Theo Steegmann über NRW-Minister Jäger: „Ein Beispiel für die alten Strukturen“
Streiklegende Steegmann hat in Duisburg gegen schwarzen und roten Filz gekämpft. Vom Innenminister ist das SPD- Mitglied enttäuscht: ein Machtpolitiker ohne Visionen.
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taz: Herr Steegmann, Sie sind Sprecher der Initiative „Neuanfang für Duisburg“, die maßgeblich die Abwahl des CDU-Oberbürgermeisters Adolf Sauerland durchgesetzt hat. Was ist aus dem Neuanfang unter dem Duisburger SPD-Vorsitzenden und Landesinnenminister Ralf Jäger geworden?
Theo Steegmann: Der Neuanfang ist gescheitert, weil Ralf Jäger ihn nicht wollte. Der Duisburger SPD-Vorsitzende war damit beauftragt, einen unabhängigen Oberbürgermeisterkandidaten zu finden. Er wollte aber keinen Unabhängigen, sondern die alte Politik nach dem Motto: Ran an die Fleischtöpfe. Deshalb hat er dann mit dem Kandidaten Sören Link einen Mann des Apparats aus dem Hut gezaubert.
Der ist auch gewählt worden.
Ja, aber gerade mal ein Viertel der Duisburger ist überhaupt zur Wahl gegangen. Die Bürger wollten etwas anderes. Viele haben gesagt: Wir wollen nicht, dass der schwarze Filz durch den roten ersetzt wird. Vor dem CDU-Oberbürgermeister Sauerland hat die SPD in Duisburg 50 Jahre regiert. Da hat sich wie überall, wo so lange regiert wird, viel Filz gebildet.
Herr Jäger ist seit 2005 SPD-Chef in Duisburg. Die SPD war im Umbruch, nachdem sie die Macht in NRW verloren hatte. Ist er ein Mann der Erneuerung?
Er ist ein Machtpolitiker ohne Visionen. Er gestaltet nicht, sondern besetzt Positionen. Jäger ist ein Beispiel für die alten, verkrusteten Strukturen im Ruhrgebiet. Er hält am System des früheren NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau fest: Alle Posten werden unter den Parteien verteilt, man macht gemeinsam eine Konsensgeschichte auf niedrigem Niveau ohne Ideen. Wir brauchen andere Strukturen: direkte Demokratie und bürgerschaftliche Entscheidungen.
Ralf Jäger ist in der Öffentlichkeit sehr präsent. Ist er nicht bürgernah?
Der Innenminister profiliert sich gerne mit Bildern von Schülern beim sogenannten Blitzmarathon, bei dem er Autofahrer mahnt, nicht zu schnell zu fahren. Wenn das alles ist, ist es zu wenig. Er nutzt die Spielräume nicht, die er als Innenminister hat.
Was könnte er denn machen?
Es gibt viele Ansätze im Ruhrgebiet, zum Beispiel junge Leute, die leer stehende Immobilien mieten, Ideen und Initiativen entwickeln. Das wird aber nicht gebündelt. Sinnvoll wäre auch, in den Städten einen Rat von engagierten Bürgern zusammenzurufen, der die Politik kritisch berät. Zum Beispiel beim Thema Zuzug aus Südosteuropa: Da ist die Stadtverwaltung in Duisburg hilflos, aber die Bürger sind sehr engagiert, etwa beim bundesweit in die Schlagzeilen geratenen „Problemhaus“ in Rheinhausen. Dort gibt es Patenschaften, einen runden Tisch und gegründete Wohnungsgenossenschaften, um den Menschen zu helfen und Probleme zu lösen. Aber von der Politik kam kein Signal.
Sie sind noch immer Mitglied der SPD. Warum?
Weil man nicht aus der SPD Duisburg austreten kann. Man kann nur aus der Gesamtpartei austreten. Andere Parteien sind für mich keine Alternative. Ich sehe für mich als Gewerkschafter in der SPD meine Ansprechpartner. Aktiv bin ich dort allerdings nicht, sondern seit Jahren bei Attac.
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