Performance im Fabriktheater Moabit: Verlorene Wörter, entfernte Gefühle

Das Stück „I don’t know where my mouth is“ entsteht in Deutschland und Israel. Im Fabriktheater Moabit hinterfragt es die digitale Kommunikation.

In zwei Realitäten gleichzeitig sein? Szene aus der Performance im Fabriktheater Moabit Foto: Ilja Niederkirchner

BERLIN taz | Die wechselnden Bilder auf den drei Leinwänden verschwimmen vor den müden Augen. Es rauscht in den Ohren, ein Störsignal. Oder Schluckauf? Da, ein Fenster. Da, das Meer und Wellen. Und dazwischen – eine Silhouette? Nur ein Tuch? Hallo? Wie geht es dir? Was?

Die Theaterperformance „I don’t know where my mouth is“ im Fabriktheater Moabit hinterfragt mit aufwendigen und eindrucksvollen Video- und Audioinstallationen und meist englischen Textcollagen die digitale Kommunikation. Was bleibt dabei auf der Strecke? Wie soll ein intimer Austausch möglich sein, wenn dazwischen die Verbindung gestört wird, sie abbricht oder die Stimme nur verzerrt beim digitalen Gegenüber ankommt?

Die Performance ist eine Zusammenarbeit eines deutsch-israelischen Künst­le­r*in­nen­kol­lek­tivs in der Regie der 26-jährigen Antje Cordes. Die digitale Kommunikation gehörte schon vor Corona zu ihrem Alltag. Seit vier Jahren wohnt die gebürtige Gießenerin in Jerusalem. Um mit Familie und Freun­d*in­nen in Deutschland in Kontakt zu bleiben, nutzt sie Videoanrufe und experimentiert auch künstlerisch damit.

Die Pandemie hat die digitale Kommunikation verstärkt

Auch das Stück entstand größtenteils mittels Videokonferenzen. Felix Lindner, der das Bühnenbild gestaltet hat, lebt und arbeitet in Berlin. Dabei fielen den Künst­le­r*in­nen immer wieder die Unzulänglichkeiten digitaler Kommunikation auf. Die Coronapandemie hat für die Kommunikation über digitale Endgeräte wie ein Katalysator gewirkt.

Doch auch zuvor waren in einer globalisierten Welt Videoanrufe, Instagramstorys und das sich ständige Filmen vor allem für jüngere Generationen Alltag. Wir können überall zugleich sein, alles mitbekommen. Oder?

Auch nach der Pandemie wird die digitale Kommunikation ein fester Bestandteil bleiben. Sie gilt als effizient, unkompliziert und inklusiv. Facebook-Gründer Marc Zuckerberg träumt gar davon, dass Nut­ze­r*in­nen durch sein „Metaverse“ gänzlich in die virtuelle Welt abtauchen. Arbeiten und Freun­d*in­nen treffen soll durch einen Avatar möglich sein, so seine Vision.

„Das Versprechen von digitaler Kommunikation wird nie richtig eingelöst, obwohl es so viel gelobt wird“, sagt Antje Cordes. „Es geht uns dabei weniger um den rein technischen Aspekt, sondern um das Gefühl dabei. Was passiert mit der Kommunikation, wenn ein Wort durch die Übertragung verloren geht? Was sieht und spürt man dabei alles nicht?“ Für die Dramaturgin verstärkt diese Form der Kommunikation das Gefühl von Distanz.

Der Veranstaltungsort in Moabit passt dabei gut zum Inhalt des Stücks: „I’m sitting in a room and it is cold“. Die poetische Konzentrationsübung von Alvin Lucier aus dem Jahr 1970 wird immer wieder in das Stück eingeflochten. Bestätigendes Gemurmel von links und rechts. Ja, es ist tatsächlich kalt in dem kleinen Theatersaal des Fabriktheaters, daran ändert auch das voll besetzte, größtenteils junge Publikum nichts. Doch das 45-minütige Stück bietet interessante Vielseitigkeit: eigene Musikkompositionen und viele Soundeffekte von Amit Dagim und Daniella Ljungsberg und ein sich ständig veränderndes Bühnenbild.

Anhand eines humorvollen Exkurses in die Quantentheorie fragt das Stück, was mit Individuen passiert, die versuchen, in mehreren Zuständen, im analogen und digitalen zugleich zu existieren. Getragen wird das in der Handlung eher lose Stück von der ausdrucksstarken Performancekünstlerin und Tänzerin Savyon aus Tel-Aviv.

Schön, dass Publikum und Künst­le­r*in­nen an diesem Abend nicht in die digitale Welt abtauchen müssen, um genau darüber in den Austausch zu kommen.

“I don't know where my mouth is“, Kulturfabrik Moabit, Lehrter Straße 35, 16 Euro, wieder am 20.2 um 17 Uhr und 20 Uhr und am 21.2. um 20 Uhr

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