Theatertipps der Woche: Unheimlich verschwunden
Teuflische Empathie mit Nico & the Navigators, ein Richter als Täter im DT und Rimini Protokoll in Kontakt mit Barbara Morgenstern.
E s ist berühmt für seine assoziationsreichen wie bildmächtigen Musiktheaterabende: das Kollektiv Nico & the Navigators, kurz vor der Jahrtausendwende am Bauhaus in Dessau gegründet. In seiner neuen Produktion „Empathy for the Devil“ heften Nico & the Navigators sich mit Hilfe von Kompositionen vom Barock bis in die Gegenwart an die Spuren des Bösen und Unheimlichen.
Der Abend entstand zum 200. Jahrestag der Uraufführung von Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“, in der ein dunkler Jäger namens Samiel sein Unwesen treibt. Uraufführungsort von Webers Oper war das Königliche Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, das heute als „Konzerthaus“ fungiert. Dort sollte eigentlich auch „Empathy for the Devil“ uraufgeführt werden. Coronabedingt musste die Premiere verschoben werden.
Jetzt kommt der Abend als Kammerversion im Radialsystem heraus, das vielleicht der viel schönere Rahmen für diesen verrätselten Musiktheaterabend ist („Empathy for the Devil“, Premiere 16. 12., 20 Uhr: Alle Infos + Termine: www.radialsystem.de).
Das Böse schleicht unterschwellig auch durch Heinrich von Kleists finstere Komödie der „Der zerbrochne Krug“, die von Machtmissbrauch, #Metoo und dem Versuch handelt, den Staat und seine Gesetze zu korrumpieren. Am Deutschen Theater hat sich nun die Regisseurin Anne Lenk den Stoff über einen Mann vorgenommen, der einen Prozess führt, an dessen Ende sich herausstellt, dass er, der Richter, selbst der Täter ist.
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Der Richter, der Täter
Die Figur des korrupten Dorfrichters Adam ist mit Ulrich Matthes ziemlich gegen den Strich besetzt. Als Eve tritt Lisa Hrdina an, Tamer Tahan spielt Ruprecht Tümpel („Der zerbrochne Krug“ im DT, Premiere, 18. 12., 19:30 Uhr).
Vom Verschwinden und Verschwundenem handelt der neue Theaterabend von Helgard Haug / Rimini Protokoll, der lakonisch „All right. Good night.“ überschrieben ist. Es geht um verschwundene Menschen, ein Flugzeug, das plötzlich vom Radar verschwand, ein verschwundenes Gedächtnis, das auch für ein verschwundenes Bewusstsein steht.
Nicht zuletzt geht es auch um das Verschwinden des anwesenden Körpers aus dem Theater in der Pandemie. Das Mittel, mit dem Helgard Haug die Lücke, das Verschwundene spür- und erfahrbar machen will, ist unter anderem die Musik. Deshalb hat die Elektropopmusikerin Barbara Morgenstern für dieses Stück zum ersten Mal Musik für ein klassisches Orchester, nämlich das Saafran Ensemble komponiert („All right. Good night“ im HAU, Premiere: 16. 12., 19 Uhr; sowie 17.–21.12., je 19 Uhr; 20. 12.: Live-Audiodeskription und Haptic Access Tour von Gravity Access Services Berlin für blinde und sehbehinderte Zuschauer:innen, Anmeldung und Headset-Reservierung ist erwünscht: tickets@hebbel-am-ufer.de oder +49 (0)30 259004-27).
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