Theater unterm Dach digital: PMS im Theater

„Erdbeerwochen“ von Amina Gusner widmet sich der Menstruation. Trotz vieler offener Erfahrungsberichte wirkt es zum Teil aus der Zeit gefallen.

Frau mit pinker Perücke vor einem beleuchteten Spiegel

Inga Wolff ist frustriert. Aber nach „Erdbeerwochen“ fühlt sich die Periode auch nicht an Foto: Amina Gusner

„Ich habe gerade meine Erdbeerwochen.“ Meine Schulfreundin schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen und spöttisch verzogenem Mund an. Wir sind in der siebten Klasse und sie genießt es, einen Begriff zu benutzen, den ich nicht verstehe. Ein paar Minuten später erbarmt sie sich, ihn mir zu erklären. Erdbeerwochen. Das klingt nach Sommerurlaub, Kuchen im Garten, Erholung. Das klingt nicht nach meiner monatlichen Menstruation. Ich verwende den Begriff dennoch eine Weile.

„Erdbeerwochen“ heißt auch das neue Theaterstück von Regisseurin und Schauspielerin Amina Gusner, das im On­linestream im Theater unterm Dach gespielt wird. Aus zahlreichen Interviews mit menstruierenden Personen entstand eine Textcollage, die anders als der verschleiernde Titel die Menstruation mit detaillierter Offenheit thematisiert. Eine lose Rahmenhandlung gibt es auch: Drei Schauspielerinnen (Nina Kronjäger, Lea Sophie Geier und Inga Wolff) befinden sich in Hochzeitsvorbereitungen.

Eine will vermutlich heiraten, eine betrinkt sich, eine ist sexuell frustriert. Während geschminkt, getanzt und gefilmt wird, ist reichlich Zeit für Monologe über das „Frausein“.

Als Folge dessen summiert das Stück eine Vielzahl an Themen: Herzschmerz, sexualisierte Gewalt, Ablehnung, Körperfixierung, Kind und Karriere, Wechseljahre und natürlich alles rund um die Menstruation: PMS, Gerüche, Scham, (kein) Sex während der Tage, Kopfschmerzen. Stopp. Hat mal jemand eine Tablette? Und wo ist meine Wärmflasche?

Spannende geschichtliche Bezüge gehen unter

Wenn einem Periodenschmerzen derart dramatisch wie an diesem Abend entgegen geschrien werden, erfolgt instinktiv der Griff an den Unterleib. Schreien, Heulen und viele repetitive Sätze bestimmen das Stück. Es ist schade, dass ausgerechnet spannendere geschichtliche Bezüge lallend untergehen.

Gut zu hören sind hingegen Phrasen wie: „Es ist möglich, Karriere zu machen, auch wenn du ein Kind hast“, oder auch: „Die Ehe hat nichts mit Liebe zu tun.“ So taugt der Stücktext zwar zur abermaligen Reflexion bekannter Sexismen, irrationalen Ansprüchen an das eigene Selbst und von erlernten Geschlechterrollen. Aber kaum etwas überrascht.

Läuft wieder am 27./28 Mai und 25./26. Juni online im Theater unterm Dach, kostenfrei nach Anmeldung unter theateruntermdach@gmail.com

Aus diesem Grund ist der reduzierte Blick des Stückes so auffällig: Der Blick auf die Periode ist ein privilegierter, mit der Grundannahme von ausreichend Hygienemöglichkeiten und häuslicher Sicherheit. Auch verwundert die Verengung des Stücks auf Frauen und Mädchen und fühlt sich durch das implizite zweigeteilte Geschlechtersystem ein wenig aus der Zeit gefallen an. Nicht jede Person, die monatlich blutet, ist eine Frau. Nicht jede Frau blutet monatlich. Dass auch Personen, die trans oder nichtbinär sind, eine Menstruation haben können, findet keinen Eingang.

Der Grundtenor bleibt negativ

Auch bleibt der Grundtenor über die Periode negativ. Keine Beachtung findet der zunehmende Wechsel zum schambefreiten und bestärkenden Austausch zwischen Freun­d*in­nen und Part­ne­r*in­nen über die Periode. Dabei wäre doch gerade, wenn offen über Blut, Schweiß und Krämpfe gesprochen wird, Raum für freundschaftliche Solidarität.

Stattdessen wird aneinander vorbeigeredet, der Bauch gezwickt und als Kritik der sexistische Blick bemüht: „Na klar bist du eine richtige Frau. Du hast eine viel zu hohe Stimme, du jammerst und beschwerst dich die ganze Zeit, hast einen Putzfimmel, machst dich klein, bist unsicher und fühlst dich ungenügend.“

Schön wird das Stück in den Tanzszenen und dann, wenn die Schauspielerinnen – alle drei mimisch und körperlich ausdrucksstark und leidend in Periodenoutfit mit grauer Jogginghose und hochgebundenen Haaren – selbstironisch auf die Metaebene gehen. Das viele eigene Schreien und Theater in der Pandemie werden mokiert. Mit wenigen Mitteln wurde mit verschiedenen Kameraperspektiven, weißen Tüchern und Spiegeln auch ein stimmiges Bühnenbild kreiert.

Das inhaltlich weder Szenen über Influencer-Schönheits-OPs noch Dialoge über Geschlechterstereotype überraschen, kann ja auch etwas Gutes bedeuten: Es sind Themen, die in den letzten Jahren offener besprochen wurden. Das war auch höchste Zeit.

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