnte deshalb nie aufgeklärt werden.

„Die Vorwürfe sind allesamt unwahr“, sagt Wieschke dazu. Das Mädchen hätte sich in ihn verliebt gehabt. „Ich habe ihr einen Korb gegeben“, deswegen habe sie die Anzeige gestellt, behauptet er.

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15 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    So lange das Opfer ariscch-deutsch war ist für die Fachos natürlich alles in Ordnung...

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

     

    Kommentar entfernt. Bite halten Sie sich an unsere Netiquette.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @4845 (Profil gelöscht):

      "Bite halten Sie sich an unsere Netiquette."

       

      Das habe ich doch!

  • Ich denke, das Ganze sollte doch noch eher eine Frage der thüringischen Justiz sein, wieso ein Tatverdacht nicht weiter verfolgt wird, weil man noch eine zweite Straftat begeht.

     

    Hier wäre mal Recherche angebracht, mit welchen Begründungen die Justiz in Thüringen einfach Ermittlungen wegen Kindesmißbrauch nach Gutdünken einstellen kann.

     

    Das ist der größte Skandal daran. Dass NPD-Funktionäre meistens Kriminelle sind, weiß man, aber das thüringische Justizbeamte mutmaßlische rechtsextreme Kinderschänder schützen, ist für mich neu gewesen.

  • Der braunenfreundliche Sumpf in der Thüringer Justiz muss endlich trockengelegt werden. Anders ist diese Einstellung des Verfahrens nicht zu erklären

  • Zitat: „Im März 2002 stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen die Ermittlungen ein, da zu diesem Zeitpunkt die Polizei gegen Wieschke wegen eines Sprengstoffanschlags auf einen Döner-Imbiss in Eisenach ermittelte. Das Landgericht Mühlhausen verurteilte ihn zu zwei Jahren und neun Monaten Haft. Der Missbrauchsvorwurf konnte deshalb nie aufgeklärt werden.“

     

    Ach, so, nee, is klar: Wenn gegen so ein Bürschchen wegen eines Sprengstoffanschlags ermittelt wird, muss man natürlich eine Anzeige in einem anderen Zusammenhang nicht mehr weiter verfolgen. Nee, is total klar!

     

    Deutschland - oder besser: die deutsche Justiz - ist so krank!

  • Wegen eines Sprengstoffanschlags hat das Landgericht Mühlhausen den Thüringens NPD-Chef, Herrn Wieschke zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

     

    Das geht in Richtung Terrorismus und schon deswegen muss die NPD endlich verboten werden!

  • Es tut mir leid, aber entbehren, kommt von Entbehrung und hat weder etwas mit Bären noch mit Beeren zu tun. So bärig sieht dieser NPD-Funktionär auch nicht aus.

     

    Es stößt schon sehr merkwürdig auf, wenn ein Ermittlungsverfahren eingestellt wird, weil in anderer Sache gegen dieselbe Person ermittelt wird. Beide Tatbestände haben nichts miteinander zu tun, es sei denn das Mädchen wäre in den Sprengstoffanschlag verwickelt gewesen.

     

    Nun gilt in der Tat die Unschuldsvermutung für jeden Bürger dieses Landes, aber was hindert den Saubermann auf einen Einstellungsbeschluss hinzuweisen? Wozu da noch irgendwelche Erklärungen?

     

    Ist es nicht viel mehr so, dass dieses Nazi-Geschrei "Todesstrafe für Kinderschänder" in einem völlig anderen Licht steht, wenn ein Neonazi daran beteiligt sein könnte?

    • @achterhoeker:

      Das hab ich auch noch nie gehört. Ermittlungen, die eingestellt werden wegen eines anderen Verbrechens. Vor allem eines völlig andersartigen Verbrechens. Bei Dieben, die 20mal einbrechen, werden manchmal nur diejenigen Taten verfolgt, die sich eindeutig nachweisen lassen. Doch hier bin ich etwas an Indien erinnert, wo Gewalt gegen Frauen nur selten zu Verurteilungen führt.

  • Versteh ich nicht, wieso stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, weil gegen den Typ wegen eines Sprengstoffanschlages ermittelt wurde? Gibt es in Thüringen nur einen einzigen Ermittler mit Multitasking-Schwäche?

    • @Flujo:

      Das habe ich mich auch gerade gefragt. Muss man dann einfach ständig neue Verbrechen begehen, damit nie zu Ende ermittelt werden kann?

  • Auch wenn mir die NPD und deren Mitglieder (also 60% Verfassungsschutz) sehr unsympathisch sind, um es milde auszudrücken, gilt für jeden der Unschuldsverdacht.

    Sollten sich seine Parteimitglieder nun gegen ihn stellen, so entbärt sich sich dies nicht einer gewissen Ironie. Nur wer Jugendliche kennt, weiß das so eine Lüge nicht außerhalb der Vorstellungskraft liegt. Ich maße mir hier kein Urteil, weil mal gegen ihne ermittelt wurde. Die Tatsache das er Spitzenkandidat ist und einen Sprengstoffattentat verübt hat beunruhigt mich etwas mehr, aber vielleicht reagiere ich hier ja falsch^^

    • @Der Kommentator:

      Dein Weltbild ist wirklich etwas daneben. Mal abgesehen davon, dass dich also die mögliche Vergewaltigung eines 12-jährigen Mädchens nicht besonders juckt, ist deine Empathie für einen aktenkundigen Gewalttäter und faschistischen Undemokraten absurd. Und deine Unterstellungen, dass Jugendliche angeblich zur Lüge neigen oder zu blöd wären, die Ernsthaftigkeit so einer Anschuldigung zu begreifen, sind dann schon pervers. Außerdem ist auch dem Mädchen klar, wer diese Person ist und in welcher Organisation mit welchem gewaltbereiten Klientel er zusammen ist. Du glaubst doch nicht ernsthaft, sie würde ihr Leben und das ihrer Eltern und Freunde "aus Spaß" aufs Spiel setzen?

       

      Du stellst also der Person, die nachweislich einer menschenverachtenden Ideologie anhängt und auch Gewalttaten gegen Menschen verüben würde einfach mal pauschal frei und hältst ihn für glaubwürdig - gleichzeitig gilt das in deiner Logik aber nicht für das Mädchen, hier verdächtigst du das Opfer schon mal vorab der Lüge. Tolles Wertesystem hast du!

      • @tazzy:

        Ich denke mal, der Autor wollte eher - völlig zu recht - auf die Unschuldsvermutung hinweisen. Eine Ermittlung oder auch eine Anklage sind keine Verurteilungen.

        Auch hat jeder Mensch ein Recht auf ein faires Verfahren, das gilt auch für Neonazis. Es drückt überhaupt keine Sympathien aus, wenn man hier auf die Unschuldsvermutung hinweist. Die besondere Stärke des Rechtsstaat zeigt sich darin, wie er mit Personen umgeht, die in der öffentlichen Wahrnehmung eh schon unten durch sind.

         

        Unrecht mit Unrecht zu bekämpfe schafft kein Recht. Menschenrechte gelten auch für Nazis.

         

        Davon unabhängig bleibt natürlich, dass die NPD gefährliche und dumme Faschisten sind. Aber das mus man politisch lösen (oder bspws. durch ein Verbot der entsprechenden Organisationen) und ist unabhängig von dem hier angesprochenen Strafverfahren.

  • Die harten Beißer müssten nach ihrer Logik die meisten Bisse abbekommen; das war schon immer so.